Enttäuschend wenig Zombies
Von Christoph PetersenAls im Mai 2021 Zack Snyders Zombie-Heist-Blockbuster „Army Of The Dead“ auf Netflix erschien, entwickelte sich der von Matthias Schweighöfer verkörperte Meister-Safeknacker Ludwig Dieter – vor allem beim internationalen Publikum – zum heimlichen Fan-Favoriten. Aber das ist offensichtlich nicht der Grund, warum der tresoröffnende Wagner-Liebhaber nun sein eigenes Spin-off-Prequel bekommt. Schließlich hat der von Schweighöfer selbst inszenierte „Army Of Thieves“ schon grünes Licht bekommen, bevor das Original überhaupt auf der Streaming-Plattform erschienen ist.
Aber warum dann? Abgesehen von dem allgemein immer stärker werdenden Wunsch, aus allem gleich ein filmisches Universum machen zu wollen, wird das leider nicht so richtig klar. „Army Of The Dead“ unterscheidet sich von anderen Heist-Movies ja gerade durch die Horden von Untoten, die Las Vegas übernommen haben. Aber im in Europa angesiedelten Spin-off gibt es keine Zombies – und deshalb ist „Army Of Thieves“ auch wenig überraschend eine Heist-Komödie, die sich praktisch kaum noch vom Gros durchschnittlicher Genre-Vertreter abhebt.
Sebastian (Matthias Schweighöfer) macht mit dem Sieg bei einem Underground-Safeknacker-Wettbewerb auf sich aufmerksam.
Sebastian Schlencht-Wöhnert (Matthias Schweighöfer) ist ein frustrierter Bankangestellter, der in seiner Freizeit YouTube-Videos übers Safeknacken produziert, die sich allerdings niemand ansieht. Aber dann taucht unter einem seiner Beiträge über den legendären Tresorbauer Hans Wagner, der seine vier berühmtesten Safes nach den vier Teilen von Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring der Nibelungen“ benannt hat, doch noch ein Kommentar auf – und in dem wird Sebastian nach Berlin zu einem geheimen Underground-Safeknacker-Wettbewerb eingeladen.
Der Schalterbeamte sticht die Konkurrenz locker aus – und wird daraufhin Teil einer internationalen Diebesbande: Neben der Anführerin Gwendolin (Nathalie Emmanuel) besteht diese aus der Hackerin Korina (Ruby O. Fee), dem Mann fürs Grobe Brad Cage (Stuart Martin) und dem Fluchtfahrer Rolph (Guz Khan). Das Ziel: In nur vier Tagen die drei als unknackbar geltende Nibelungen-Tresore Rheingold, Walküre und Siegfried ausrauben – und zwar in Paris, Prag und St. Moritz…
Wer bisher aufmerksam gelesen hat, dem wird sofort aufgefallen sein, dass Matthias Schweighöfers Figur diesmal einen anderen Namen trägt. Aber keine Sorge, es wird ausführlich erklärt, wie Sebastian Schlencht-Wöhnert an den Künstlernamen Ludwig Dieter gekommen ist – selbst wenn das vorab wohl ähnlich wenige Leute interessiert hat wie vor ein paar Jahren die Origin des Nachnamens von Han Solo. Viel wichtiger als die Herkunft ist aber sowieso, was er ausdrückt – schließlich klingt Ludwig Dieter aus internationaler Perspektive wie der deutsche Durchschnittsname schlechthin …
… und tatsächlich ist „Army Of Thieves“ vollgestopft mit solchen Klischees, die Deutschland so zeigen, wie Amerikaner*innen es offenbar gerne sehen wollen. Allerdings stört das gar nicht so sehr, sondern ist – auch dank Matthias Schweighöfers selbstironischer Performance – sogar ganz sympathisch geraten: Also gibt es jede Menge Wagner, Ingenieurskunst, Berliner Clubs, bayerische Altstädte und Sebastian als Inbegriff des blondschöpfigen Schalterbeamten-Strebers. Immer noch besser als der britische Fluchtfahrer Dolph, dessen Charakterisierung allein darin besteht, dass er sich ununterbrochen Sandwiches reinzieht.
Fluchtfahrer Rolph (Guz Khan) kann gut Auto fahren - und ununterbrochen Sandwiches in sich hineinstopfen.
Andere Klischees wiegen da schon deutlich schwerer. Ein Running Gag von „Army Of Thieves“ besteht etwa darin, dass die Figuren laut aussprechen, dass das alles gerade genau so wie in einem typischen Heist-Film abläuft. Aber dass sich Matthias Schweighöfer und sein Drehbuchautor Shay Hatten mit solch einem Meta-Humor selbst darüber lustig machen, wie sehr sie hier auf ausgetretenen Pfaden wandeln, hilft eben auch nicht wirklich darüber hinweg, dass sowohl die Überfälle als auch die Reibungen im Team praktisch ohne frische Ideen auskommen.
Zumal auch keine befriedigende Lösung dafür gefunden wurde, das Safeknacken visuell besonders spannend oder aufregend zu gestalten: Sebastian lauscht halt an der Tresortür und dreht an einem Zahlenschloss, bis es irgendwann „Klick“ macht – da ist kaum nachvollziehbar, warum er nun so genial sein soll, er hat halt einfach nur ein besonders gutes Gehör. Dass die vier Nibelungen-Safes besonders harte Nüsse sein sollen, bleibt so jedenfalls pure Behauptung – das wirkt im Gegenteil eigentlich alles ziemlich easy. Ein großes Plus ist hingegen das Tempo: Vier Heists in zwei Stunden – da wird’s zumindest nie langweilig.
Weil „Army Of Thieves“ zeitlich früher spielt und die Zombie-Epidemie selbst in „Army Of The Dead“ noch auf Las Vegas beschränkt ist, war natürlich immer klar, dass es diesmal keine Untoten geben wird. Trotzdem hätte man sich gewünscht, dass die Macher die Untoten-Plage auf der anderen Seite des Atlantiks nicht nur für ein paar Querverweise und Gags (Stichwort: keifende Bankkundin) nutzen, sondern sie auch thematisch einsetzen, um ihrem Heist-Plot eine eigene unverkennbare Note zu verleihen.
Immerhin sollte man doch meinen, dass so ein Zombie-Outbreak weltweit für Panik oder sonst irgendwelche Reaktionen sorgt. Aber mit Ausnahme einer Szene, in der ein Interpol-Agent fragt, warum man eigentlich so viel Energie auf die Banküberfälle verschwende, wo es doch viel wichtigere Probleme zu lösen gäbe, wirkt es in „Army Of Thieves“ so, als würde die Las-Vegas-Katastrophe in Europa keine Sau interessieren (was man wiederum auch als satirischen Kommentar zum Zusammenhalt der westlichen Welt lesen könnte). Stattdessen gibt es aber dann doch wieder die üblichen Popkulturanspielungen von „The Rock“ bis „Fluch der Karibik 2“ – und einen Gag, bei dem der ach so fingerfertige Super-Safeknacker Sebastian an einem Käsebrot verzweifelt, weil er es nicht schafft, seine Gürkchen gleichmäßig zuzuschneiden.
Fazit: Wenig clevere, aber dafür immerhin recht kurzweilige Heist-Komödie, die sich selbst darüber lustig macht, wie brav die üblichen dramaturgischen Stationen des Genres hier abgeklappert werden. Dabei sollte die Verbindung zum Zombie-Blockbuster „Army Of The Dead“ doch eigentlich eine Steilvorlage liefern, sich vom gängigen Heist-Allerlei abzusetzen.