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    Greatest Days
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Greatest Days

    Verdammt gute Laune mit Take That

    Von Oliver Kube

    Die 1990 gegründete Boyband Take That war eine unglaubliche Hit-Maschine. Songs wie „Pray“, „Never Forget“, „Back For Good“ oder „Everything Changes“ verkauften sich weltweit millionenfach und machten die jungen Männer aus Manchester zu Superstars der Popmusik. Das Besondere daran: Im Gegensatz zu den meisten anderen Acts dieses Genres wurden ihnen diese Lieder nicht von cleveren Produzenten und deren angeheuerten Songschreibern auf den Leib geschneidert. Stattdessen war einer von ihnen das musikalische Mastermind der Gruppe: Gary Barlow!

    1996 lösten sich Take That auf, bevor sie sich 2005 wieder zusammentaten – erneut mit erstaunlich großem Erfolg. 2017 ging dann ein von der Band produziertes, von „Kinky Boots“-Autor Tim Firth geschriebenes Bühnenmusical zunächst in Großbritannien und Irland, kurz darauf auch in Deutschland auf Tournee. Nun bringt Regisseurin Coky Giedroyc („Sherlock“) den turbulent inszenierten Mix aus Drama, Comedy und natürlich ganz viel Musik auf die Leinwand: „Greatest Days“ dürfte dabei allen gefallen, die schon Spaß an Filmen wie „Mamma Mia!“ (mit der Musik von ABBA) oder auch dem deutlich britischeren „Blinded By The Light“ (inspiriert von den Songs von Bruce Springsteen) hatten!

    In „Greatest Days“ gibt es einen Girlstrip der besonderen Art – immer zur Musik von Take That.

    Als Teenagerinnen waren Rachel (Aisling Bea), Zoe (Amaka Okafor), Heather (Alice Lowe) und Claire (Jayde Adams) beste Freundinnen – vereint durch ihre gemeinsame Liebe für eine populäre Boyband. 25 Jahre später hat das Quartett den Kontakt zueinander fast komplett verloren. Da erfährt die mittlerweile als Krankenschwester arbeitende Rachel, dass ihre einstigen Favoriten The Boys ein Reunion-Konzert in Griechenland geben. Beim Preisausschreiben eines lokalen Radiosenders gewinnt sie sogar vier Flugreisen und Eintrittskarten. Rachels Idee ist es, die Mädchenclique von damals wieder zusammenzubringen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, ihre Freundschaft noch einmal aufleben zu lassen – vor allem wegen eines tragischen Ereignisses, über das keine von ihnen jemals wirklich hinweggekommen ist…

    Wie „Mamma Mia!“ ist auch „Greatest Days“ ein sogenanntes Jukebox-Musical. Das heißt, dass nicht extra neue Stücke für das Musical geschrieben wurden, sondern die Story mit Hilfe von bereits bekannten Songs erzählt wird – hier eben den Hits von Take That. „Greatest Days“ fällt dabei ein, zwei Nummern kleiner aus als bei der ABBA-Konkurrenz oder dem auf Metal-Hits der 1980er basierenden „Rock Of Ages“: Nicht nur wird hier visuell eher typisches Brit-Kino als großer Hollywood-Glamour geboten – auch weist die Besetzungsliste keinen einzigen internationalen Superstar auf. Anstelle von Meryl Streep oder Tom Cruise stehen hier Serien-Darstellerinnen wie Aisling Bea („Living With Yourself“) oder die Komikerin Jayde Adams („Good Omen“) auf der Cast-Liste. Immerhin: Take That selbst sind zu sehen (allerdings muss man schon gut aufpassen, um ihr Cameo nicht zu verpassen).

