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    The Man From Toronto
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    The Man From Toronto

    Jason Statham hat alles richtig gemacht

    Von Sidney Schering

    Wenn Filme eigentlich fürs Kino produziert, dann aber nach Fertigstellung kurzfristig und unzeremoniell an Netflix verkauft werden, muss man leider eine böse Vorahnung haben. Seit Paramount Pictures die Sci-Fi-Enttäuschung „The Cloverfield Paradox“ an den Streamingdienst abgegeben (oder sagen wir „abgeschoben“) hat, haftet solchen Projekten ein mieses Image an, das sich auch anschließend fast immer bewahrheite (Ausnahmen wie „Die Mitchells gegen die Maschinen“ bestätigen nur die Regel). Dass diese Filme so oft so schlecht sind, ist auch logisch. Warum sollten Filmstudios schließlich attraktive Titel an die Streamingkonkurrenz veräußern?

    Auch „The Man From Toronto“ landete so unverhofft bei Netflix: Noch bis Anfang April 2022 befand sich das gemeinsame Starvehikel von Kevin Hart und Woody Harrelson auf den Kino-Startplänen, dann verfrachtete Sony Pictures den Actionfilm plötzlich in den meisten Märkten zum Streamingdienst. Wie ausgeführt ist das ein schlechtes Vorzeichen für das neue Werk von „Killer's Bodyguard“-Regisseur Patrick Hughes – doch selten hat sich dies so durch und durch bewahrheitet...

    Dass diese beiden sogar Freunde werden, glaubt man zu keiner Sekunde.

    Aufgrund einer Verwechslung steigt der Möchtegern-Selfmade-Mann und Dauerversager Teddy (Kevin Hart) in einer abgelegenen Airbnb-Wohnung ab, die eigentlich der berüchtigte Killer Randy alias „Der Mann aus Toronto“ (Woody Harrelson) gebucht hat. Eine Verwechslung mit schweren Folgen: Das FBI will, dass sich Teddy wiederholt als Killer ausgibt. Randy verfolgt den verpeilten Loser ebenfalls – aber nicht aus den vielleicht naheliegenden Gründen: Er will ihn nämlich unter seine Fittiche nehmen...

    Erste Warnsignale, dass „The Man From Toronto“ mehr Rohrkrepierer denn Bombenfilm werden könnte, gab es bereits 2020: Wenige Wochen vor dem ursprünglich geplanten Drehstart stieg der eigentlich für die Killerrolle vorgesehene Jason Statham überraschend aus dem Projekt aus. Laut Branchenberichten gerieten Statham und die Produzenten des Films aneinander, weil sie entgegengesetzte Vorstellungen davon hatten, welche Tonalität und Jugendfreigabe „The Man From Toronto“ anstreben soll. Dass der als Statham-Ersatz gecastete Woody Harrelson in zahlreichen Szenen so gestylt und gefilmt wird, dass man ihn bei einem flüchtigen Blick glatt für den „Crank“-Star halten könnte, hat vor diesem Hintergrund schon etwas Trotziges an sich.

    Zumindest ein Schmunzler: Harrelson als Statham-Kopie

    Eben diese Bockigkeit ist (wenn auch ungewollt) glatt einer der wenigen zündenden Lacher dieser Actionkomödie. Weitere Schmunzler gibt es noch, bevor die Handlung überhaupt ins Rollen gerät und die beiden Hauptdarsteller kaum mehr tun, als sich von ihrer Leinwandpersona zu nähren: Harrelson, der mit kernigem Charme ein potentielles Opfer einschüchtert, und ein hibbelig Unfug brabbelnder Hart werden wohl kaum ihre größten Kritiker*innen überzeugen, aber wer ihnen nicht völlig abgeneigt ist, kann anfangs etwas Kurzweil aus „The Man From Toronto“ ziehen.

