Die Teufel tanzen wieder – und zwar so erbarmungslos wie nie zuvor!
Von Christoph PetersenErst vor wenigen Wochen ist die „Scream“-Reihe mit „Scream VI“ aus der Kleinstadt Woodsboro in den Big Apple umgezogen. Passend dazu lässt nun auch das „Evil Dead“-Franchise im fünften Anlauf die Hütte im Wald hinter sich, um die Dämonen des Necronomicons diesmal in Los Angeles auf die frisch verlassene Tätowiererin Ellie (Alyssa Sutherland), ihre drei Kinder sowie ihre ungewollt schwangere Schwester Beth (Lily Sullivan) zu hetzen. Aber anders als in „Scream VI“ spielt es in „Evil Dead Rise“ praktisch gar keine Rolle, dass der neue Teil in einer Millionenmetropole spielt.
Stattdessen ist der klaustrophobische Schauplatz, ein einzelnes Stockwerk eines kurz vor dem Abriss stehenden Appartementhauses, nach einem Erdbeben schnell ebenso von der Außenwelt abgeschnitten wie einst die abgelegene Hütte in Sam Raimis Kult-Klassiker „The Evil Dead“ alias „Tanz der Teufel“. Der stand hierzulande ab 1984 mehr als 30 Jahre lang auf dem Index (bevor er dann - wie so viele Skandalfilme jener Ära - plötzlich ohne Schnitte sogar ab 16 Jahren freigegeben wurde).
„Evil Dead Rise“ hat nun zwar ungeschnitten eine FSK-18 eingefahren, aber dabei ein sogenanntes Feiertagsverbot kassiert. Er darf also an stillen Feiertagen wie etwa Karfreitag oder Heiligabend nicht öffentlich vorgeführt werden – und das aus gutem Grund: Hier spritzt nämlich nicht nur hektoliterweise Kunstblut (oft noch mit Stückchen drin), Regisseur Lee Cronin pfeift in seinem strammen Skript auch auf die üblichen Regeln des Genres, nach denen gerade Mütter und Kinder die besten Chancen haben, einen Horrorfilm weitestgehend unbeschadet zu überstehen.
Aber das Wichtigste ist: Für einen derart fies-brutalen Terror-Schocker ist „Evil Dead Rise“ nicht nur absolut gnadenlos, sondern auch gnadenlos gut inszeniert! Vom Low-Budget-Kult „Evil Dead“ sind einige besonders revolutionäre Kamerafahrten nicht von ungefähr bis heute im kollektiven Gedächtnis geblieben – und Lee Cronin, der sich schon in seinem Debüt „The Hole In The Ground“ als fähiger Stimmungskünstler erwiesen hat, legt offensichtlich großen Wert darauf, dieser Tradition mit reihenweise nicht einfach nur ultrabrutalen, sondern auch visuell extrem kreativen Setpieces gerecht zu werden.
Natürlich darf in einem „Evil Dead“-Film die ikonische Motorsäge nicht fehlen…
Bevor Lee Cronin mit seinen eigenen Einfällen punktet, startet „Evil Dead Rise“ aber erst einmal mit einer liebenswert-augenzwinkernden Hommage: Die eröffnende Kamerafahrt erinnert zwar an das Dämonen-POV aus „Tanz der Teufel“, entpuppt sich dann allerdings als Aufnahme einer Drohne, mit der irgend so ein Arschloch-Typ eine Bekannte am See erschrecken will. Schon in der nächsten Szene hören wir dann auch die klassische Dämonen-Stimme – nur liest diese diesmal nicht aus dem Necronomicon, sondern aus Emily Brontes „Sturmhöhe“, was sich erstaunlicherweise als noch viel furchteinflößender erweist.
Zwar gibt es bis zum Schluss immer wieder Hommagen an ikonische Elemente der Reihe: So wird mit einer Szene, in der die Drahtseile eines Fahrstuhls die Gliedmaßen einer Frau so verdrehen und verbiegen, dass das grausame Ergebnis an eine erotische Shibari-Bondage-Performance erinnert, offensichtlich auf die Baum-Vergewaltigung aus „Tanz der Teufel“ angespielt. Dennoch dominieren schnell die eigenen inszenatorischen Einfälle wie das – gerade in Anbetracht des eigentlich engen Raumes – extreme Spiel mit Vordergründen (etwa bei Beths Fingern im Wasser oder Ellies dämonischem Gesicht).
Die Szene mit dem Tür-Spion zählt definitiv zu den visuell kreativsten im modernen Horror-Kino.
Nach der ersten Skalpierung und Enthauptung wird der Titel „Evil Dead Rise“ eingeblendet – und das auf eine Art und Weise, die in den meisten Vorstellungen direkt den ersten Szenenapplaus heraufbeschwören dürfte. Mit der Verlagerung der weiteren Handlung nach L.A. verzichtet Lee Cronin dann allerdings weitestgehend auf die für die Reihe typische Ironie – stattdessen wird in der Folge eigentlich nur noch gelacht, weil es „Evil Dead Rise“ mit der Gewalt so krass auf die Spitze treibt, dass man irgendwann kaum noch anders kann.
Herausragend ist etwa eine längere, sich auf dem Etagenflur abspielende Sequenz, die vollständig nur durch das Guckloch der Wohnungstür gezeigt wird. Hier wird dann auch noch einmal das kongeniale Zusammenspiel von Bild und Ton besonders deutlich – denn selbst wenn das Gezeigte schon hart genug ist, wird es fast noch fieser, wenn man durch den Türspion plötzlich nur noch den leeren Flur sieht, aber die grauenvollen Geräusche weiter auf einen einprasseln, weshalb es (Stichwort: Kopfkino) selbst für den immer schnell die Hände vors Gesicht haltenden Teil des Publikums kaum ein Entkommen gibt.
Sowieso lässt Lee Cronin seinen Figuren und damit auch dem Publikum kaum noch Zeit zum Luftholen, sobald er das Tempo erst einmal angezogen hat – gerade hier zahlt sich der sehr begrenzte Schauplatz aus, der längere Ruhephasen schlicht gar nicht zulässt. Aus seiner Anspannung herausgerissen wird man von da eigentlich nur noch von einigen fragwürdigen CGI-Effekten…
… sowie vielleicht noch dem Finale, das nicht nur geradezu grotesk gewalttätig ist, sondern darüber auch noch mit einer nicht minder grotesken Kreaturen-Schöpfung aufwartet. Das dürfen Fans dann trotz der zwischenzeitlichen Ernsthaftigkeit des Terrors ruhig wieder auf die alte ironische „Evil Dead“-Art abfeiern…
Fazit: Gnadenlos auf den Punkt inszeniertes, visuell abgesehen von einigen schwachen CGI-Effekten oft brillantes Terror-Kino, das in den Gewaltszenen im besten Sinne wehtut und die Grenzen eines Mainstream-Horrorfilms noch stärker ausreizt als alle „Evil Dead“-Filme zuvor. Die Behauptung, das Kunstblut würde in „Evil Dead Rise“ in Strömen fließen, wäre wahrscheinlich die Untertreibung des Jahres…