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    Padre Pio
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Padre Pio

    Katholizismus Vs. Kommunismus

    Von Christoph Petersen

    Shia LaBeouf ist gerade wieder in den Schlagzeilen (zumindest der Klatsch- und Branchen-Blätter). Zum einen, weil er sich mit Regisseurin Olivia Wilde öffentlich darüber streitet, ob sie ihn beim Dreh von „Don’t Worry Darling“ gefeuert hat – oder ob er nicht viel mehr aus eigenen Stücken gegangen ist. Zudem räumte er bei einem Podcast-Auftritt nicht nur Fehlverhalten gegenüber vielen Frauen ein, sondern kokettierte gleichzeitig auch noch damit, dass die als autobiographisch beworbenen Elemente aus seinem Skript zum Film „Honey Boy“ so wohl gar nicht stimmen würden. Speziell die Sache mit seinem gewalttätigen Vater habe er sich nur ausgedacht.

    Keine Rolle zumindest in der breiten Öffentlichkeit wird hingegen sein Part im neuen Film von Kultregisseur Abel Ferrara („Bad Lieutenant“) spielen: In „Padre Pio“ verkörpert der Ex-„Transformers“-Star den titelgebenden italienischen Pater, an dessen Händen im Jahre 1912 angeblich göttliche Stigmata entstanden. Speziell ab 1919 entwickelte sich ein teilweise fanatische Züge annehmender Kult um den Glaubensbruder, dem von Kritiker*innen allerdings von jeher vorgeworfen wird, chemische Substanzen zum Erzeugen der Stigmata verwendet zu haben.

    Abel Ferarra geht es „Padro Pio“ wohl weniger um den katholischen Kult-Heiligen als vielmehr um die (immer wieder blutige) Geburtsstunde der sozialistischen Partei in Italien.

    Von all dem erfährt man in „Padre Pio“ jedoch nichts. Die biographischen Daten und Hintergründe muss man sich schon selbst ergoogeln, wenn man ein Interesse dran hat. Abel Ferrara liefert – wie auch schon 2014 mit „Pasolini“ – alles andere als ein klassisches Biopic. Stattdessen sehen wir in den Padre-Pio-Szenen nicht viel mehr als einen oft heulenden und spuckenden, manchmal nackt in der Ecke kauernden Shia LaBeouf, der dabei nicht eine Sekunde wie ein italienischer Pater, sondern stets wie ein (über-)motivierter Performance-Künstler wirkt. Das passt natürlich zu Ferraras expressiv-experimentellem Stil. Aber musste der Hauptdarsteller dafür zur Vorbereitung extra mit Franziskanermönchen in einem Kloster leben? Und dann während des Drehs auch noch zum Katholizismus übertreten?

    Aber unter einem selbst gezogenen Zahn, dem kompletten Verzicht auf Körperpflege oder einem riesigen Tattoo macht es der überzeugte Method-Actor wohl einfach nicht mehr. In der vielleicht besten, aber auf jeden Fall schrägsten Szene des Films scheißt Shia LaBeouf die gerade beichtende Asia Argento, die im Abspann ohne weitere Erklärung als „The Big Man“ aufgeführt wird, so heftig zusammen, dass der Wut-Sabber nur so durch den karg eingerichteten Raum fliegt. Trotz des vollen Körpereinsatzes des einstigen Blockbuster-Hollywoodhelden ist die eigentlich in „Padre Pio“ erzählte Geschichte jedoch eine ganz andere …

    Was das alles soll, erfährt man – vielleicht – zum Schluss

    … und zwar die einer kleinen italienischen Stadt, in der die gerade „siegreich“ aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrten Arbeiter von den Großgrundbesitzern weiter so gnadenlos ausgebeutet werden, dass sie vom freien Italien nicht mehr viel haben. In diesem Klima der Angst und Unterdrückung, in dem zugleich aber auch die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes abgehalten werden sollen, kommt die Sozialistische Partei zu einiger Popularität. Als die Wahl zum Bürgermeister im Jahr 1920 einen überraschenden Ausgang nimmt, bleibt der der erhoffte friedliche Machtwechsel aus, stattdessen bahnt sich eine blutige Katastrophe an.

    Es ist leicht zu erkennen, dass Abel Ferrara für „Padre Pio“ nicht sonderlich viel Geld zur Verfügung stand. So sehen gerade die tagsüber spielenden Szenen teils nur wenig besser aus als die historischen Reenactments, wie man sie manchmal in Dokumentarfilmen oder TV-Reportagen zu sehen bekommt. Nachts jedoch spielt der Regisseur trotz der budgetären Beschränkungen seine Stärken aus und schafft einige schwer atmosphärische Schattenbilder, gerade wenn er allein durch die Wahl seiner Einstellungen bereits den langsam aufkeimenden Faschismus in Italien vorwegnimmt.

    In der vielleicht besten Szene muss sich Asia Argento von Shia LaBeouf aber mal so ein richtiges Donnerwetter gefallen lassen.

    Was genau es mit der Gegenüberstellung des Leidens in der Kleinstadt und im Kloster genau auf sich hat, muss man sich schon selbst überlegen (oder auch nicht). Der Kommunismus und der Katholizismus sind schließlich seit jeher die zwei großen Themen, mit denen Abel Ferrara schon seit Jahrzehnten in seinen Filmen und wohl auch im wahren Leben ringt. Dafür findet er in „Padre Pio“ auch eine wahnsinnig starke Schlusseinstellung – nur ob es sich lohnt, dafür die mäandernden eineinhalb Stunden davor „durchzustehen“, das hat wohl vor allem damit zu tun, wie man allgemein zum Spätwerk des Regisseurs (also Filmen wie „4:44 Last Day On Earth“ oder „Siberia“) steht…

    Fazit: Ein Film, den man guten Gewissens wohl nur Ferrara-Fans wirklich ans Herz legen kann.

    Wir haben „Padre Pio“ im Rahmen des Filmfestivals in Venedig gesehen, wo er als Teil der Sektion Giornate Degli Autori gezeigt wurde.

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