Taucht da etwa eine Art Befreier ein in das normale Leben einer Weltstadt? Jesus Christ – nicht aus dem Himmel, sondern von einem Lichtjahre entfernten Planeten mit dem Namen K-Pax? Das wäre zu einfach, denn „K-Pax“ ist trotz der außergewöhnlichen Geschichte, die Iain Softley erzählt, ein zutiefst realistischer Film. Denn alles, was er erzählt, ist plausibel, liegt im Bereich der Wahrscheinlichkeit, wenn es uns auch unwahrscheinlich erscheint. Prot, der Mann, der so aussieht wie jeder andere männliche Erdenbewohner, räumt auf – und das auch noch in der Psychiatrie.
Plötzlich steht er da, unrasiert, mit Sonnenbrille, ein bisschen unbeholfen, ruhig, gelassen, erzählt den Polizisten, die auf den Bahnhof gerufen wurden, weil eine Frau überfallen wurde, er komme von K-Pax und heiße Prot (Kevin Spacey). Ein klarer Fall für die Cops, einer für die Psychiatrie. Prot lässt sich widerstandslos abführen in das Reich, über dessen Regeln u.a. Dr. Mark Powell (Jeff Bridges) wacht. Natürlich glaubt ihm keiner. Die Diagnose allerdings ist auch äußerst schwierig, denn Prot ist nicht nur intelligent, selbstbewusst und verhält sich so normal wie man sich nur normal verhalten kann. Er reagiert zudem auf eine starke Dosis eines Medikaments, das man ihm verabreicht hat, überhaupt nicht. Die Ärzte sind ratlos, diskutieren Theorien und verwerfen sie wieder. Inzwischen nimmt Prot Kontakt zu den anderen Patienten auf und gibt ihnen Ratschläge, wie sie wieder gesund werden könnten. Prot ist sympathisch, strahlt eine überlegene Ruhe aus. Die Patienten glauben seine Geschichte und konkurrieren darum, wer von ihnen in einigen Wochen mit ihm zusammen nach K-Pax „reisen“ darf. Denn eine Person kann Prot auf seine Licht-Reise gen Heimat mitnehmen.
Powell hört sich an, was Prot von seinem Planeten zu erzählen hat. Das klingt für den Arzt zwar unglaubwürdig, weil Powell die Möglichkeit ausschließt, dass ein Alien sich tatsächlich auf die Erde verirrt hat, aber nichtsdestotrotz in sich plausibel. Auf K-Pax gebe es keine Familien. Wenn jemand – per x-facher Lichtgeschwindigkeit – den Planeten verlasse, würde niemand ihn vermissen. Es gebe keine Kriege, keine Gewalt, und zum Alltagswissen der Einwohner auf K-Pax gehörten Selbstverständlichkeiten, die auf der Erde völlig unbekannt seien. Auch die anderen intelligenten Lebewesen im All wüssten, dass sich die Menschen gnadenlos in ihrer Zivilisation verrannt hätten. Powell hört sich die Geschichten von Prot mit steigendem Interesse an. Als Prot schließlich Wissenschaftlern die genaue Lage seines Planeten und der Galaxie aufzeichnen kann, kommen die aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Powell ist jedoch weiterhin überzeugt, dass Prot ein Mensch ist. Er beschließt, ihn auf eine Familienfeier mitzunehmen und genauestens zu beobachten. Prot überrascht Powell, seine Frau Rachel (Mary McCormack) und deren Kinder mit der Feststellung, der Hund der Familie würde auf einem Ohr sehr schlecht hören, sie sollten sich deshalb nicht an ihn heranschleichen. Dann allerdings passiert das, worauf Powell gewartet hat. Als eines der Kinder die Rasensprinkleranlage betätigt, gerät Prot in Panik. Hat er es doch gewusst! Powell ist entschlossen, dem vermuteten traumatischen Ereignis, das dieser Reaktion zugrunde liegen müsse, auf den Grund zu gehen. Hypnose soll helfen. Dabei stößt Powell auf einen Mann namens Robert Porter ...
