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    After Midnight
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    After Midnight

    Den Twist wird kaum einer kommen sehen

    Von Lutz Granert

    Nach zehn Staffeln „The Walking Dead“ sowie zahllosen Zombie-Filmen im (Heim-)Kino sind wir inzwischen alle bestens darauf vorbereitet, wie man eine Untoten-Apokalypse überlebt – zumindest was solche Survival-Aspekte wie die passende Bewaffnung angeht. Welche psychologischen Herausforderungen so eine Extremsituation mit sich bringt und wie man diesen am besten begegnen kann, bleibt in den meisten Genre-Vertretern allerdings außen vor (auch wenn wir es aktuell in der Corona-Selbstisolation schon mal vorsichtig selbst austesten können). „Ben & Mickey Vs. The Dead“ war 2012 allerdings eine erfrischende Ausnahme, denn hier haderten zwei ungleiche Männer weniger mit den Zombies als vielmehr mit der eigenen Einsamkeit sowie unerfüllten (sexuellen) Bedürfnissen.

    Der kreative Kopf hinter dem auf zahlreichen Filmfestivals ausgezeichneten Horror-Psychodrama war Jeremy Gardner, der neben der Regie auch eine der beiden Hauptrollen übernahm und das Drehbuch beisteuerte. Bei seinem Nachfolge-Projekt „After Midnight – Die Liebe ist ein Monster“ beweist Jeremy Gardner nun ähnlich viel Mut zum aus dem Rahmen fallen: Auch wenn bei seinem Genre-Mix irgendwo zwischen Horror-Thriller und (Liebes-)Drama nicht alle Zutaten hundertprozentig zusammenpassen, gibt es doch etliche ganz starke Momente sowie am Ende eine faustdicke Überraschung, die einem ganz ordentlich das Fürchten lehrt.

    Das Monster-Artwork auf dem Poster ist nur eines der Highlights von "After Midnight".

    Der passionierte Hobby-Jäger Hank (Jeremy Gardner) und seine Freundin Abby (Brea Grant) leben seit vielen Jahren ziemlich glücklich in einem abgelegenen Haus in der Provinz von Florida zusammen. Eines Tages hinterlässt Abby jedoch eine kurze, kryptische Notiz in der Küche – und verschwindet daraufhin spurlos. Hank verzweifelt zunehmend, auch weil sämtliche seiner Anrufe von Abby unbeantwortet bleiben. Stattdessen bekommt er kurze Zeit später jeden Abend ungebetenen Besuch von einer raubtierhaften Kreatur, die versucht, ins Haus zu gelangen. Mit Waffengewalt stellt sich Hank dem Eindringling entgegen – doch niemand im Ort glaubt ihm, dass das Monster tatsächlich existiert...

    „After Midnight – Die Liebe ist ein Monster“ feierte seine Premiere bereits im April 2019 auf dem Tribeca Film Festival – damals allerdings noch unter dem Titel „Something Else“. Der passt eigentlich auch ganz gut, denn diese tatsächlich andere Horror-Wundertüte lässt sich tatsächlich nur schwer in die gängigen Genreschubladen einordnen: Wie schon in „Ben & Mickey Vs. The Dead“ hat Jeremy Gardner neben dem Drehbuch auch die Regie (gemeinsam mit Christian Stella) sowie die Hauptrolle übernommen – und liefert dabei einen erfrischend gegen den Strich gebürsteten Film ab. „After Midnight“ spielt geschickt mit den konventionellen Erwartungen an einen Horrorstreifen, die Gardner immer wieder genüsslich unterläuft.

    So bekommen wir das Monster, das Hank jeden Abend heimsucht, trotz knurrender Laute lange Zeit nicht zu Gesicht (so weit, so normal). Aber weil das Leben ja auch in den anderen Stunden des Tages, in denen sich Hank nicht mit seiner Schrotflinte hinter der Haustür verbarrikadiert, weitergehen muss, entwickelt sich „After Midnight“ abseits der Monster-Einschübe alsbald immer mehr zu einer ebenso kurzweiligen wie berührenden Tragikomödie.

    Spaß mit Rednecks

    So verbringt Hank viel Zeit mit seinem freakigen Kumpel Wade (Henry Zebrowski), der in der Stammkneipe schon mal mit den in der Antirutschmatte gesammelten Alkoholresten anstößt oder beim gemeinsamen nachmittäglichen Jagdstreifzug im nahegelegenen Sumpf absurd über die mögliche Herkunft des Monsters (offensichtlich eine Alienverschwörung!) herumfantasiert. Während in diesen skurrilen Momenten eine ordentliche Portion dumpfer (Hinterwäldler-)Humor mitschwingt, erinnert sich der psychisch immer weiter verwahrlosende Hank immer wieder traurig an die schönsten Momente der Zweisamkeit mit seiner verschwundenen Freundin. Diese hell ausgeleuchteten Rückblenden machen zwar den Schmerz des Protagonisten spürbar, schrammen dabei aber immer wieder auch nah am Kitsch vorbei – das sind spannende Kontrapunkte für das Horror-Szenario, bremsen aber auch den Erzählfluss der ungewöhnlichen Monster-Mär ein Stück weit aus.

    Achtung: Der folgende Absatz enthält Spoiler für eine Entwicklung in der Mitte von „After Midnight“ (= nicht der eigentliche Twist)

    Und sowieso: Die Flashbacks sind eben notwendig zur Vorbereitung einer bewegenden, 13 Minuten (!) langen Einstellung ohne Schnitt am Ende des zweiten Filmdrittels, in der die zurückgekehrte Abby dem fassungslosen Hank erzählt, warum sie ihn verlassen hat. Auch wenn die Dialogzeilen der selbstbewusst agierenden Brea Grant (die Forensikerin aus der sechsten Staffel von „Dexter“) zuweilen etwas trivial wirken, erreicht „After Midnight“ in dieser Passage nach allen Ausflügen in die Genres Monster-Horror und Buddy-Comedy plötzlich eine quälende-emotionale Intensität:

    Gardner scheint sämtliches Interesse an seinem Creature Feature aufgegeben zu haben. Aber damit wiegt er sein Publikum nur in Sicherheit – um es schließlich mit einer Wendung zu verstören, die sich gewaschen hat. Dieser Schockeffekt, den wirklich kaum jemand kommen sehen wird, wirkt zwar zunächst aufgesetzt, offenbart sich aber bei näherer Betrachtung als nur allzu logischer (metaphorisch aufgeladener) Schlusspunkt dieser Parabel um den im Spätkapitalismus verlorengegangenen männlichen Jagdinstinkt.

    Fazit: Jeremy Gardner lässt bei seinem überraschenden Horror-Drama „After Midnight – Die Liebe ist ein Monster“ konsequent alle Erwartungen ins Leere laufen. Wer sich auf das mutige Genre-Experiment mit einem Hauch Gesellschaftskritik einlässt, wird am Film (und vor allem am Twist) sicherlich seine Freude haben.

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