„I love you, there's nothing to hide;
It's better than burning inside.
I love you, no use to pretend –
There! I've said it again.“ (1)
Wie eine Farce über einen nicht allzu ernst zu nehmenden Mafiosi beginnt Barry Levinsons filmische Biografie über den eigentlichen Gründer der Glücksspielstadt Las Vegas. Bugsy – Wanze – nennen ihn alle. Aber Benjamin Siegel (Warren Beatty) reagiert aggressiv, wenn er diesen Spitznamen hört. Ansonsten wirkt Bugsy wie eine Mischung aus dem gealterten Clyde Barrow aus „Bonnie and Clyde“ (1967) (den ja auch Warren Beatty in seiner wohl besten Rolle neben Faye Dunaway spielte) und einem träumerischen, etwas überkandidelten, ja manchmal leicht psychopathischen Mafiosi, der seine Frau betrügt und Visionen hinterher rennt, die keiner mit ihm teilen will. Der Film folgt der Biografie Dean Jennings über den legendären Mafiosi, der den Aufstieg der Glückspielstadt Las Vegas nicht mehr erleben sollte.
„I've said it, what more can I say?
Be - lieve me, there's no other way.
I love you, I will to the end –
There! I've said it again.
I've tried to drum up a phrase that would sum up All that I feel for you.
But what good are phrases? The thought that amazes Is you love me, and it's heavenly.“ (1)
Siegel und sein Kumpan Moe (Joseph Roman) wurden 1941 von der Mafia aus Chicago – noch unter Charlie Luciano (Bill Graham) geführt – nach Kalifornien geschickt, um dort das Feld für das Wettgeschäft zu erobern. Siegel, verheiratet mit Esta (Wendy Philips), mit der er zwei Kinder hat, ist skrupellos, wenn es um das Geschäft geht – ein Mord ist für ihn Normalität –, und sensibel, wenn es um Frauen geht. Sein alter Freund Raft (Joe Mantegna), ein Schauspieler, holt ihn vom Flughafen ab, um ihn zu Jack Dragna (Richard C. Sarafian) zu bringen, einen Mann, der Teile der Gelder des Chicago Mobs unterschlagen hat, wie Siegel über Mickey Cohen (Harvey Keitel), einen Gangster, erfährt. Siegel erkennt, dass die mickrigen Wettbüros in Kalifornien nicht gerade das große Geld abwerfen. Er träumt vom Bau einer Spielhölle besonderer Art. Und mit ihm träumt überraschender Weise die Schauspielerin Virginia Hill (Annette Bening), die er über Raft kennen und lieben lernt.
Allerdings hat Siegel nicht damit gerechnet, dass Virginia keine dieser Frauen ist, die sich ihm einfach zu Füßen werfen – wie die italienische Gräfin di Frasso (Bebe Neuwirth). Virginia weiß, was sie will, und tut alles, um es zu bekommen. Und vor allem: Sie will es für sich allein. Auch Ben bekommt dies zu spüren. Denn sie weist ihn zunächst ab, weil er verheiratet ist. Immer wieder kommt es zwischen ihr und Ben zum Streit – bis Ben sich zur Scheidung bereit erklärt.
Ben plant Großes. Er will mitten in der kalifornischen Wüste ein Hotel-Casino im modernen Luxusstil bauen, benannt nach dem Spitznamen von Virginia „Flamingo“. Meyer Lansky (Ben Kingsley) von der Mafia in Chicago, den Ben schon lange kennt, erreicht bei den Mafia-Bossen, die von Bens Plänen nicht sehr überzeugt sind, dass eine Million Dollar zur Verfügung gestellt werden. Nur, im Laufe der Zeit steigen die Kosten auf das Sechsfache. Und zudem glaubt Meyer Lansky, dass Virginia zwei Millionen Dollar aus den Wetteinnahmen unterschlagen hat.
