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    A Dark-Dark Man
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    Anonymer User
    4,5
    Veröffentlicht am 9. Juni 2020
    "A Dark, Dark Man"
    Adilkhan Yerzhanov zeigt in diesem Film das ganze Archaikum einer übermächtigen – weil großen, bewegungslos unbeeindruckten, endlos weiten im Vordergrund, schnee- und eisbedeckt gipfelnd im Hintergrund – Naturkulisse, wie sie dem Zuschauer von solchen ausgesprochenen Anti-Hollywood Filmen aus Ländern, wie der Mongolei, aus China, oder, wie dieser, aus Kasachstan, wohl häufig vorkommen mag. Und dass dies hier kein Hollywood sei, spricht denn auch der (Anti)-Held Bekzat, eindringlich gespielt von Daniar Alshinov, in der ersten halben Stunde des 130-minütigen kasachisch-französischen Filmwerks aus, als ihn eine junge Journalistin (Dinara Baktybayeva) aus der fernen großen Stadt zu einem der hier kürzlich ausschließlich an Jungen begangenen Morde befragt, - ob sie schon mal einen Mörder gesehen habe, fragt er sie, ja, ist ihre Antwort, in Filmen und Serien. In einer späteren Szene erzählt sie ihm von ihrem Verhältnis zur Gewalt, nachdem er sich dem körperlichen Angriff von vier Mafia-Schlägern mit eigener zäher Rauheit erwehren musste, sie könne, stammelt sie unter dem Eindruck des Gesehenen, sobald sie Gewalt erlebe, nichts mehr tun, erstarre zur Bewegungsunfähigkeit, worauf er nüchtern und ohne Ironie erwidert: „Gewalt? Das war doch keine Gewalt.“
    Bekzat, dieser junge Mann, Hauptfigur und Ermittler der örtlichen Polizei in einer kasachischen Provinz, ist ein Mörder, was Ariana, die Journalistin, wohl spürt, wenn auch nicht der gesuchte. Er bedient sich nur dessen, wie man schnell bemerkt, üblichen Methoden, sollte Bekzats behördliche Autorität einmal zu sehr bedroht sein durch freche Zudringlichkeiten kleinerer Clans der Gegend, deren behauptete Macht er schlicht nicht anerkennt und kurzerhand seine eigene, auch mit einigen Wassern gewaschene, entgegenstellt; …oder aber, im anderen Fall, wenn die Machtstrukturen der örtlichen Mafia, deren Oberhaupt ein bekannter, sich gerade zur Wahl stellender Politiker ist, ein Mitspielen bedingungslos erforderlich machen. Die Journalistin stellt dabei ein erstes, zaghaftes Eindringen zivilisatorischer Maßstäbe in diese entseelte Welt der Korruption und Gesetzlosigkeit dar; in die noch wie im Urzustand verharrende Natur. Gleichsam verkörpert sie eine Art Gewissen des jungen, ohne besonderen Ehrgeiz ausgestatteten und als Waise aufgewachsenen Bekzat. In ihrer vom unabhängigen Verstand und Bildung (sie hat die Aufklärungsschrift Montesquieu’s „Vom Geist der Gesetze“ bei sich, aus der sie zitiert) geprägten Gegenwart scheint ihn erstmalig eine innere Regung zu erfassen, die über die dumpfen Strukturen, denen er sich bisher mittels Überlebenstaktik angepasst hat, hinausgeht, ein kaum wahrnehmbares Lächeln bei ihm verrät es, ein selbstreflektierender Blick. Doch mächtig und funktionierend ist das Althergebrachte der Sippschaft vor der zarten, städtischen Erscheinung der Frau, ebenso jung wie Bekzat.
    Häufig sieht man ältere, im Halboffiziellen miteinander schachernde Männer, in Halbsätzen, halb auf kasachisch, halb auf russisch, für einen bestimmten Nutzen relevante Informationen – sowie Geldscheine – austauschend, daneben einzeln, einsam stehende, schäbige Gebäude aus der Sowjetzeit, die einmal ein Dorf oder größeres verhießen, nun jedoch, wie die leeren, jeder Wohnlichkeit entbehrenden Inneneinrichtungen zeigen, die sich einem festen Gebäude aus Stein und Glas einfach nicht bemächtigen wollen, in der Jurte vielleicht eher sich heimisch machen könnten - nun zurückgeholt werden von jenem Archaikum, und man fragt sich, ob diese verlorenen Zeugnisse durch den Rückzug der Moderne seit dem Ende der Sowjetunion nur verstümmelt zurückgelassen wurden, oder in ihnen sich der integre, immer schon in freier Wildnis herrschende Zustand der kasachischen Steppe zeigt: der des Rechts des Stärkeren und Überlebenden, der Rauheit, der unbändigen Stille.
