… und das Leben ist eben doch ein Ponyhof!
Von Karin Jirsak„Trippel trappel Pony“ wird in den neuen Kinofilmen zwar nicht mehr geträllert, dennoch bleibt der Immenhof auch 2021 ein Heile-Welt-Kosmos, in dem die Probleme und Gegebenheiten der realen Welt genauso wenig eine Rolle spielen wie im Jahr 1955, als der erste Film „Die Mädels vom Immenhof“ in die Kinos kam. Regisseurin Sharon von Wietersheim („Workaholic“) versäumt aber nicht nur die Chance, das Ponyhof-Idyll an die heutige Lebenswirklichkeit anzukoppeln. Sie verpasst mit „Immenhof 2 – Das große Versprechen“ in Teilen auch den Anschluss an ihre eigene Geschichte, die 2019 mit der erfolgreichen Leinwand-Neuauflage „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ begann.
Als auf Cagliostro ein Giftanschlag verübt wird, bringt die Sorge um sein bestes Turnierpferd Mallinckroth (Heiner Lauterbach) auf eine unerwartete Idee: Der Hengst soll zur Genesung auf dem Immenhof versteckt werden. Eine echte Herausforderung für Lou (Leia Holtwick) und Emmie (Ella Päffgen), die passenden Räumlichkeiten für den tierischen Superstar zu schaffen und die Sache geheim zu halten. Richtig haarig wird es allerdings, als der Attentäter nochmals zuschlägt und diesmal ein menschliches Opfer trifft – und auch mit Mallinckroth gibt es diesmal wieder nichts als Ärger…
Leia Holtwick als Lou Jansen – Ponyhofbetreiberin und potenzielle „GNTM“-Finalistin.
Die „Immenhof“-Filme zeigen eine Welt, die mit unserer wenig zu tun hat. Eine Parallelwelt, in der Mädchen, die wie GNTM-Finalistinnen aussehen, auf Traumpferden durch eine nahezu autofreie Landidylle reiten. Eine Welt, in der die wirklichen Probleme pferdebegeisterter Mädchen und (ja, auch) Jungs nicht existieren – wie zum Beispiel, dass Reiten ein ziemlich teures Hobby und daher in der Regel den Kindern der Besserverdienenden vorbehalten ist. Neben der Entscheidung, ob Lou nun den coolen YouTuber Leon (hätte auch in Berlin bleiben können, so egal ist er hier: Moritz Bäckerling) oder den süßen Pferdeboy Cal (Max Befort) daten soll, stellt sich diesmal vor allem die Frage, ob ein Pferd nur wertvoll ist, wenn es als Champion viele Preise gewinnt? Im Grunde ist das diesmal die einzige echte Konfliktlinie.
Auf der einen Seite haben wir nun Mallinckroth, den eiskalten Geschäftsmann, dem das Wohl der Tiere schnuppe ist, solange sie nur Pokale nach Hause bringen. Auf der anderen Seite steht Pferdeflüsterin Lou, die immerhin in einer Szene einen Vorstoß in die Wirklichkeit wagt, wenn sie mit Cal über die Frage sinniert, ob es eigentlich richtig sei, sich als Mensch auf dem Rücken der Pferde durch die Welt tragen zu lassen. Doch das Tierrechts-Thema wird dann doch nicht so weit ausgeführt, dass man nach dem Film ein schlechtes Gewissen haben müsste. Dazu sind die Pferde auch einfach viel zu schön.
Um die Frage nach dem Wohl und Weh des Hottehü herum strickt von Wietersheim diesmal einen Kinderkrimi-Plot nach Schema F: Die Schwestern Lou und Emmie versuchen, den Pferdegiftmörder zu fangen und Cagliostro zu beschützen. Unterstützung bekommen sie dabei von Cousine Josy (Caro Cult aus „Babylon Berlin“), einer Großstadtgöre, die sich dafür gar nicht mal blöde anstellt, sowie natürlich von Rössern verschiedenster Couleur, darunter die edle Wildstute Kira und das Mini-Pony Krümel mit dem Strohhütchen, von dem vor allem kleine Pferdefans sicher gerne noch mehr gesehen hätten.
Mallinckroth (Heiner Lauterbach) will vor allem seine Investition schützen – und versteckt sein besten Pferd deshalb auf dem Immenhof.
Die jungen Darstellerinnen machen ihre Sache ganz gut, auch wenn vor allem Emmies kessen Sprüche etwas arg bemüht daherkommen. „Bei dem sind nicht nur seine Haare, sondern auch sein Verstand ausgefallen!“, so etwa das Urteil der jüngsten Jansen-Schwester über Glatzkopf Mallinckroth, routiniert und ohne Schurkenglanz gespielt von Heiner Lauterbach. Sympathisch dagegen Max von Thun („Benjamin Blümchen“), dessen Charakter Viktor man hier auch eine nette Lovestory gegönnt hätte. Doch Viktors love interest, die älteste „Immenhof“-Schwester Charly (Laura Berlin), hat im zweiten Teil nur einen kurzen Gastauftritt. Begründung: Sie studiert inzwischen an der Kunstakademie.
Statt die Problematik, dass mit dem Weggang der ältesten Schwester plötzlich keine offensichtlichen Beziehungsberechtigten (Cousine Josy übernimmt den Job in Vertretung jedenfalls mehr schlecht als recht) mehr auf dem Immenhof leben, dramaturgisch einzubinden, entscheidet sich von Wietersheim, die Figur Charly und damit die Prämisse des ersten Teils einfach links liegenzulassen: Mit dem Jugendamt gibt es deshalb jedenfalls Null Stress deswegen. Gut für die Jansens, zumindest bei erwachsenen Rezipienten hinterlässt diese Nichtbeachtung der Kerngeschichte zugunsten eines platten Detektivplots aber durchaus einen etwas schalen Beigeschmack. Eine fetzige Waldverfolgungsjagd zu Pferd, unterlegt mit der Partisanenhymne „Bella Ciao“, entschädigt dafür nur teilweise.
Fazit: Ein weiterer filmgewordener Fotoroman aus der Pferdezeitschrift – auch die Fortsetzung „Immenhof – Das große Geheimnis“ bietet wieder harmlose Unterhaltung für Fans von „Wendy“, „Ostwind“ und „Bibi & Tina“. Immerhin wird nicht gesungen.