„For-give me for wanting you so,
But one thing I want you to know;
I've loved you since heaven knows when
There! I've said it again.“ (1)
Levinson und sein Drehbuchautor Toback spannen einen Bogen über einen Zeitraum von sechs Jahren. 1941 kommt Bugsy in Kalifornien an, am 20. Juni 1947 wird er in seinem Haus in Beverly Hills im Auftrag von Meyer Lansky erschossen. Diesen Aufstieg und Fall Siegels schildert Levinson als allmählichen Übergang von einer Farce, einer bunten, teils schrillen Komödie, zur Tragödie, zur dramatischen, tödlichen Wende. Tatsächlich war Siegel der eigentliche Begründer des heutigen Las Vegas. Nachdem das „Flamingo“ in den ersten Jahren eine reine Pleite war, blühte es – samt weiterer Hotel-Casinos, die wie Pilze aus dem Boden schossen – in den 50er Jahren auf. Siegel aber wird als tragische Figur ebenso dargestellt wie Virginia Hill, die die zwei Millionen Dollar, die sei beiseite geschafft hatte, der Mafia zurückgeben musste. Nachdem sie vom Tod Siegels erfahren hatte, reiste sie nach Österreich und beging dort kurze Zeit später Selbstmord.
Ähnlich wie Arthur Penn in „Bonnie and Clyde“ erzählt Levinson die Geschichte von Las Vegas als eine Liebes- und Verbrechergeschichte zwischen Ben und Virginia. Und obwohl Virginia anders als Bonnie Parker nie eine Waffe in die Hand nahm, geschweige denn jemanden ermordete, sind die Parallelen beider Filme doch offensichtlich, ohne dass Levinsons Film etwa als Remake von „Bonnie und Clyde“ wirken würde.
Ben Siegel wird als Ausnahmeerscheinung vorgeführt: ein Frauenheld, der sich aber später nur noch für Virginia interessiert, ein ekelhafter Ehemann und Vater, der seine Töchter vernachlässigt, ein skrupelloser Mörder, der den unscheinbaren Harry Greenberg (Elliott Gould) kaltblütig erschießt, weil der Luciano beim FBI verpfiffen hat, ein Virginia wirklich liebender Mann, der mit ihr von Las Vegas träumt, ein Mann, der die Nazis und Mussolini hasst und ernsthaft daran denkt, über seinen Kontakt zum Comte di Frasso an Mussolini heranzukommen, um ihn zu ermorden – und nicht zuletzt ein Visionär, sicherlich nicht vom Schlage eines Howard Hughes, aber eben doch einer, der seiner Zeit weit voraus ist. Ein Psychopath, wenn er etwa in schwierigen Situationen Sätze ständig wiederholend vor sich her sagt. Und last but not least ein Mann, der für seine Visionen mit dem Leben bezahlen muss. Bei seiner Beerdigung sollen nicht einmal ein Dutzend Trauernde anwesend gewesen sein.
In gewisser Weise war Siegel eine Kleinausgabe von Howard Hughes, und dies zeigt deutlich, wie wenig Visionen in Amerika zählen, wenn man nicht das nötige Kleingeld hat. Warren Beatty spielt diesen Benjamin Siegel geradezu perfekt und zugleich wie einen gealterten Clyde Barrow. Annette Bening ist als selbstbewusste und liebende Virginia, als gerissene Frau, aber doch zugleich keine Verräterin an ihrer Liebe, perfekt besetzt. Ben Kingsley spielt Meyer Lansky als besonnenen, nichtsdestotrotz skrupellosen Geschäftsmann und Mafiosi, dessen Freundschaft da aufhört, wo das Geschäft beginnt. Und Harvey Keitel – mit Glatze – bringt ein bisschen Zynismus und Sarkasmus ins Spiel der Akteure.
Ganz im Stil der 40er Jahre gehalten, ergänzt sich die Geschichte durch ein gelungenes Design ebenso wie durch die Musik Ennio Morricones. Und „Bugsy“ ist eben auch ein Stück Geschichte Amerikas, über die so große Bedeutung der Illegalität und des Verbrechens für den Aufstieg zur Weltmacht – etwas, was die meisten Amerikaner wohl nicht sehr gerne hören.
Insgesamt ein überaus gelungener, atmosphärisch stimmiger Film über ein Amerika des „illegalen Aufbruchs“ in den 40er Jahren.