„K-Pax ist ein Planet. Aber haben Sie keine Angst, ich werde nicht aus ihrer Brust herausspringen“, beruhigt Prot den etwas konsternierten Erdenbewohner, der ihn unbedingt heilen will. Je mehr sich die Geschichte um diesen merkwürdigen Mann dem Ende nähert, desto unwichtiger wird die Frage, ob er nun Alien oder kranker Mensch ist. Prot steht in gewisser Weise für ein Wunder. Die Normalität, in der er auftaucht, wird in Frage gestellt – und das ausgerechnet in der Psychiatrie. Dafür genügt es, dass Prot eine in sich plausible Geschichte erzählt und Kenntnisse verbreitet, die über das hinausgehen, was seine Umgebung für möglich gehalten hat.
Prot verhält sich nicht außergewöhnlich, sieht normal aus, ist sympathisch, zuvorkommend, über ein gewohntes Maß hinaus hilfsbereit, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Als Powell ihn auffordert, es zu unterlassen, seine Patienten therapieren zu wollen, das sei seine Aufgabe, entgegnet ihm Prot nüchtern: „Warum tun sie es dann nicht?“ Powell ist sprachlos, zumal es einigen Patienten aufgrund des Kontakts mit Prot besser zu gehen scheint: Eine Frau verlässt das Zimmer, das sie bisher nie verlassen hat. Ein andere Frau fängt wieder an zu reden. Und ein Mann, der mit Mundschutz herumläuft, weil er überall Vergiftetes vermutet, wagt sich aus dem Gebäude. Mehr noch: Die Patienten sehen in Prot eine Art Erlöser ihrer Leiden, zumindest eröffnet er ihnen anscheinend einen Weg, zu sich selbst zu finden, mit ihren Psychosen und Neurosen besser umzugehen. Sie sehen keinen Heiland in ihm, glauben ihm einfach das, was er sagt, wo er herkommt, hoffen, dass er sie mitnimmt auf K-Pax. Als er schließlich zurückgekehrt zu sein scheint, sind die Dagebliebenen nicht enttäuscht, dass sie nicht mit ihm durften. Sie glauben an ihn und das, was er erzählt hat.
„K-Pax“ zeigt auf eine nüchterne, intelligente und in jeder Hinsicht ruhige Art, wie brüchig unsere Normalität ist. Es bedarf lediglich der richtigen Kratzer an den richtigen Stellen und alles gerät in Unordnung, ins Wanken. Powell scheint dies einerseits zu spüren, andererseits verfängt er sich in seinen gewohnten Vorstellungen, vor allem darüber, dass es sich bei Prot um einen Menschen handeln muss. Powell zweifelt, aber er bekämpft seine Zweifel mit dem Erlernten, dem Gewohnten, dem scheinbar sicheren Wissen. Die Patienten verhalten sich anders. Sie sind aus dieser Normalität „herausgefallen“, leiden unter Erlebnissen, die sich ihres Lebens bemächtigt haben, greifen nach etwas, was mehr ist als nur ein Strohhalm: Sie hoffen und beginnen, wieder an sich selbst zu glauben. Nein, am Schluss werden nicht alle als geheilt entlassen. Aber so einige von ihnen sind aus einer Art Lethargie der Normalität erwacht. Diese drei Komponenten stehen sich gegenüber: die feste Überzeugung von der Sicherheit, die das menschliche Leben beherrschen soll, verkörpert durch Powell, die Fähigkeit, an einen Weg zu glauben und daran zu arbeiten, der die Möglichkeit impliziert, keine absolute Sicherheit bekommen zu können, und Prot, einer der viel mehr über die Menschen zu wissen scheint, als sie selber.
„K-Pax“ lebt vom Spiel zwischen Jeff Bridges als selbstbewussten, souveränen Psychiater, der keine grundlegenden Zweifel wirklich akzeptieren kann, obwohl er selbst zweifelt, und Kevin Spacey, der als Alien-Mensch grandios auftrumpft. Die Dialoge zwischen beiden gehören zum Besten dieses Streifens. Abseits von Action und Klamauk, die das Kinojahr überwucherten, gelang Softley ein in jeder Hinsicht sehenswerter, spannender Film, der mit bravourösen Leistungen seiner beiden Hauptdarsteller aufwarten kann, nicht in sentimentalen Kitsch verfällt und dessen Ende den Zweifel nährt, nicht so sehr daran, ob Spacey einen Alien oder Menschen verkörpert (oder vielleicht beides?), sondern an Vertrautem.
(zuerst erschienen bei CIAO)