    Der Film trifft ins Herz

    Und trotzdem: Regisseurin Coky Giedroyc und ihr Ensemble unterhalten ihr Publikum einfach richtig gut! Dabei seien ihnen sogar ein paar kleine Abstecher in Richtung Kitsch und/oder Klischee verziehen. Denn neben viel Schwung und Tempo sind es vor allem die Emotionen, mit denen „Greatest Days“ punktet. Rachels auch nach einem Vierteljahrhundert noch andauernde Trauer über den Verlust ihrer besten Freundinnen, Claires Angstzustände sowie Heathers und Zoes Frustrationen über den Verlauf ihres Liebes- beziehungsweise Berufslebens wirken authentisch – ebenso wie der Anschein von Machtlosigkeit, sich irgendwie von diesen Zuständen befreien zu können.

    Die schönsten und berührendsten Szenen sind allerdings die ausgedehnten Flashbacks in die 1990er, dann mit den jungen Versionen der vier Protagonistinnen (Lara McDonnell, Eliza Dobson, Nandi Hudson, Carragon Guest). Das Band der Freundschaft zwischen ihnen wirkt – trotz (oder auch wegen!) der gemeinsamen Singerei und Tanzerei – sehr real und dürfte für das eine oder andere verdrückte Tränchen vor der Leinwand sorgen. Ein wichtiger Faktor für die Wirksamkeit all dieser Emotionen ist das einst fünfte Mädchen in ihrem Kreis: Gespielt wird sie von der quirlig agierenden und mit der klar ausdrucksstärksten aller Gesangsstimmen gesegneten Jessie Mae Alonzo („Little Joe - Glück ist ein Geschäft“).

    In „Greatest Days“ gibt es zwar keine internationalen Superstars – aber dafür einen perfekt harmonierenden Cast, der einfach richtig gute Laune macht.

    Und welche Rolle spielen die Boyband sowie ihre Musik nun dabei? Die meist mit nackten Oberkörpern lasziv tanzenden Burschen (Aaron Bryan, Dalvin Cory, Joshua Jung, Mark Samaras, Mervin Noronha) haben im Film weder individuelle Namen noch Sprechrollen – und sollen definitiv auch nicht Take That, sondern einfach eine möglichst generische Gruppe darstellen (daher wohl auch der Name The Boys). Sie geben lediglich die Trostspender in schwierigen Momenten (von denen es aufgrund der diversen Familiensituationen einige gibt) oder Projektionsflächen für romantische Teenagerinnen-Fantasien. Was genau richtig ist. Denn die Identifikationsfiguren für das Publikum sind nicht sie, sondern die Teenagerinnen beziehungsweise ihre erwachsenen Pendants. Die Musik liefert nur den Soundtrack zu ihrem Leben – mal ausgelassen fröhlich und hoffnungsvoll in die Zukunft schauend, dann wieder nachdenklich oder gar tieftraurig.

    Speziell die Traumsequenzen, in denen die Mädchen gemeinsam mit The Boys eine Straße herunter tanzen, Rachel plötzlich in einen der Videoclips eintaucht oder wenn die Band ihr bei der Hausarbeit hilft, machen richtig Spaß. Außerdem sind sie die perfekte Entschuldigung dafür, noch mehr Songs in den Storyverlauf einzubauen, ohne dass dies allzu bemüht hineingeklemmt wirken würde. So läuft „Greatest Days“ durchgehend flott und zügig ab – und schafft es dennoch im selben Moment, eine stimmige Geschichte über Freundschaft, Verlust sowie (Selbst-)Liebe zu erzählen. Die sollte selbst Kinofreund*innen etwas geben, die mit der Musik von Take That sonst so gar nichts anzufangen wissen.

    Fazit: Das Take-That-Musical „Greatest Days“ kann visuell und in Bezug auf die Starpower zwar nicht mit großen Hollywood-Vorbildern wie „Mamma Mia!“ mithalten, dank eines klug konstruierten Drehbuchs, toller Performances und einer das Beste aus dem Budget herausholenden Inszenierung macht es aber mindestens ebenso viel Spaß.

     

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