    Aber von der Sekunde an, in der die Story sich ihren Weg bahnt, zeigen sich die eklatanten Schwächen des Drehbuchs, gegen die das Duo nicht anspielen kann: Das ganze Subgenre an Actionkomödien, in denen Normalos aufgrund von Verwechslungen in riskante Plots gezerrt werden, hängt an einem seidenen Faden der Glaubwürdigkeit. Umso wichtiger ist es, diese Storys durch innere Logik plausibel genug zu gestalten, dass man sie als die Unterhaltung annimmt, die sie bieten wollen, statt ausschließlich die Risse in der Prämisse vor Augen geführt zu bekommen.

    Nie plausibel, selten unterhaltsam, immer albern.

    Kevin Hart selbst war mit „Central Intelligence“ bereits im Mittelpunkt eines funktionierenden Genrevertreters, der Witz aus seiner Absurdität zog, aber zugleich in sich stimmig war. Robbie Fox und Chris Bremner dagegen reihen in ihrem „The Man From Toronto“-Drehbuch unmotiviert Actionpassagen, Verbalkabbeleien und ausgelutschte Charaktermomente aneinander, in denen die ungleichen Männer extrem klischeehafte Lektionen voneinander lernen. In deren Zuge wird es nie auch nur ansatzweise plausibel, dass die Zwei sich aushalten – schlimmer sogar: Es wird immer und immer unglaubwürdiger, was für eine immer dicker werdende Freundschaft zwischen ihnen behauptet wird.

    Allein schon die völlig inkonsistente Figurenzeichnung trägt dazu bei, dass „The Man From Toronto“ mehr zum genervten Seufzen als zum Mitfiebern und Mitlachen einlädt: Weil Teddys und Randys Persönlichkeitsmerkmale sowie Social Skills gefühlt zu Beginn einer jeden Szene neu ausgewürfelt werden, ist kein Charakterwachstum möglich. Gleichzeitig drosselt dies massiv den Spaßfaktor, da Dialogwitz stets auch davon lebt, was man den gerade Wort führenden Figuren zutraut, von welchen Äußerungen man sich überraschen lässt und bei welchen Retourkutschen man sie innerlich anfeuert. Dinge, die sich beim „The Man From Toronto“-Duo nicht im Geringsten anbieten – und die winzigen Spurenelemente an kohärenter Charakterisierung münden in die immer gleichen, vorhersehbaren Pointen. Teddy plaudert unfokussiert, Randy ist genervt – das verwirrt den jeweils Anderen.

    Schlechte Gewalt-Kaschierung wie bei "The Expendables 3"

    Patrick Hughes' dröge Regieführung gibt dem Ganzen dann noch den Rest. Wie schon bei „The Expendables 3“ erzählt er wiederholt viel härtere Gewaltspitzen (Stichwort: ausgestochenes Auge), als er dann zu zeigen gewillt ist oder aufgrund der ihm von Produzentenseite vorgeschriebenen Altersfreigabe im Rücken zeigen darf. Wiederholt zeigt sich aber auch, dass er das nicht einmal mit geschickt gesetzten Schnitten zumindest halbwegs kaschieren kann. Wie beim Stallone-Actioner mindern zudem schäbige CGI-Effekte die in Sachen Bildgestaltung ohnehin schon völlig platte und einfallslose Actionkomödie weiter. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die schlechten Effekte nicht so allgegenwärtig sind wie noch in „The Expendables 3“.

    Daneben bedient sich Hughes mehrmals grobschlächtig bei bekannten Vorbildern, ohne deren Esprit auch nur in Einzelsequenzen nahezukommen, geschweige denn für die Gesamtheit der kopierten Passagen. Besonders dreist abgeguckt wird bei „Rush Hour“, wodurch Hughes letztlich sowohl den vergeigten Humor als auch die mangelnde Spannung der Action-Komponente seines Films doppelt und dreifach unterstreicht.

    Fazit: Der größte Gewinner von „The Man From Toronto“ ist Jason Statham, der sich frühzeitig aus dem Projekt zurückgezogen hat. Die wirklich vor der Kamera stehenden Kevin Hart und Woody Harrelson wiederum können nur selten ihr Talent zeigen – für den Großteil des Films sind das dröge Skript und die leblose Regieführung zu erdrückend, als dass das Duo punkten könnte.

     

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