Ganz und gar nicht für’n Arsch!
Von Christoph PetersenRegisseur Tyler Cornack („The Pocketeers“) und sein Co-Autor Ryan Koch hatten eine echt gute Idee für einen Siebzigerjahre-Polizeifilm: Ein knallharter Cop mit Alkoholproblemen jagt einen Serienkiller – und hegt dabei schon bald den Verdacht, dass es sich bei dem Gesuchten ausgerechnet um seinen eigenen Sponsor bei den Anonymen Alkoholikern handeln könnte.
Aus der vertrackten Situation entspinnt sich schnell ein intensives Katz-und-Maus-Spiel – und fertig ist der Retro-Psycho-Thriller! Ach ja, und sie hatten noch eine zweite Idee: Der Killer beseitigt seine Opfer, indem er sie sich buchstäblich in den Arsch schiebt (was ihn zudem immer stärker macht). Fertig ist „Butt Boy“… und der ist längst nicht so scheiße, wie der Rektalansatz im ersten Moment vielleicht klingt!
Auch ein Butt Boy fängt mal klein an...
Nachdem ihm sein Proktologe einen Finger in den Hintern gesteckt hat, erwacht in IT-Fachkraft und Familienvater Chip Gutchell (Regisseur Tyler Cornack selbst) das unbändige Verlangen, sich Dinge in den Allerwertesten zu stopfen – Lebewesen inklusive. Nachdem ihm auch ein Baby aus dem Park zum Opfer gefallen ist, versucht sich Chip selbst das Leben zu nehmen – ohne Erfolg.
Neun Jahre später wird Chip, der die Treffen der Anonymen Alkoholiker zweckentfremdet, um seine anale Sucht unter Kontrolle zu bekommen, zum Sponsor für den alkoholkranken Detektive Russell Fox (Tyler Rice). Während Chip einen Rückfall erleidet und sich den Sohn eines Mitarbeiters in den Arsch schiebt, kommt ihm Russel langsam auf die Spur…
Das klingt erst mal nach Trash der untersten Schublade. Aber genau das ist es eben nicht – stattdessen entpuppt sich „Butt Boy“ entgegen aller Erwartungen als ein inszenatorisch richtig gut gemachter Thriller im Stile eines typischen Siebzigerjahre-Polizei-Noirs: Trotz der erfreulich selten durchscheinenden Budgetbeschränkungen trifft Tyler Cornack in so ziemlich jeder Hinsicht exakt den Ton des persiflierten Genres …
… und er zieht seinen Plot zugleich mit einer Konsequenz und Ernsthaftigkeit durch, die man angesichts eines In-den-Arsch-schieb-Serienkillers überhaupt gar nicht für möglich gehalten hätte: Genau dieser Graben zwischen grenzdebiler Prämisse und handwerklicher Qualität macht „Butt Boy“ so sehenswert.
Voll(er) Scheiße: Ein Butt-Boy-Opfer kommt gerade noch so mit dem Leben davon.
Während man als Zuschauer noch zu verarbeiten versucht, dass sich Chip bereits in den ersten fünf Minuten den putzigen Familienhund und ein gekidnapptes Baby hinten reingeschoben hat, entspinnt sich zwischen ihm und seinem neuen Schützling bei den Anonymen Alkoholiker (der bei jedem Verhör – stilecht Siebziger – die Beine auf den Tisch knallt) ein tatsächlich spannendes Psychoduell.
Die Macher scheinen sich lange Zeit regelrecht mit Händen und Füßen dagegen zu wehren, die unbestreitbare Absurdität ihrer eigenen Filmhandlung anerkennen zu müssen – und so schaffen sie intensive Charaktermomente wie eine „Heat“-Reminiszenz in einem Diner, die für sich genommen zum Teil hervorragend funktionieren, aber im Kontext des Plots natürlich trotzdem gnadenlos fehlplatziert wirken. Man bekommt quasi einen guten Thriller und seine eigene Parodie in ein und derselben Sekunde serviert.
Erst im finalen Drittel lassen Tyler Cornack und seine Mitstreiter ihren Film dann vorbehaltlose von der Leine: Aber selbst wenn sich „Butt Boy“ schließlich doch noch mit Haut, Haar und Exkrementen seiner eigenen Skurrilität hingibt, ist das Ergebnis noch immer kein pubertärer Trash …
… stattdessen entwickelt sich der Cop-Thriller hin zu einer psychedelisch-absurden schwarzen Splatter-und-Scheiße-Komödie, die weniger an gängigen Gore-Trash als vielmehr an eine Mixtur aus dem Nicolas-Cage-Wahnsinn „Mandy“ und dem dadaistischen Surrealismus von Quentin Dupieux („Rubber“, „Monsieur Killerstyle“) erinnert. Muss man wahrscheinlich selbst gesehen haben, um es glauben zu können…
Fazit: Ganz anders – und sehr viel besser - als erwartet!