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    House Of Gucci
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    House Of Gucci

    Reich und Schön Deluxe Edition

    Von Christoph Petersen

    „Eine sensationelle Story von Mord, Wahnsinn, Glamour und Gier“ verspricht der Untertitel von Sara Gay Fordens Sachbuch „The House Of Gucci“* über den Auftragsmord am Geschäftsmann Maurizio Gucci im März 1995. Ein Versprechen, das nun auch Ridley Scott („The Last Duel“) mit seiner zweieinhalbstündigen Hochglanz-Adaption einlöst: „House Of Gucci“ ist nach „Alles Geld der Welt“ schon der zweite Film innerhalb weniger Jahre, in dem sich Scott mit einem realen Kriminalfall in der Welt der Superreichen beschäftigt. Aber im Gegensatz zur doch recht nüchtern erzählten Entführung des Ölmagnat-Neffen John Paul Getty III lässt sich Scott diesmal vom glitzernden Glamour des Namens Gucci anstecken.

    „House Of Gucci“ handelt zwar auch von so trockenen Themen wie Brandmanagement und Businessintrigen, wirkt dazwischen aber vor allem wie eine megalomanische Seifenoper – quasi die 75 Millionen Dollar teure Version der Vormittags-Soap „Reich und Schön“. Das klingt jetzt vielleicht abwertend, ist aber in Wahrheit die größte Stärke des Films, bei dem man sich ganz köstlich amüsieren kann, solange man sich nur auf die absurden Elemente konzentriert und die ernsthafteren Ansätze möglichst ignoriert. Zumal auch einige der namhaften Stars keinerlei Interesse daran zeigen, die Angelegenheit sonderlich ernst zu nehmen – und stattdessen vom ersten Moment an völlig freidrehen.

    Zumindest zu Beginn sind Patrizia Reggiani (Lady Gaga) Maurizio Gucci (Adam Driver) noch ein verdammt glückliches Paar.

    Als Patrizia Reggiani (Lady Gaga) Anfang der 70er auf einer Kostümparty den Jurastudenten Maurizio Gucci (Adam Driver) kennenlernt, sieht die Tochter eines zwielichtigen Trucker-Unternehmers ihre Chance gekommen: Sie arrangiert ein weiteres „zufälliges“ Treffen und schon ist ihr der designierte Erbe eines Modeimperiums Hals über Kopf verfallen. Allerdings ist der Familienpatriarch Rodolfo Gucci (Jeremy Irons) mit der Verbindung gar nicht einverstanden – er hält Patrizia für eine Goldgräberin und schmeißt seinen eigenen Sohn lieber aus dem Haus, als den beiden seinen Segen zu geben. Trotzdem wird geheiratet – und zunächst ist das Paar auch mittellos glücklich.

    Doch dann holt Rodolfos in New York lebender Bruder Aldo (Al Pacino) seinen Neffen wieder zurück ins Unternehmen. Maurizio legt einen steilen Aufstieg bei Gucci hin – und mit dem Zuwachs an Macht und Reichtum nimmt auch die Ruchlosigkeit auf allen Seiten zu. Besonders hart trifft das Aldos Sohn Paolo Gucci (Jared Leto), der sogar von seinem eigenen Vater immer wieder und ganz offen als „Idiot“ bezeichnet wird. Es entbrennt ein Kampf um die Vorherrschaft bei Gucci, aus dem sich auch Patricia als angeheiratete Gucci nicht so leicht herausdrängen lassen will…

    Mehr Jared Leto wagen

    Bei dem Fest zu Beginn erscheint Maurizio als einziger Gast ohne Verkleidung, weil ihm niemand verraten hat, dass es sich um eine Kostümparty handelt – und so lässt sich auch das Spiel von Adam Driver ziemlich gut zusammenfassen. Der für „BlacKkKlansman“ und „Marriage Story“ oscarnominierte Star liefert auch in „House Of Gucci“ eine gewohnt starke Leistung – und trotzdem wirkt es so, als wäre er der einzige, den seine Co-Stars nicht in ihren Plan eingeweiht haben: Denn während sich alle um ihn herum kopfüber in teilweise absurd überzeichnete Rollen und breite Dialekte stürzen, liefert Driver eine verhältnismäßig bodenständige Performance – und steht damit stellvertretend für jenen Teil von „House Of Gucci“, der eher nicht so gut funktioniert.

