Regisseur Alan Rudolph hat eine ganz eigene Art, sich dem Komödiengenre zu nähern. Irgendwo zwischen übertriebenem Intellekt und entlarvender Absurdität, zwischen prätenziösem Kunstgewerbe und wahrhaft großen Bildern hat er eine Nische ganz für sich allein gefunden. Diese ungewöhnliche Art des Filmemachens kann funktionieren, man denke nur an den wunderbaren „Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis“, kann aber auch komplett scheitern, was der künstlerische und finanzielle Totalflop „Breakfast For Champions“ mit Nick Nolte und Bruce Willis eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Rudolphs stargespickte Erotik-Komödie „Investigating Sex“ ist nun leider der zweiten Kategorie zuzuordnen. Auch wenn es einige wirklich gelungene Szenen zu entdecken gilt, ist der wissenschaftliche Sextalk insgesamt doch zu beliebig, kaum mal entlarvend und nur selten lustig. Am Schluss bleibt der Zuschauer recht gelangweilt und stirnrunzelnd zurück – aber man sollte keinesfalls seinem eigenen Intellekt die Schuld an dem zumindest visuell ansprechenden Debakel geben. Man dürfte auf der sicheren Seite stehen, würde man sein Geld darauf setzen, dass Rudolph selbst auch kaum einen Schimmer hat, was uns diese zwar bunt, aber auch recht willkürlich zusammengestückelten Diskussionsrunden nun eigentlich sagen sollen.
Um 1920 in Cambridge, England: Ex-Professor Edgar (Dermot Mulroney) hat einige Freunde und Kollegen um sich versammelt, um mit ihnen gemeinsam ein wissenschaftliches Experiment durchzuführen. Ohne über das Thema Witze zu machen oder sich dabei tatsächlich erregen zu lassen, sollen in diesem Kreis Diskussionen über den vermuteten Zusammenhang von Sex und Liebe geführt werden. Dabei kommt der kecken Zoe (Robin Tunney) und der introvertierten Alice (Neve Campbell) die Aufgabe zu, die teilweise extrem anzüglichen Gespräche zu stenographieren. Da es Edgar selbst nicht gelingt, einen roten Faden in das Experiment zu bringen, bewegen sich die Teilnehmer in die unterschiedlichsten Richtungen: Während der egozentrische Börsenmakler Faldo (Nick Nolte) von seinem ersten Mal mit einer Eselin schwärmt, versucht der voyeuristisch veranlagte Maler Sevy (Alan Cumming), seine Frau Janet (Emily Bruni) mit dem deutschen Schriftsteller Monty (Til Schweiger) zu verkuppeln und Erotikregisseur Oscar (Jeremy Davies) beginnt eine Affäre mit der hübschen Zoe. Während das Experiment selbst immer mehr in Vergessenheit gerät, nutzen die Intellektuellen den Deckmantel der wissenschaftlichen Arbeit aus, um ihre sexuellen Phantasien offen auszusprechen oder einige sogar tatsächlich auszuleben…
Das Drehbuch, das Rudolph selbst in Zusammenarbeit mit dem Scorsese-Experten Michael Henry Wilson verfasst hat, basiert auf den realen Gesprächsprotokollen des Surrealisten André Breton, die von Jose Pierre in seinem Buch „Recherchen im Reich der Sinne“ zusammengetragen wurden. Allerdings gelingt es den beiden dabei kaum, die überlieferten Diskussionen in eine ansprechende filmische Form zu verpacken, vielmehr setzt sich „Investigating Sex“ zwischen alle Stühle. Um als Period-Drama oder –Komödie im herkömmlichen Sinne zu funktionieren, fehlt dem Geschehen die nötige Stringenz, da kaum etwas nachvollziehbar zusammenhängt, geschweige denn aufeinander aufbaut, kann aus der Handlung selbst keine Spannung entstehen. Um als provokantes Boulevardstück zu überzeugen, ist „Investigating Sex“ schlicht zu harmlos geraten. Die Berichte bleiben trotz Eselsex stets oberhalb der Gürtellinie und können so den heutigen Zuschauer nie ernsthaft schocken – zur Zeit der Buchveröffentlichung mag das noch anders gewesen sein, aber in unserer Zeit wäre selbst ein vorsichtiges Erröten wohl schon eine unerwartet extreme Reaktion.
Bleiben also lediglich die surrealen Momente, die sowieso nur recht spärlich gesät sind. Visuell durchaus ansprechend, brennen sich aber auch diese nicht unbedingt in das Hirn des Zuschauers ein, es fehlt ihnen einfach etwas wirklich Beeindruckendes – auch hier ist Rudolph im Endeffekt zu brav, gerade wenn es um Edgars Phantasie einer düster-göttlichen Sex-Erscheinung geht, hätte man sich eine erheblich exzessivere Bildsprache gewünscht. Ein ähnliches Problem gibt es auch, was die Ausstattungswerte des Films angeht. Kostüme und Kulissen sind zwar zum größten Teil liebevoll und detailreich gestaltet, leider will sich ein Gefühl für die Zeit dennoch nicht dauerhaft einstellen. Ob dies nun an Rudolphs modernem Blick oder am Drehort Berlin, der als Double für das Cambridge der 20er Jahre nur wenige Außendrehs erlaubte, liegt, lässt sich im Nachhinein jedoch nur schwer bestimmen.
Auch wenn die einzelnen Figuren und ihre Beziehungen zueinander – schon allein wegen ihrer schieren Anzahl – zu blass bleiben, heißt das aber nicht, dass einige der Darsteller nicht schauspielerisch trotzdem etwas reißen können. Neben Nick Nolte (Kap der Angst) mit seiner rauchigen, whiskeygetränkten Stimme, der auf gewohnt hohem Niveau agiert, kann vor allem die zurückhaltendere der beiden Stenographinnen voll überzeugen: Mit ihrer schüchtern-erotischen Art hat Neve Campbell in der Scream-Trilogie schon die typische Rolle der kreischenden „Scream-Queen“ revolutioniert, aber in „Investigating Sex“ geht sie in dieser Richtung gleich noch eine ganze Menge Schritte weiter. Insgesamt ist „Investigating Sex“ stark überambitioniertes Intellektuellenkino, das den Zuschauer, auch wenn er einige optische wie darstellerische Leckerbissen zu bieten hat, sowohl emotional als auch inhaltlich konsequent außen vor lässt.