Sesamstraße als FSK-18-Splatterfest
Von Lutz GranertDie pädagogisch wertvolle Fernsehserie „Sesamstraße“ begeisterte seit der ersten Folge im November 1969 nicht nur Millionen Kinder rund um den Globus, sondern etablierte dabei auch eine ganze Reihe plüschiger Kultfiguren. In Deutschland sind vor allem Samson, Bibo, das Krümelmonster sowie natürlich Ernie und Bert jedem Kind ein Begriff. In der „Sesamstraße“-Heimat USA avancierte hingegen eine Figur, die hierzulande gar nicht so bekannt ist, zum absoluten Publikumsfavoriten und Verkaufsschlager: Gestaltet nach dem etwas naiven roten Monster Elmo ging die „Tickle Me Elmo“-Puppe vom US-Spielzeughersteller Tyco ab 1996 millionenfach über die Ladentheke.
Verbaute Sensoren und ein Vibrationsmotor sorgten bei dem Spielzeug dafür, dass es beim Druck auf den Bauch wild zu zappen begannt und hysterisch lachte: „Oh nein, das kitzelt!“ Klingt durchaus auch ein wenig gruselig? Das jedenfalls fand der britische Hobby-Filmemacher Karl Holt. In seinem mit eigenen Mitteln produzierten Kurzfilm „Eddie Loves You“ (2006) mutiert eine „Tickle Me Elmo“-Puppe zum blutrünstigen Killer. Die selbstbewusste Horrorkomödie, die bereits in ihrem ironischen Retro-Trailer augenzwinkernd mit den großen Namen des Genres abrechnete („Romero, Craven, Cronenberg, Argento... are shit!“) wurde auf mehreren internationalen Festivals ausgezeichnet.
Der Erfolg bestärkte Holt darin, seine Idee zu einem abendfüllenden Spielfilm weiterzuentwickeln und dafür abermals sein eigenes Geld zusammenzukratzen. Schließlich trommelte er eine vierköpfige Basis-Crew (seine eigene Mutter bereits mit eingerechnet) zusammen, schlüpfte selbst in die Hauptrolle und überredete einen Freund, ihm für die Dreharbeiten sein Haus zur Verfügung zu stellen. Das war im Sommer 2014. Was lange währt, wird in diesem Fall überraschend gut: Eine ordentliche Portion morbider Humor und sattes Gesplatter lassen bei der erfrischenden Horrorkomödie „Benny Loves You“ den etwas zu simpel und durchsichtig geratenen Plot schnell vergessen.
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Nach dem Tod seiner Eltern hat Jack (Karl Holt) mit finanziellen Engpässe zu kämpfen. Die Probleme mit der Bank verschärfen sich weiter, als er von seinem Arbeitgeber, einem Spielzeughersteller, in eine ungleich schlechter bezahlte Stelle als Designer zwangsversetzt wird. Also plant er, das Elternhaus zu verkaufen. Beim Entrümpeln fällt ihm das Stofftier Benny in die Hände, das für Jack in seiner Kindheit ein treuer Begleiter war. Doch das geliebte Spielzeug erwacht unter mysteriösen Umständen zum Leben. Benny will Jack weiterhin ein treuer Freund sein und ihn beschützen – weswegen schon bald die ersten Leichen zu beklagen sind...
Benny will seinem Besitzer doch eigentlich nur helfen - aber das kann schnell tödlich enden ...
Lieb gewonnenes Spielzeug aus Kindertagen sollte man besser nicht leichtfertig entsorgen – das wissen Horrorfans spätestens seit dem modernisierten „Chucky“-Reboot „Child's Play“ aus dem Jahr 2019. Deshalb kommt der Plot von „Benny Loves You“ auch etwas angestaubt daher - ein Problem, dessen sich Karl Holt (Regisseur, Drehbuchautor, Hauptdarsteller, Kameramann und Cutter in Personalunion) aber sehr wohl bewusst ist. Also setzt er auf eine gehörige Extraportion schwarz-schrägen Humors:
Das slapstickartige Ableben von Jacks Eltern etwa, die auch zum 35. Geburtstag ihres Sprösslings noch immer zum infantilen Kindergeburtstag einladen, lässt einen bei der nächsten Party doppelt überlegen, ob Käsespieße gereicht werden sollten. Der Besuch zweier depperter Polizisten nach dem Verschwinden eines Kundenberaters einer Bank gerät dann gar zur abenteuerlichen Groteske: Ähnlich wie das Muttersöhnchen Lionel in Peter Jacksons Splatstick-Klassiker „Braindead“ versucht der hoffnungslos überforderte Jack Normalität vorzuspielen – und lässt dafür mal eben die kopflose, ausgeweidete Leiche im Küchenschrank verschwinden, während er ein mit Blut vollgesudeltes Gemälde als „moderne Kunst“ verkauft.
Neben literweise Kunstblut, das bei den zünftigen Splatter- und Gore-Einlagen zum Einsatz kam, können sich auch die zahlreichen Effekte sehen lassen, durch die sich Postproduktionsphase des Films nach Abschluss der Dreharbeiten 2015 auf stolze vier Jahre aufblähten. Auch wenn das Herumgehampel (von normalem Laufen kann keine Rede sein) von Benny, der auf enervierende Weise immer nur dieselben drei Sätze brabbelt, mitunter nach einem Marionetten-Trick aussieht, wurden die Szenen mit ihm weitestgehend computeranimiert.
Das gilt auch für das brachiale Finale, in dem in Anlehnung an die „Puppet Master“-Filmreihe neben Benny auch noch zwei (Killer-)Roboter gegen ein menschliches Trio antreten. Dabei werden Jacks eingebildetem Kollegen Richard (George Collie), der konsequent-falsch auf eine französische Aussprache von bestimmten Begriffen beharrt, von dem bösartigen Spielzeug mit einem Staubsauger äußerst blutig die Gedärme entfernt. Auf solche im positiven Sinne kranken Ideen muss man erst einmal kommen – aber Karl Holt kostet sie in diesem hemmungslos albernen, aber dabei urkomischen Splatter-Spaß genüsslich bis zum letzten Blutstropfen aus.
Fazit: Die mit viel (Herz-)Blut inszenierte Horrorkomödie „Benny Loves You“ erfindet das Genre zwar nicht neu, holt aber aus seinem geringen Budget wirklich alles heraus. Die handwerklich sauber geratene Quasi-One-Man-Show von Karl Holt ist gespickt mit dunkelschwarzem Humor und krankem Splatter – definitiv nicht pädagogisch wertvoll, aber für spaßbereite Erwachsene unbedingt geeignet.
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