Die Fallstricke der Alterspubertät
Von Karin JirsakIm Gegensatz zum Sexismus und Rassismus gilt der Ageismus, also die Diskriminierung aufgrund des Alters, noch nicht als Klamauk-Tabu. Witze über schlaffe Haut, Potenzstörungen und die Menopause sind nach wie vor witzig – so jedenfalls die Annahme, die in der Komödie „Es ist nur eine Phase, Hase“ 105 Minuten lang unwidersprochen bleibt. Maxim Leo und Jochen Gutsch haben in ihrem gleichnamigen Bestseller der Leserschaft die gute alte Midlife Crisis als völlig neue Entdeckung verkauft, indem sie sie einfach in „Alterspubertät“ umbenannt haben.
Der Einführung dieses Begriffs folgt in der Verfilmung von Oscargewinner Florian Gallenberger („John Rabe“) nun eine Aneinanderreihung von Klischees, zwischen denen es kaum einen neuen Gedanken über diese – ach so schwere – Lebensphase zu entdecken gibt. Ansehen kann man sich das Ganze aber dennoch – vor allem dank der allzeit bezaubernden Christiane Paul und Christoph Maria Herbst, die den platten Plot mit Herz und Leben füllen.
Nach 20 Jahren Ehe ist bei Paul (Christoph Maria Herbst) und Emilia (Christiane Paul) irgendwie die Luft raus.
Früher waren sie das Traumpaar schlechthin und sowieso total wild drauf. Inzwischen haben es sich Bestseller-Autor Paul (Christoph Maria Herbst) und Synchronsprecherin Emilia (Christiane Paul) im seit 20 Jahren währenden Eheleben mit drei Kindern aber womöglich etwas zu gemütlich eingerichtet. Ein Problem? Eigentlich nicht. Bis Emilia eines Nachts auf dem Weg zum wöchentlichen Spieleabend irgendwie abdriftet und in den Armen eines jungen Mannes namens Ruben (Nicola Perot) landet.
Die Konsequenz aus dem Fehltritt: Emilia und Paul „gönnen“ sich eine Beziehungspause. Während sie sich mit dem neuen Lover vergnügt, kann Paul an der neuen Freiheit kein Vergnügen finden. Bis sich Eva Schneiderhahn (Jytte Merle Böhrnsen), die hübsche junge Lehrerin seiner Tochter, als großer Fan seiner Bücher zu erkennen gibt…
„Du hast wirklich mit einem anderen Mann geschlafen?“, fragt er, nachdem sie den Seitensprung im niemals abgeschlossenen Bad gebeichtet hat. Sie: „Ja. Einmal in 20 Jahren!“ Er: „Charles Manson hat auch nur einmal gemordet.“ Ob Letzteres wirklich den Tatsachen entspricht, sei mal dahingestellt. Jedenfalls handelt es sich um einen der besseren, weil bissigeren Gags in dieser nach sehr vorhersehbarem Muster gestrickten Komödie zum Thema „Alterspubertät“.
Was – wie nicht nur Fans des dazugehörigen Bestsellers natürlich längst wissen – unbedingt zu dieser Phase dazugehört, sind neben peinlichen Prostata-Untersuchungen beim Arzt vor allem jede Menge Befindlichkeiten. Allen voran die allgemeine Unzufriedenheit mit dem Hier und Jetzt, in dem man sich selbst nur noch als Konglomerat von „Gammelfleisch“ und verpassten Möglichkeiten (die es in Wahrheit nie gegeben hat) wahrnimmt. So weit, so traurig, so bekannt. Das wirklich Neue an dieser Erzählung ist – nein, da gibt es eher nichts.
Die Grenze zwischen jung fühlen und peinlich sein ist auch in "Es ist nur eine Phase, Hase" fließend.
Überraschend immerhin, dass der Fremdscham-Faktor angesichts dessen, was bei dieser Thematik an Tiefschlägen möglich gewesen wäre, zu keinem Zeitpunkt voll ausgereizt wird. Setzen wir Bernd Stromberg, der mit neuer Lederjacke und Käppi ins Büro kommt, auf der Midlife-Shame-Skala mit einer 10 an, erreicht „Es ist nur eine Phase, Hase“ maximal eine 6. Dabei wird die Erwartungslatte (hi hi) anfangs schon ziemlich hochgelegt, als eine Kugel des Newton-Pendels auf dem Schreibtisch im Hintern von Paul verschwindet, der sich kurz zuvor ein YouTube-Video über PC-Muskeltrainings angesehen hat - und ja, genau in diesem Moment kommt ein Familienmitglied ins Homeoffice gestolpert.
Daraus hätten die Verantwortlichen nun einen Apfelkuchenmoment zaubern können, bei dem das Popcorn nicht weiß, ob es vor Scham in der Luftröhre versinken oder vor Lachen aus dem Hals fliegen soll, aber so viel sei verraten: Das Ganze klingt viel peinlicher, als es am Ende wird, und das trifft auch für den Rest des Films zu. Regisseur Florian Gallenberger, der auch am Drehbuch mitschrieb, setzt im Großen und Ganzen auf harmlosen Slapstick statt harter Fremdscham – und dazu auf ganz viel Gefühl. Neben der altersbedingten Minderwertigkeit, die hier nie wirklich hinterfragt wird, steht vor allem die gute ALTE Liebe im Zentrum, namentlich die von Emilia und Paul. Zugegeben, es ist schon etwas rührend, wie hemmungslos Paul ohne seine bessere Hälfte in Depressionen versinkt und mit der neuen Freiheit so gar nichts anzufangen weiß.
Dass das Publikum da durchaus mitleidet, liegt aber fast ausschließlich am knuddeligen Christoph-Maria Herbst („Contra“), der hier fast schon eine Antithese seiner Paraderolle als Büro-Widerling Stromberg zum Besten gibt. Den Höhepunkt der Anteilnahme erreicht der arme Paul, als er sich mit Glitzerwischmob auf dem Kopf und hautengem Superheldenanzug am Körper vor den drei Kids mit Macarena-Moves zum Horst macht, während die gute Emilia zum selben Song auf einem anderen Dancefloor gerade mit dem Adonis anbändelt.
Überzeugend in der Rolle der in der Krise sinnsuchenden Emilia, ist es am Ende Christiane Paul („8 Tage“), die mit Charme und Lässigkeit auch die eine oder andere Klischeesituation erträglich macht. Wirklich blass bleibt hingegen Jürgen Vogel („Gott, du kannst ein Arsch sein!“) als Pauls Kumpel und alternder Playboy mit Viagra-Allergie. Am Ende müssen sich hier jedenfalls alle mit derselben Message begnügen, und die ist, so viel sei verraten, dann doch ziemlich spießbürgerlich.
Fazit: Fremdscham vs. Feelings – klarer Sieg fürs Herz in dieser Bestsellerverfilmung, die ohne Christiane Paul und Christoph Maria Herbst allerdings nicht viel mehr wäre als eine Ansammlung midlifekriselnder Gags von der Spritzigkeit eines über Nacht stehengelassenen Aperol Spritz, Fünfzigerjahre-Moral inklusive.