Der britische Kultautor Nick Hornby erfreut sich in der Filmbranche mittlerweile einer gewissen Beliebtheit. So verwundert es nicht, dass mit „About A Boy oder: Der Tag der toten Ente“ (was für ein dämlicher Titel) die dritte Verfilmung eines seiner Werke an den Start geht. Verwunderlich ist jedoch, dass ausgerechnet den amerikanischen Gross-Out-Spezialisten Chris und Paul Weitz („American Pie“) eine vor Wortwitz sprühende männliche Antwort auf „Bridget Jones“ gelang: charmant, komisch, traurig und very british.
Der egoistische Tagedieb Will Freeman (Hugh Grant) hat noch nicht einen Tag in seinem Leben gearbeitet. Aber von den Tantiemen eines weihnachtlichen One-Hit-Wonders seines längst verstorbenen Vaters lebt er nicht schlecht und kann sich genügend Luxus leisten. Emotional ist er dagegen vollkommen verkrüppelt. Eine Beziehung zu Frauen will er gar nicht aufbauen, nach dem Gang ins Bett, versucht er sie so schnell wie möglich loszuwerden und sich auf eine Neue zu stürzen. Dann entdeckt er eine vielversprechende Masche: Er macht sich an alleinerziehende Mütter heran. Die sind dankbar und anschließend froh, wenn er wieder weg ist. Perfekt für Will. Er schleicht sich in eine Selbsthilfegruppe für Alleinerziehende ein, erfindet einen imaginären zweijährigen Sohn namens Nat, um an ein Date mit der attraktiven Susie (Victoria Smurfit) zu kommen. Das klappt auch, aber zum ersten gemeinsamen Picknick bringt sie noch den sonderbaren Marcus (Nicholas Hoult), den Sohn einer Freundin, mit. Aus Versehen tötet er mit einem massiven Laib Brot eine Ente, alle kommen in Schwierigkeiten, aber Will rettet die Situation. Als sie den Jungen nach Hause bringen, liegt seine labile Mutter Fiona (Toni Collette) bewusstlos auf der Wohnzimmercoach. Sie hat versucht, sich umzubringen, lebt aber noch. Um sie wieder in bessere Stimmung zu bringen, will Marcus eine Verabredung für sie organisieren. Ausgerechnet Will soll sie ausführen. Und da Marcus weiß, dass Will seinen Sohn nur erfunden hat, erpresst er ihn. Obwohl sich beide vorher schon ein wenig angefreundet haben…
Nach seinen Obsessionen für Fußball („Fever Pitch“) und Musik („High Fidelity“) stellt der britische Bestsellerautor Nick Hornby erstmals eine Figur in den Mittelpunkt, die nichts mit ihm persönlich gemein hat. Die zunächst überraschende Wahl der Regisseure Chris und Paul Weitz für diesen ur-britischen Stoff ist auf den zweiten Blick gar nicht so abwegig. Immerhin haben sie mit „American Pie“ ein wenig Licht ins Genre der Gross-Out-Komödien gebracht und reichlich schrägen Charme verbreitet. Im Gegensatz zu „High Fidelity“, der aus marketingtechnischen Gründen von London nach Chicago verlegt wurde, bleibt „About A Boy“ seinem Spielort in der britischen Hauptstadt treu. Eine gute Entscheidung, schließlich übernahm Hugh Grant die Hauptrolle. Bisher als Charmeur vom Dienst, inklusive Dackelblick bekannt, liefert der smarte Brite wahrscheinlich seine beste Karriereleistung ab. Er erweist sich als Besetzungsvolltreffer, denn niemand anderes hätte das egozentrische Arschloch Will, das er ansatzweise schon in „Bridget Jones“ aufblitzen ließ, wohl mit einer derart entwaffnenden Mischung aus Snobismus, Arroganz und Charme spielen können - unterstützt durch seine staubtrockenen zynisch-ironischen Kommentare aus dem Off.
Eine tragende Rolle mit einem Kind zu besetzen, birgt immer ein Risiko, aber im Fall von „About A Boy“ macht Nicholas Hoult seine Sache gut und gibt den sonderbaren Außenseiter Marcus, der durch seine durchgedrehte, Stricklumpen bevorzugende Alt-Hippie-Mutter gestraft ist, als sehr schlagfertig und erwachsen. Während Toni Collette („The Sixth Sense“) Mut zur Hässlichkeit beweist, muss sich Rachel Weisz („Die Mumie“) dies nicht antun, kommt dafür aber erst im zweiten Filmabschnitt als Wills aktuelles Objekt der Begierde ins Spiel.
Eine lupenreine Komödie ist „About A Boy“ natürlich nicht. Die tragischen Elemente, fast schon ein Qualitätsmerkmal britischer Komödien, kommen nicht zu kurz, werden aber immer wieder durch den sprühenden Wortwitz, den das mit messerscharfen Dialogen gewappnete Drehbuch von Paul Hedges und den Weitz-Brüdern hergibt, gebrochen. Und eben diese Bodenhaftung, dieses Understatement hebt britische Filme zumeist von amerikanischen ab. Paradebeispiel für diese Theorie ist die Szene beim Schulkonzert, als der nicht eben musikalische Marcus für seine fragile Mutter Roberta Flacks „Killing Me Softly“ vor der Augen der gesamten Schülerschaft singen will, nur um sie glücklich zu machen. Dass er sich damit komplett lächerlich macht, nimmt er in Kauf. In einem US-Film wäre Marcus trotz allem bejubelt worden, hier ziehen sich die Filmemacher weit glaubwürdiger aus der Affäre und schließen gleichzeitig in einer anrührenden Szene den Kreis der Veränderung, die der Parade-Dandy Will/Grant durchgemacht hat.
Eine gravierende Änderung zum Buch gibt es aber doch. Der Roman wimmelt nur so von Anspielungen auf den verstorbenen Nirvana-Sänger Kurt Cobain - der Titel „About A Boy“ nimmt direkt Bezug auf den Nirvana-Song „About A Girl“ - die im Film aber komplett gestrichen wurden. Auch wenn dadurch etwas an Identifikation mit der Vorlage verloren geht, ist die Entscheidung nachzuvollziehen. Immerhin spielt die Filmhandlung nicht Anfang der 90er, sondern in der Gegenwart. Für den Soundtrack (siehe Kritik) wurde der als britische Sensation gefeierte Singer/Songwriter Badly Drawn Boy verpflichtet, der stets die richtigen musikalischen Stimmungen für die jeweilige Situation findet.
Wenn „About A Boy“ überhaupt etwas vorzuwerfen ist, dann vielleicht die Rasanz mit der sich der High-Society-Slacker Grant vom Saulus zum Paulus wandelt. Ausgehend vom Charakter zu Beginn, wirkt er am Ende wie eine weichgespülte Version seiner selbst. Aber so sind die Gesetze des Films. Die Hauptfigur muss im Laufe der Handlung eine Entwicklung durchmachen…
Link-Tipp: "About A Boy"-Soundtrack von Badly Drawn Boy