"Like A Complete Unknown" von James Mangold ist ein leider sehr langweilig geratenes Biopic über den jungen Bob Dylan. Timothé Chalamet spielt den Sänger und Songwriter wie einen übellaunigen Teenager, der einen auf supernachdenklich, düster und mysteriös macht, aber eigentlich nur ein selbstverliebtes Arschloch ist. Nun weiß ich nicht, ob der echte Bob Dylan auch so ein fürchterlicher Unsympath ohne jede Sozialkompetenz ist, aber im Film kommt er so rüber. Und dem Film-Bob-Dylan wird von seinen Mitmenschen sein unmögliches Verhalten verziehen, weil er ein musikalisches Genie ist.
Als ich in dem Alter war, in dem Bob Dylan am Anfang des Films ist, war ich auf der Schauspielschule. Da liefen zahlreiche Gleichaltrige herum mit großem Talent, die sich wie die letzten Arschlöcher aufgeführt und dabei einen auf supernachdenklich, düster und mysteriös gemacht haben. Und trotzdem wurde ihnen von Regisseuren und Dozenten das Ego gepuschelt, weil sie gut in dem waren, was sie gemacht haben. Menschlich waren diese Typen aber völlig daneben. Und genauso wirkt Bob Dylan in dem Film. Insofern: Ich bin voreingenommen und bekomme sofort schlechte Laune, wenn irgendwelche Dullis sich wie Gottes Geschenk ans Universum gerieren und Leute ihnen alles nachsehen und verzeihen, bloß weil sie ihren Job gut machen. Man kann auch talentiert sein, ohne sich wie ein Arsch aufzuführen.
Aber zurück zum Film: Es ist natürlich schwierig, einen Film zu mögen, wo die Hauptfigur unerträglich und unausstehlich ist, und bei dem man nicht versteht, wo genau das Problem liegt. Denn es geht in dem Film nicht nur um Bob Dylan als Mensch, sondern vor allem darum, wie er vom Folk-Musiker zu jemandem wurde, der einen ganz eigenen Musikstil entwickelt hat. Und so sehr ich Bob Dylans Songs mag (deswegen wollte ich den Film sehen), muss ich doch sagen, dass ich mich mit Folk-Musik nicht besonders gut auskenne, und nicht nachvollziehen kann, warum es für Folk-Puristen OK ist, mit einem Mikrophon die Stimme zu verstärken, aber Blasphemie ist, seine anderen Instrumente ebenfalls elektrisch zu verstärken. Offenbar war das für die Folk-Dogmatiker in dem Film ein Riesendrama und ich hab das Problem nicht verstanden.
Was ich tatsächlich interessant gefunden hätte, wäre, mehr davon zu erfahren, welchen Einfluss Bob Dylans Musik auf die Friedensbewegung in den 60er Jahren gehabt hat. Ich hätte gern viel mehr von der politischen Dimension seiner Songs erfahren. Und ich hätte auch gern mehr von Joan Baez Perspektive erfahren. Stattdessen schmollt und flunscht sich ein sonnenbebrillter Timothé Chalamet als verkanntes Genie durch den Film und ist beleidigt, weil das Publikum nicht hören mag, was er spielen will. Nervig.
Fazit: Unsympathische Hauptfigur, nicht nachvollziehbarer Konflikt, das wirklich Interessante kommt zu kurz - den Film kann man sich sparen und lieber direkt die Musik von Bob Dylan hören.