Twinkle, twinkle, fucking star oder The Mad Diva of Drumbuchan
Von Gaby SikorskiDie Schauspielerin Joanna Lumley (Jahrgang 1946) ist ein Phänomen: Seit den 1960er Jahren hält sie sich konstant in der Film- und TV-Szene. Sie war zunächst Model und spielte als Bond-Girl an der Seite von George Lazenby in „Im Geheimdienst ihrer Majestät“. Später wurde sie eine der schlagkräftigen Partnerinnen von Patrick Macnee in „Mit Schirm, Charme und Melone“. Doch Kultstatus erlangte sie vor allem als Patsy Stone in der Serie „Absolutely Fabulous“ – als Upperclass-Lady mit einer unstillbaren Vorliebe für freche Sprüche, Wodka und Zigaretten. Mittlerweile spielt sie nur noch selten, zuletzt 2016 im „Absolutely Fabulous“-Kinofilm. Doch ihr kesses Mundwerk ist geblieben, ebenso wie ihre Ausstrahlung – zwischen gruseligem Drachen und verschrobener englischer Lady. In „Verrückt nach Figaro“ darf sie noch einmal ihre ganze Klasse zeigen, als Komikerin par excellence nach dem Motto: „Dezenz ist Schwäche!“
Lumley spielt die Ex-Operndiva Meghan Geoffrey-Bishop, die völlig verarmt in den schottischen Highlands lebt. Als Gesangslehrerin mit miserablem Ruf hat sie nur noch einen einzigen Schüler, den liebenswert schüchternen Max (Hugh Skinner), der davon träumt, eines Tages den großen britischen Wettbewerb für Opernsänger zu gewinnen. In diese Konstellation platzt Millie (Danielle Macdonald), eine erfolgreiche junge Fondsmanagerin, die sich kurzfristig ein Sabbatical genommen hat, um Opernsängerin zu werden. Obwohl Meghan ihr sofort jede Hoffnung nimmt, auch nur über einen Funken Gesangstalent zu verfügen, wird Millie dennoch als Schülerin aufgenommen – schon des Geldes wegen. Allerdings ist Max ganz und gar nicht damit einverstanden, dass Meghan ihm eine Konkurrentin direkt vor die Nase setzt…
Millie (Danielle Macdonald) gibt alles, um ihre Gesangslehrerin von ihrem Talent zum Arien-Schmettern zu überzeugen.
Dass sich Millie und Max während der Gesangsausbildung irgendwann näher kommen, ist sicherlich nicht ganz unerwartet – so wie es überhaupt einiges gibt, was diese RomCom vorhersehbar macht. Jedoch schmälert das kaum das Vergnügen. Regisseur Ben Lewin („The Sessions“) und sein Co-Autor Allen Palmer haben sich viel Mühe gegeben, einen Plot zu entwickeln, der trotz einiger Zugeständnisse an den vermuteten Publikumsgeschmack immer noch so viel Originalität besitzt, dass auch anspruchsvollere Kinofans ihren Spaß haben können. Also keine allzu platten Scherze – stattdessen bieten Lewin/Palmer feine bis brillante Dialoge und coole Oneliner, die neben Joanna Lumley besonders gern von dem herrlich komischen Gary Lewis serviert werden.
Er spielt den ebenso bärbeißigen wie sympathischen Wirt eines Landgasthofes mit dem schönen Namen „The Filthy Pig“, wo Millie ihr Quartier aufschlägt. Während Hugh Skinner („Mamma Mia! Here We Go Again“) als Max den Prototyp eines niedlichen, schüchternen Burschen vom Lande spielt, ist Danielle Macdonald („Patty Cake$“) als Millie die liebenswerte und – was mehrmals betont wird – überhaupt nicht arrogante Karrierefrau aus der Stadt, mit einem zeitweise leicht nervigen Dauerlächeln im freundlichen Mondgesicht. Millie ist insgesamt ein wenig zu glatt geraten, auch wenn Danielle Macdonald einen guten Job macht.
Aber sowieso entschädigt das letzte Drittel des Films für einiges: Max und Millie finden mehr und mehr zu ihren Rollen, auch ihr Zusammenspiel klappt immer besser, und wenn Meghan den beiden rät, sich beim Liebesduett doch ruhig auch einmal in die Augen zu sehen, dann wird allen einigermaßen klar, wohin der Highland-Hase läuft. Joanna Lumley allerdings lässt es sich nicht nehmen, die mehr oder weniger heimliche Hauptrolle zu spielen. Und das ist gut so. Thematisch wird hier die zurzeit im Film irgendwie auffällige Vorliebe für klassische Musik wieder deutlich – siehe „Tár“, „Divertimento“ oder „Tenor“, und das bedeutet auch viel Opernmusik in Form von meist bekannten Arien. Mozarts Komposition des Schlaflieds „Funkel, funkel, kleiner Stern“ ist da schon so etwas wie ein besonderes Highland-Highlight.
Es gibt aber nicht nur schönen Gesang, sondern auch fürs Auge wird einiges geboten: die urwüchsige schottische Natur mit ihren Mooren, Bergen und Lochs ... ein bisschen Stadtmaus-Landmaus-Flair gehört auch noch dazu, mit knorrigen Einheimischen, gegen die Meghan Geoffrey-Bishop als Mad Diva von Buchanan wie eine Glasperle im Heuhaufen wirkt. Es gibt ein paar putzige Ideen – Millie singt den zotteligen Highland-Bewoner*innen vor, Max arbeitet seine Gesangsstunden in Form von Handwerksarbeiten ab, und das gesamte Dorf hat sich zu Opernkennern entwickelt, weil Max schon seit Jahren alljährlich immer wieder am Gesangswettbewerb teilnimmt.
Bekommt Millie tatsächlich eine Chance, ihren Operngesang auf der Bühne vorzuführen – oder bleibt das alles nur ein Traum?
Und dann ist da natürlich noch die zumindest zu Beginn wirklich furchteinflößende Ex-Sopranistin Meghan, die mit Methoden der Steinzeitpädagogik vor allem Demotivation und Angst bei ihren beiden Schüler*innen verbreitet. Was sie mit Max und Millie anstellt, erfüllt gleich mehrere Tatbestände der Körperverletzung und Beleidigung, aber es ist so dermaßen überzogen, dass es schon wieder komisch ist. Das hat mit der beruflichen Realität in der Welt des professionellen Gesangs wenig bis gar nichts zu tun, aber hin und wieder landet Ben Lewin doch ein paar schöne Wirkungstreffer in Richtung Künstler*innen-Szene.
Mit am besten ist dabei die Szene mit Millie und ihrer Konkurrentin im Wettbewerb, die sich vor Nervosität erbricht, beinahe in Ohnmacht fällt und praktisch übergangslos eine sensationelle Arie als Königin der Nacht hinlegt. Was dann tatsächlich alles beim Gesangswettbewerb passiert, ist teilweise sogar überraschend, wird aber natürlich nicht verraten…
Fazit: Die Geschichte von der Londoner Karrierefrau Millie, die es auf die Opernbühne zieht und die zum Gesangsunterricht in die schottischen Highlands reist, entwickelt sich erwartbar zur RomCom, als sie dort auf ihren Konkurrenten Max trifft. Allerdings gewinnt die mit viel Humor gewürzte Story durch Joanna Lumley als furchteinflößende Gesangslehrerin und den umwerfenden Gary Lewis als schottischen Gastwirt so viel an komischem Drive, dass die vorhersehbare Love Story kaum negativ ins Gewicht fällt.