    Aber was sind in Filmen solcherart, die unsere durchs kommerzielle Kino und Fernsehen fest gezurrte Sehweisen seltsam unterlaufen, und nach einiger Zeit, lässt man sich nur ausreichend lang und geduldig auf sie ein, gar unterhöhlen – was sind da schon Beschreibungen äußerlicher Details, wie Behausungen, asphaltierte Endlosstraßen, an ihnen entlanglaufende Gasleitungen usw., solange sie lediglich dem Inhaltlich-Dramaturgischen dienen, während die Dramaturgie doch selbst merkwürdig entdramatisiert wirkt? Gewichtig und ausgestattet mit Tiefenwirkung sind die harmonisch immer wieder aus dem Gleichgewicht laufenden Atmosphären in den sauber erstellten Szenen, die ihre Wirkung entfalten gleich einem schonenden Beruhigungsmittel, verzögert, erst nach einiger Zeit, dafür umso nachhaltiger.
    …So wie der zum Ende des Films hin zu einem wirklichen Helden sich wandelnde Polizist Bekzat, ein dark, dark Man, eine Black Box mit schwarzer Seele, dessen suggestive Kraft darin besteht, dass der Zuschauer bis zum Finale nicht das Gute mit Sicherheit weiß von ihm, nicht das Schlechte, und in gebannter Spannung wartend diesem stillen Vulkan zuschaut, seiner stets leicht gebückten, schwer-erdigen Gestalt, die häufig schleppend, doch zuweilen leicht und kraftvoll, fast wie ein Raubtier, sich durch die Weite der Landschaften bewegt, seinem beständig, wie gegen tausend Tücken und Widerstände suchenden Blick, den oft Resignation herab sinken lässt. Gegen das Gute in ihm sprechen einige seiner schieren Handlungen, gegen das Schlechte eigenständig angestellte Rechnungen, die man dabei vermuten kann, sowie ein Handeln am System vorbei, und doch im und mit ihm, noch lange bevor er mit diesem endgültig bricht, und dem die wirklich Gott- und Ruchlosen, von denen es nur so wimmelt in diesem Film, rückgrat- und hoffnungslos verfallen sind.
    Und dann gibt es da noch jenen Verrückten namens Pukuar, oder besser ist es ein Tor wie aus einer unwahrscheinlichen Sagenwelt, nebst Frau und Kind. Diese stumme, meistenteils lachende, in einem fort Zeichnungen in Chagallscher oder steinzeitlicher Manier anfertigende Figur, die des Mordes an einen Jungen beschuldigt wird, von dem man nur die mit einem blutverschmierten Laken zugedeckte Leiche in einem ansonsten leergefegten Pferdestall sieht (überhaupt Pferde: sie fehlen fast gänzlich; merkwürdig fremd scheint die Steppe ohne sie, bis auf eine traumartige Sequenz, überdeckt von stichig-grünlichem Kolorit, die, mythisch, gleich einer Felsmalerei, unmittelbar auf der Schlüsselszene folgt, der Selbstermächtigung Bekzats angesichts seines Auftrags, den Toren - im Tausch gegen ein Bündel Banknoten versteht sich - kurzerhand aus der Welt zu schaffen, und Pukuar kurz vor dem Abdrücken der auf ihn gerichteten Waffe für einen Moment seinen mit einem weißen Beduinentuch verhüllten Kopf entblößt: mit unerwartet wachem, beobachtendem Blick seinem potentiellen Mörder zu verstehen gibt, dass hier möglicherweise Höheres, wenn schon der weltlich-humane Idealismus der Journalistin chancenlos, mit anwesend ist, mit zuschaut, ja, vielleicht das Auge Gottes, hat dieser Tor nicht etwas Jesushaftes in diesem Moment?) – diese Figur lebt mit seiner bedingungslos zu ihm haltenden Familie in einem verdorrten Maisfeld, das keinerlei Verlockungen offenbart auf seine Früchte, die reifen Maiskolben, eher nur mehr als Unterschlupf dient, in dem sich gut ‚Verstecken’, oder, als doppelte Schwierigkeit, ‚Blinde Kuh’ spielen lässt. Jederzeit hat die Kamera (Aydar Sharipov) ihr sicher stehendes Szenenbild fest im Blick und lässt Bilder zwischen Traum und Wirklichkeit entstehen, denen man – bis hin zum still sich vollziehenden Mordgewühl der Schlussszene – noch lange nachhängt. S. K.
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