Was wir vom Umgang mit Diana über uns selbst lernen können
Von Karin JirsakAm 31. August 2022 jährt sich der Todestag von Diana, Fürstin von Wales zum 25. Mal. Nach dem chilenischen Regisseur Pablo Larraín („Spencer“) widmet sich deshalb nun auch der Amerikaner Ed Perkins der „Prinzessin der Herzen“, wobei die Ansätze kaum verschiedener sein könnten: Während sich Larraíns hochgradig stilisierter Spielfilm mit Kristen Stewart in der Hauptrolle auf ein Zeitfenster von nur drei Tagen im Leben von Lady Di fokussiert und sich dabei viele künstlerische Freiheiten erlaubt, spannt Perkins seinen ausschließlich mit Archivaufnahmen bebilderten Erzählbogen über Dianas gesamtes Leben in der Öffentlichkeit. „The Princess“ ist tatsächlich die erste Kinodokumentation über Prinzessin Diana überhaupt – und das Publikum erlebt dabei sehr unmittelbar eine tragische Geschichte, aus der wir als Medienrezipient*innen auch heute noch etwas über uns selbst lernen können...
Es war einmal eine wunderschöne, junge Lady, die heiratete den Kronprinzen von England. Doch obwohl sie ihm bald darauf zwei Söhne gebar, war die Ehe nicht glücklich, denn der Prinz liebte eine andere Frau. Das Volk aber liebte die Prinzessin bald mehr als den Prinzen, was vor allem der Königin gar nicht gefiel. Skandale und Enthüllungen über die royale Ehe erschütterten die öffentliche Wahrnehmung des Königshauses, es folgte die Scheidung des einstigen „Traumpaares“. Immer dabei: die Paparazzi! Auf der Jagd nach dem perfekten Schuss kannten sie keine Gnade und sollten schließlich sogar das jähe Ende der schönen Prinzessin besiegeln…
Prinzessin Diana schaut von Auftritt zu Auftrit immer unglücklicher drein.
Ein Vierteljahrhundert nach ihrem Tod lebt der Mythos Diana ungebrochen weiter und schreibt sich auch mit diesem Beitrag von Ed Perkins (oscarnominiert für den Kurzfilm „Black Sheep“) störungsfrei fort. Auch hier ist die Prinzessin wieder die strahlende, traurige Heldin, als die wir sie seit jeher kennen: 1981 betritt die erst 19-jährige Diana Frances Spencer die Weltbühne und wird schon bald darauf vom britischen Volk und eigentlich der ganzen Welt wie eine Heilige verehrt. Eine Madonnen-Verehrung, die sich nach ihrem frühen Tod in einem Pariser Autobahntunnel endgültig ins Monumentale potenzierte. Diesen Kult reproduziert nun auch Perkins mittels Bild- und Tonmaterial aus dem Archiv.
Auswahl und Arrangement der Aufnahmen stabilisieren dabei genau jene Bilder, die sich spätestens mit dem Tod der Prinzessin ohnehin ins Kollektivgedächtnis eingebrannt haben. Da sehen wir etwa die Queen, eisig lächelnd beim als zu spät empfundenen Niederlegen eines Straußes in das Blumenmeer, das sich zum Gedenken an die „Königin der Herzen“ vor dem Buckingham Palace gebildet hat. Es sind Bilder wie diese, die den suggestiven Charakter von Perkins’ Montagearbeit ausmachen. Keine Stimme aus dem Off, keine Erläuterungen von außen – unterstützt von ausgewählten Tondokumenten sind es vor allem die Bilder, die die Aufmerksamkeit einfangen und fesseln, die meinungs-bildend sind. Sofern man zuvor noch keine Meinung zum „Fall“ Diana hatte.
Das Blumenmeer nach dem Tod der Prinzessin der Herzen, zu dem Königin Elizabeth berühmterweise erst (zu) spät einen Strauß dazugelegt hat.
In einer Szene sehen wir die Prinzessin im Blitzlichtgewitter auf einem Sofa inmitten eines Raums, den kleinen William auf dem Arm, ihre (bedeckte) Brust im Fokus der Kameras. Sichtlich gequält sucht die junge Mutter nach einer Möglichkeit, den Säugling zu beruhigen und lässt ihn schließlich an ihrem kleinen Finger saugen. Ein in doppeltem Wortsinn eindringliches Bild – und eins von vielen, die kaum daran zweifeln lassen, wer hier nach wie vor die Guten und wer die Bösen sind. Ironischerweise macht Perkins sich dabei zum Komplizen derjenigen, die er eigentlich an den Pranger stellen will: Indem er die Perspektive der Paparazzi einnimmt, konterkariert er im Grunde seine Medienkritik – und schließlich würde ohne das verderbliche Wirken des Raubtier-Boulevardjournalismus auch sein Film nicht existieren. Auch lässt sich, wenn man denn will, dasselbe einmal mehr für den Mythos Diana feststellen: Ohne die ständig auf sie gerichteten Riesenobjektive wäre der ja auch nie in dieser Größe und Strahlkraft erschaffen worden, um uns normalsterbliche Voyeur*innen für immer und ewig zu faszinieren.
Als solche Royal-Fans können wir sie hier noch einmal auf der großen Leinwand erleben und uns dabei als Nutznießer*innen und zugleich Kritiker*innen der Paparazzi-Arbeit ein klein wenig schlecht fühlen, beginnend ab dem Moment, als die junge Diana Spencer in den Augen der Öffentlichkeit zur „Prinzessin“ wird, sprich, dem Moment der Verlobung mit Charles. Es folgt ein Bilderbogen, der einer mit seiner großformatigen Tragik in seinen Bann zu ziehen weiß, inhaltlich aber kaum Neues bietet: Diana trifft Mandela, küsst Aidskranke, kümmert sich aufopfernd um ihre beiden Söhne und sieht von Szene zu Szene leidender aus. Charles spielt Polo und betrügt seine Frau mit einer gewissen Camilla Parker Bowles, hier, wie gewohnt, nur als stummer Schatten am Spielfeldrand zu sehen. Inwieweit wir uns als Endkonsument*innen royaler Skandalgeschichten infolge des Falls Diana verändert haben, mit dieser Frage dürfen wir uns jedenfalls nach, ja, Genuss dieser Tragödie noch mal ganz ehrlich auseinandersetzen – spätestens, wenn wir uns mal wieder über den neuesten „Megxit“-Fail aufregen…
Fazit: Der Mythos Diana, als große Tragödie inszeniert, vermag auch nach 25 Jahren noch mitzureißen. Ohne Kommentare montiert der Dokumentarfilmer Ed Perkins ausschließlich Archivaufnahmen – zu neuen Erkenntnissen über den Menschen / die Prinzessin Diana und ihr Schicksal kommt er dabei allerdings nicht.