    Zwar erfahren wir durchaus etwas über die gegensätzlichen Vorstellungen des Markenkernbewahrers Rodolfo und des Expansionisten Aldo – und auch die nicht gerade friedliche Übernahme durch das US-bahrainische Investmentunternehmen „Investcorp International“ spielt eine Rolle. Aber wer tatsächlich etwas über das Business oder die Mode von Gucci erfahren will, sollte sich „House Of Gucci“ lieber sparen, denn in dieser Hinsicht kratzt Ridley Scott trotz der stolzen Laufzeit von mehr als zweieinhalb Stunden allenfalls an der Oberfläche. Stattdessen kapert schon früh der offensichtlich in seinem ganz eigenen Universum herumschwirrende „Thirty Seconds To Mars“-Frontmann Jared Leto den Film – und bereitet mit seiner gnadenlos-depperten Trottel-Performance den Boden für eine mit ganz viel Luxusseife eingeschmierte True-Crime-Räuberpistole.

    Mit Halbglatze und unvorteilhafter Frisur – Jared Leto ist nicht nur wegen seines Make-ups kaum wiederzuerkennen, sondern spielt auch sonst wie von einem anderen Stern.

    Zusammengehalten wird das alles vor allem durch die nach ihrer oscarnominierten Rolle in „A Star Is Born“ erneut überlebensgroß chargierende Lady Gaga, die zwar nicht in jeder Szene ihren breiten norditalienischen Akzent trifft, aber trotzdem in jedem Moment die Leinwand dominiert. Wenn Maurizio seine neue Bekanntschaft einmal als Elizabeth Taylor bezeichnet, dann ist das ein Vergleich, der auch in Bezug auf Lady Gaga und die wohl legendärste aller Leinwanddiven nicht länger vollkommen übertrieben erscheint. Gerade wenn sich Patrizia im weiteren Verlauf – angetrieben von den Einflüsterungen der TV-Wahrsagerin Pina Auriemma (Salma Hayek) – immer mehr in ihre Verzweiflung, Eifersucht und Wut hineinsteigert, schimmert da tatsächlich mehr als nur ein bisschen von Taylors ikonischen Ausbrüchen durch.

    Dabei fragt man sich übrigens die ganze Zeit, ob Ridley Scott nun eigentlich zu den Eingeweihten oder nicht doch eher gemeinsam mit Adam Driver zu den Nicht-Eingeweihten zählt. Wenn zu Beginn des Abspanns brav aufgelistet wird, was mit den einzelnen Figuren nach dem Ende der Filmhandlung noch geschehen ist, dann erweckt das zumindest den Eindruck, als würde sich Scott trotz vieler Freiheiten im Umgang mit der wahren Geschichte bis zum bitteren Ende an die Vorstellung klammern, hier tatsächlich ein hochglänzendes Prestige-Biopic abzuliefern. Auf der anderen Seite ist gerade der Cinderella-Teil zu Beginn dermaßen vollgestopft mit betont-klischeehaften Opernarien sowie Italo- und 80er-Euro-Popsongs, als würde man sich einen nostalgieverklärten Werbespot für eine Espresso-Pizza reinziehen. So ganz 100-prozentig ernstmeinen kann Scott das alles also eigentlich gar nicht…

    Fazit: Eine trotz gewisser Längen köstlich amüsierende Luxus-Seifenoper mit einer erneut gnadenlos guten Lady Gaga – und einem freidrehenden Jared Leto, der jetzt auch noch die letzten 30 Sekunden überwunden und sich endgültig Richtung Mars verabschiedet zu haben scheint.

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