Martin McDonagh gehört für mich klar zu den besten Filmemachern, die wir in der jüngeren Kinogeschichte bekommen habe. Der Ire hat mit "Brügge sehen... und sterben?" Und "Three Billbords Outside Ebbing, Missouri" für mich persönlich zwei riesige Meisterwerke gedreht, die sowohl mit rabenschwarzem Humor, als auch zutiefst traurigen Spitzen überzeugen konnten. Auch mit "7 Psychos" ist ihm ein Film gelungen, dem es zwar an zweiterem fehlt, dafür aber mit einer Menge kreativer Ideen um die Ecke kommt. Mit "The Banshees Of Inisherin" steht nun sein vierter Langfilm auf dem Plan, den ich wieder als Meisterwerk betiteln kann!
Es ist beachtlich, dass McDonagh nach all seinen Werken nicht den klassischen Weg geht und seine kommenden Filme immer größer aufzieht, wie es meist in Hollywood üblich ist. Nein, er fährt sogar wieder einen Schritt zurück und präsentiert erneut ein kleines Drama in reduzierter Kulisse. Vielleicht ist dieses Werk sogar sein reduziertester.
Dabei ist die Handlung sogar auf den ersten Blick sehr simpel gehalten. Pádraic und Colm waren ihr Leben lang Freunde, doch plötzlich kündigt Colm diese Freundschaft, ohne einen Grund zu nennen und droht sich jedesmal einen Finger abzuschneiden, wenn Pádraic ihn anspricht oder belästigt.
McDonagh entführt uns wieder in seine geliebte Heimat Irland, auf eine kleine Insel vor der Küste Irlands, auf dessen Festland gerade der irische Bürgerkrieg in seinem Endstadium ist. Dabei sind die Aufnahmen der grünen Insel wieder wunderschön anzusehen und auch der Score von Carter Burwell trägt die leichte Melancholie, die auf der Insel liegt. Weshalb der Film aber so extrem gut geworden ist, ist das Drehbuch, welches McDonagh selbst geschrieben hat. Auf den ersten Blick wirkt alles auf der Insel sehr plump. Die Figuren sind nicht die Cleversten, was sich auch in so manchem Dialog widerspiegelt. Dennoch finden sich immer wieder in solchen Momenten dann doch tiefgehende Gespräche und unter der Oberfläche eben doch aussagekräftige Zeilen. Dabei kann man den Film auf ganz vielen verschiedenen Ebenen betrachten. Geht es in diesem Film um Verlust und um die Frage des Verlassen werdens? Geht es um die Frage eines Vermächtnis und den damit eingehenden Verlust seiner Freundlichkeit? Oder betrachtet man es auf einer höheren Ebene und diese Sinnlosigkeit von Steit unter Freunden auf der kleinen Insel vor der großen Insel, ist nur ein Spiegel von dem sinnlosen Kampf unter Freunden, der gerade auf der irischen Insel herrscht? Vermutlich ist es alles zusammen und beschert eben doch eine Menge Tiefgang. McDonagh ist hiermit ein echtes Meisterwerk gelungen.
Überrangend an diesem Film sind auch die darstellerischen Leistungen, die ausnahmslos ALLE einen Preis verdient haben. An deren Speerspitze steht Colin Farrell. Der wandelbare Ire, hat sich über die vergangenen Jahre zu einem der stärksten Charakterdarsteller gemacht und bereits für "Brügge" wäre eine Nominierung für den Oscar verdient gewesen. Seine Leistung als Pádraic ist aber seine bis dato beste. Er spielt diesen eigentlich gutherzigen, leicht dümmlichen Mann, mit ausdrucksstarkem Charisma, gibt ihm eine emotionale Tiefe und kann uns doch zum Lachen bringen. Farrell trägt dabei diesen Film mit Leichtigkeit und ich hoffe auf seine endlich verdiente Auszeichnung! Brendan Gleeson ("Brügge", "Am Sonntag bist du tot") macht dabei einen ebenso starken Job. Mit stetig erster Mine gibt er seinen Colm zum Besten und wird wohl auch endlich einmal für den Oscar nominiert, wenngleich er ihn wegen eines Darstellers aus dem selben Film wohl nicht gewinnen kann. Kerry Condon als Colin Farrells Schwester ist dabei ebenfalls überragend und liefert eine waschechte Achterbahnfahrt ab. Ihr Ende und ihre Emanzipation aus dieser Gesellschaft waren dabei ein echtes Highlight. Sie allein kann aus diesem Leben ausbrechen und sich von all dem negativen lossagen. Scene-Stealer des gesamten Films ist für mich aber Barry Keoghan als Dominic, der eine schauspielerische Leistung an den Tag legt wie man sie nur selten sieht. Es gibt nur eine handvoll Schauspielerische Leistungen, die mir so extrem im Gedächtnis bleiben und mich so umhauen, wie die seine in dieser Rolle. Sein Dominic hat das Herz am rechten Fleck und ist dabei der vielleicht dümmlichste Bewohner von Inisherin, aber Keoghan rückt ihn auf seine ganz eigene Bühne. Seine Mimik, Gestik und Sprache sind absolut überragend, wofür er den Goldjungen gewinnen MUSS!
Kurz: Martin McDonagh schafft es erneut rabenschwarzen Humor mit Szenen zu paaren, die einem das Lachen im Halse stecken lassen. Dazu schafft der Film es trotz einer oberflächlichen Plumpheit, eine größere Tiefe hineinzubringen, die durch die zeitliche Einordnung in den irischen Bürgerkrieg und der Frage nach der Sinnlosigkeit getragen wird. Darstellerisch erstklassig besetzt, sind es vor allem Colin Farrell, der diesen Film trägt und sich als Topfavorit für den Oscar etabliert hat und Scene Stealer Barry Keoghan, der eine Performance dalegt, die auf einem eigenen Level Platz findet und sich zu den besten darstellerischen Leistungen reiht, die ich je gesehen habe, die dieses Gesamtwerk abrunden. Hier steht wohl der große Favorit für alle Filmpreise fest.