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    Olaf Jagger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Olaf Jagger

    Wie man in Sachsen sagt: drollisch!

    Von Gaby Sikorski

    Olaf Schubert ist ein vielseitiger Künstler: Comedian, Musiker und Schauspieler. Dass er von Dresden aus im Frühling 1989 mit seinen Freunden („Gumbels“) aus der Bürgerrechtsbewegung die Wende in der DDR einleitete, ist tatsächlich nicht beweisbar, das Gegenteil allerdings ebenso wenig. Seit bald 20 Jahren hält sich Olaf Schubert – „das Wunder im Pullunder“ – mit an der Spitze der deutschen Kleinkunst- und Comedian-Szene, was durch zahllose Live-Auftritte sowie die Präsenz in teils preisgekrönten TV-Formaten wie in der „ZDF heute-SHOW“ oder in „LOL – Last One Laughing“ immer wieder aufs Neue bestätigt wird.

    Ein geplanter Dokumentarfilm über Olaf Schubert entwickelt sich in „Olaf Jagger“ nun zur spontanen Spurensuche, denn wie ein Schatten liegt ein Geheimnis über seiner Biografie: die Frage nach Olaf Schuberts Vater! Könnte es sein, man wagt es kaum zu denken, dass Olaf Schuberts Power und Musikalität dem Erbgut eines Mannes zu verdanken sind, der mit beinahe 80 Jahren noch immer live auf Tour geht? Mick Jagger, der Weltstar, Leadsänger und Frontmann der Rolling Stones – könnte er Olaf Schuberts Vater sein? Es kann doch nicht ... es wird doch nicht ... und das passt doch überhaupt nicht in die DDR-Vergangenheit von Olaf Schubert. Oder etwa doch?

    Olaf Schubert will Gewissheit im jeden Preis: Ist Mick Jagger nun sein leiblicher Vater oder nicht?

    Eine scheinbar harmlose Aktion bringt die Sache ins Rollen. Beim Ausmisten des Kellers im Haus seiner Eltern wird Olaf Schubert von einem Filmteam begleitet. Er berichtet, dass seine kürzlich verstorbene Mutter („Muddi“) einst als Moderatorin beim Jugendradio DT 64 tätig und ein verrücktes Huhn gewesen sei. Zwischen sorgfältig beschrifteten alten Tonbändern mit Interviews – Renft, Nina Hagen, Ute Freudenberg – findet er eines mit der Aufschrift „1965, Mick Jagger – Münster“. Seine Verblüffung steigert sich, als er auf dem Band tatsächlich die Stimmen seiner Mutter und des britischen Rockstars hört.

    Er beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Wie bei einer Schnitzeljagd gelangt Olaf Schubert von einer Station zur nächsten und rückt der Lösung des Geheimnisses so (vermeintlich) immer näher. Der Blick in die Stasi-Akte der Mutter lässt schließlich seinen Atem stocken: Sie durfte tatsächlich 1965 zum Konzert der Rolling Stones ins westdeutsche Münster reisen, wenn auch unter schärfster Beobachtung. Olaf Schubert muss sich mit dem Gedanken befassen, dass Mick Jagger tatsächlich sein Vater sein könnte. Er will jetzt nur noch eines: Gewissheit!

    Eher charmant als clever hinters Licht geführt

    Die unterhaltsame Geschichte über Olaf Schuberts geheimnisvolle Herkunft ist prinzipiell eine klassische Mockumentary, also ein fiktionaler Dokumentarfilm, der sich auf den ersten Blick seriös und ernsthaft mit einem Thema auseinandersetzt, das er auf den zweiten Blick aber parodiert oder – auf gut Sächsisch – verhohnepiepelt. Dazu gehört auch, dass sich authentische und gefakte Informationen mischen. Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Mockumentarys sollte das möglichst elegant geschehen, ohne dass es Brüche gibt oder die falschen Quellen auffallen bzw. allzu unrealistisch wirken.

    Das funktioniert hier meistens, ist aber gelegentlich eher charmant als gut gemacht – man sollte bei einigen Twists und Hinweisen lieber nicht genauer nachfragen. Da wird mal etwas eigentlich Wichtiges chevaleresk unter den Teppich gekehrt oder die Reihenfolge der Recherchen wirkt beliebig und nicht immer logisch strukturiert. Aber die Geschichte ist insgesamt hübsch ausgedacht, der Protagonist Olaf Schubert fungiert als großer Sympathieträger, und die Entwicklungen sind hin und wieder sogar überraschend, was besonders für den ersten Teil gilt.

    Genauso sehr wie um den wahren Vater von Olaf Schubert geht es in „Olaf Jagger“ auch um die Geschichte des Rock’n’Roll-Fantums in der DDR.

    Doch zum Glück hatte die Regisseurin Heike Fink, die auch das Drehbuch schrieb, noch mehr im Sinn als eine zwar vergnügliche, aber eigentlich eher schlichte Mockumentary über einen prominenten Künstler, der möglicherweise einen noch prominenteren Vater haben könnte: „Olaf Jagger“ handelt nämlich nicht nur von der (fiktiven) Recherche, sondern es geht auch um die reale Jugend in der DDR und um die Liebe zum Rock’n Roll, der im Osten genauso viele Fans hatte wie im Westen, und das trotz aller staatlichen Restriktionen, die genau das verhindern wollten. Die beiden Themen Rock’n Roll und Olaf Schubert überschneiden sich im Verlauf der Handlung immer stärker. Das wird umso wichtiger, als sich Schuberts Rolle etwa ab der Hälfte des Films kaum noch entwickelt. Anders ausgedrückt: Das Drehbuch hängt ein bisschen durch, nachdem die größten Sensationen entkorkt sind.

    Einige Versuche, weiterhin Spannung aufzubauen, wirken da eher aufgesetzt, so wie das Interview mit einer Expertin für Familienrecht oder das Gespräch mit einem Therapeuten. Hier fehlen Witz und Drive, vor allem aber der Charme, der den Film zu Beginn so kess und flott von einer Station zur nächsten trug. Doch Langeweile kommt trotzdem nicht auf, denn nun treten immer mehr Persönlichkeiten in den Vordergrund, die eng mit der DDR-Pop- und Rockgeschichte verbunden sind. So wie Flake, im wahren Leben Christian Lorenz, wie Olaf Schubert ein Mann mit DDR-Vergangenheit, der mit der Band Rammstein bekannt wurde. Zusätzlich wird eine prächtige Auswahl liebenswürdiger Originale präsentiert, die mit ihren Projekten und Sammlungen die Erinnerung an den Rock’n Roll in der DDR aufrechthalten. Da wird es dann beinahe zur Nebensache, ob und wie Olaf Schubert Kontakt mit Mick Jagger höchstpersönlich aufnimmt.

    Fazit: Die hübsche Mockumentary basiert auf einer originellen Prämisse: Der in der DDR geborene Comedian Olaf Schubert könnte der Sohn von Mick Jagger sein. Die Autorin und Regisseurin Heike Fink erschafft für ihren fiktiven Dokumentarfilm einen kompletten Background, der als Vorlage für die Recherche nach der Vaterschaft einschließlich ihrer überraschenden Ergebnisse dient. Doch dieser Ansatz rückt angesichts der Ausflüge in die Geschichte der DDR-Rockmusik in der zweiten Hälfte beinahe in den Hintergrund, was den Film im Grunde nur noch sympathischer macht.

     

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