Zombiealarm in der Schönheitsklinik
Von Christoph PetersenDie meisten erinnerungswürdigen Zombie-Filme der vergangenen 20 Jahre, und das sind erstaunlich viele, fallen in eine von zwei Kategorien: Da gibt es die selbstreferenziellen Metastücke wie „Shaun Of The Dead“ oder „One Cut Of The Dead“, die ihre Qualität vor allem aus einem präzisen parodistischen Blick auf die Historie des Genres ziehen. Dem gegenüber stehen ambitionierte Perlen von „28 Days Later“ bis „The Girl With All The Gifts“, die dem traditionell eher trashigen Sujet mit einer neugefundenen Ernsthaftigkeit begegnen.
„Yummy“ ist nun nicht nur der erste belgische Zombiefilm überhaupt, er ist auch eine von wenigen aktuellen Gore-Komödien, die nicht nur lustig sind, sondern den blutigen Wahnsinn solcher Achtziger-Klassiker wie „Re-Animator“ heraufbeschwören, ohne dabei ständig selbstreferenziell in Richtung Publikum zu zwinkern. Regisseur Lars Damoiseaux hat seinen splattrigen Zombies-in-der-Schönheitsklinik-Spaß zum Teil per Crowdfunding-Kampagne finanziert – und die Unterstützer dürften in diesem Fall nicht enttäuscht werden, zumal „Yummy“ unter anderem so viel aus einer Penisprothese herausholt wie vermutlich noch kein Film zuvor.
Es ist essenziell, sich vor der Wahl einer Schönheitsklinik umfassend über die verschiedenen Anbieter zu informieren...
Eine Operation in Belgien kann sie sich nicht leisten. Also fährt die üppig ausgestattete Alison (Maaike Neuville) mit ihrem Freund Michael (Bart Hollanders) in einen nicht näher benannten Ort in Osteuropa, wo sie sich in einer schon von außen vertrauenserschütternd schäbig aussehenden Plattenbau-Klinik die Brüste verkleinern lassen will.
Neben plastischer Chirurgie bietet das Krankenhaus auch kostenlose Abtreibungen an – und zwar, um mit den Stammzellen der Föten im Keller illegale Experimente durchzuführen. Aber dann kann sich eines dieser „Experimente“ befreien – und in der gesamten Klinik bricht ein blutiges Zombie-Chaos aus...
In seiner kurzen Videobegrüßung für die Besucher der Fantasy Filmfest Nights, wo „Yummy“ seine Deutschlandpremiere feierte, sprach Lars Damoiseaux von viel „Schweiß und Blut, aber vor allem Blut“, das in die Produktion geflossen sei. Aber dabei hat er eine zentrale „Körperflüssigkeit“ vergessen – denn „Yummy“ macht seinem „leckeren“ Titel vor allem in jenen Gore-Szenen alle Ehre, in denen neben reichlich Kunstblutkonserven auch frisch abgesaugtes Bierbauchfett zum Einsatz kommt.
Sowieso sind die Gore-Szenen durch die Bank handwerklich hervorragend gelungen – zumal man spürt, dass sich die Macher bei jedem Kill etwas überlegt haben, statt ihr Figurenpersonal nur alibihaft abzuservieren. Der Höhepunkt: Die Szene mit dem TV-Star, der sich inkognito zur Penisvergrößerung in die Klinik begeben hat – mehr schmerzhafter Schabernack wurde mit einer solchen Penisprothese selten in einem einzelnen Film angestellt. Aber wenn man so ein Ding schon extra herstellt...
Das größte Pfund von "Yummy" sind seine "leckeren" Gore-Effekte.
Der Humor in den Dialogen ist hingegen sehr stark Geschmackssache: Wenn zum fünften Mal jemand Alison von der Absurdität ihrer Brustverkleinerung zu überzeugen versucht, dann fühlt man sich auch hier in die Achtziger zurückversetzt. Aber in diesem Fall nicht unbedingt im positiven Sinne.
Fazit: Es ist schön, mal wieder eine betont geschmacklose Zombie-Komödie zu sehen, die nicht nur ziemlich lustig ist, sondern auch ohne den ansonsten allgegenwärtigen Meta-Humor auskommt. Zudem sind die Todesszenen angenehm abwechslungsreich und kreativ.
SPOILER-PS: Ich habe noch nie verstanden, warum am Ende von Zombie-Filmen in der Regel einige der Helden überleben – was für eine Verschwendung von potenziellen Kills, zumal die Protagonisten mit wenigen Ausnahmen (etwa Lionel aus „Braindead“) in diesem Genre ohnehin selten wirklich sympathisch sind. In „Yummy“ bekommt hingegen wirklich jede eingeführte Figur ihren individuellen Todesmoment – da hat jemand kapiert, was das genreaffine Publikum in dem Moment wirklich will.
Wir haben „Yummy“ im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2020 gesehen.