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    Halloween Ends
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Halloween Ends

    Ein würdiges Finale – wenn auch ganz anders als erwartet!

    Von Hardy Zaubitzer

    Das „Halloween“-Comeback von 2018 verstand sich als direkte Fortsetzung zu John Carpenters Horror-Meilenstein „Halloween – Die Nacht des Grauens“ von 1978. Damit wurde zugleich auch eine inhaltliche Wendung der ursprünglichen Fortsetzung „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“, die den Mythos Michael Myers damals grundlegend beschädigte, nachträglich wieder aus dem Kanon gestrichen: Laurie und Michael sind in der Reboot-Trilogie keine Geschwister mehr! Die Verantwortlichen um Regisseur David Gordon Green haben einfach verstanden, dass der Mann mit der Maske im unerreichten Original gerade deshalb eine solche unwiderstehliche Faszination auslöste, weil er bis zum Schluss eine ungreifbare und unerklärte Manifestation des Bösen bleibt.

    Aber ganz so radikal, wie es auf den ersten Blick scheint, wendet sich die neue „Halloween“-Trilogie doch nicht von den früheren Sequels ab. Ganz im Gegenteil wird sogar mit gewissen Elementen aus den nun aus dem Kanon gestrichenen Fortsetzung gespielt: Am deutlichsten wird das bei „Halloween Kills“, der die Idee des metaphorische Mistgabeln schwingenden Mobs aus „Halloween II“ übernimmt und der Vigilant*innen-Gruppe, die es eigenhändig mit Michael Myers aufnehmen will und im 1981er-Film kaum mehr als eine Randnotiz war, erstaunlich viel Platz einräumt. In „Halloween Kills“ führte dieses Variieren früherer Themen zwar nur zu eher flacher Gesellschaftskritik – aber im Fall von „Halloween Ends“, wo der gemeinsam mit Chris Bernier auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnende Green erneut etwas ähnliches versucht, reicht es nun zu einer grandios-unterhaltsamen Mischung aus absurden Ideen und frischen Ansätzen.

    Evil never dies: Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) und Michael Myers treffen ein weiteres Mal aufeiander.

    Im Gegensatz zu „Halloween Kills“, der direkt an die Geschehnisse aus seinem Vorgänger anknüpfte, fühlt sich das große Finale mit gleich zwei Zeitsprüngen direkt zu Beginn fast schon an wie eine Folge des „Game Of Thrones“-Prequels „House Of The Dragon“: Der Prolog spielt genau ein Jahr nach „Halloween Kills“ - und dann springen wir sogar direkt noch einmal drei Jahre in die Zukunft. Wie in jeder Slasher-Reihe, die sich irgendwann weg vom guten Geschmack orientiert, darf eine zusammenfassende Montage der vorangegangenen Ereignisse im Sinne eines „Was zuletzt geschah“ natürlich auch nicht fehlen. „Freitag der 13.“ lässt grüßen. Der mittlerweile deutlich von seinen Eskapaden gezeichnete Mann mit der Maske hat sich wie Pennywise in den Abfluss zurückgezogen und ist zum Symbol des Schreckens geworden.

    Der Mythos des Bösen hallt weiterhin in den Bewohnern der Stadt nach, die nicht vergessen wollen oder können. Es wird immer noch ein Sündenbock gesucht und der Frust hat sich tief in die Menschen hineingefressen. Unter dieser grundsätzlichen Feindseligkeit leidet auch Corey (Rohan Campbell), den die Tragödie aus dem Prolog verfolgt wie Michael Myers einst Laurie Strode. Laurie (Jamie Lee Curtis) versucht hingegen, auf gesunde Weise mit ihrem Trauma umzugehen und schreibt unter einem schmalzigen Voice-Over floskelhafte Selbsthilfesprüche in ihr Buch-Manuskript, mit dem sie endlich alles verarbeiten will. Gleichzeitig versucht sie ihrer ebenfalls traumatisierten Enkelin Allyson (Andi Matichak) als coole Oma mit Dating-Tipps zur Seite zu stehen…

    Die letzten Jedi des Slasher-Genres

    Allein Jamie Lee Curtis' Charisma rettet solche Szenen und ihr Spaß am Spiel hilft dabei, das ganze einzuordnen. Solche schablonenhaften Charakterzeichnungen nutzt der Film genauso wie die klischeehaften Figurenkonstellationen, um anschließend mit vollem Anlauf aus ihnen ausbrechen zu können. Regisseur Green nutzt seine Freiheiten und lotet die erzählerischen Grenzen konsequent aus – in gewisser Hinsicht könnte man „Halloween Ends“, der teils eher als Verarbeitungs-Drama denn als Gore-Fest daherkommt, fast als „Die letzten Jedi“ der „Halloween“-Reihe bezeichnen, wobei es Green jedoch deutlich besser als Rian Johnson gelingt, den Drahtseilakt zwischen dem Begehen neuer Wege und dem Erhalt von Kernprinzipien zu meistern.

    Nachdem „Halloween Kills“ noch einmal zur bluttriefenden Michael-Myers-Show wurde, wird dieser in seinem eigenen Finale nun fast an den Rand gedrängt, um Platz für andere Figuren zu machen. Die große Stärke besteht darin, den Urkonflikt in den neuen Charakteren zu spiegeln und dem Ganzen dadurch neue Facetten abzugewinnen: Das Verhältnis von Allyson und Corey ähnelt zunehmend dem von Laurie und Michael, obwohl das eine ein Liebespaar und das andere Totfeinde sind. Auch die reduzierten Szenen, die der Blaumann tragende Meuchler hier bekommt, zeichnen das Bild eines Killers, der weitergedacht wurde als nur bis zum Ende der Mordnacht.

    Zwei geschädigte Seelen: Zwischen Lauries Enkelin Allyson (Andi Matichak) und dem schwarzen Schaf von Haddonfield Corey (Rohan Campbell) knistert es.

    Michael Myers wirkt alt und gebrechlich, seine Maske ist vom Feuer gezeichnet und er sieht fast einsam aus in seinem Versteck. Ein Killer, der nicht töten kann, ist sinnlos. So hat er sich wie einen kaputten Besen in der hintersten Kellerecke abgestellt. Rob Zombie konnte solch eine Verletzlichkeit in seinem „Halloween“-Remake von 2007 nur andeuten, indem er die Figur von Kindesbeinen an psychologisch zu erklären versuchte. John Carpenter gelang es meisterhaft ganz ohne Worte in den einzigen zwei Momenten im allerersten „Halloween“, in denen Michael unvermummt zu sehen ist – einmal als Kind und einmal später, wenn ihm von Laurie die Maske heruntergerissen wird. David Gordon Green schafft nun erstmals eine solche tiefergehende Ergründung, ohne dass dafür die Masken fallen müssen.

    Gerade auch im Finale beweist er ein sicheres Gespür für das Vermächtnis eines der ikonischsten Killer der Filmgeschichte! Nachdem sich „Halloween Ends“ zuvor komplett dem Spaß einer ungezügelten Slasher-Fete hingegeben hat, findet er im großen Höhepunkt zu einer unerwarteten Intimität, die einem Finale der „Halloween“-Reihe absolut würdig ist. „Halloween Ends“ ist konsequent im Abgang und schafft es dabei zugleich, den Mythos Michael Myers nicht nur am Leben zu halten, sondern ihm sogar noch etwas hinzuzufügen. In diesem Sinne erweitert auch Laurie den Slogan der Halloween-Reihe „Das Böse stirbt nie“ um ein „Es wandelt seine Form“.

    Ein ultrazynischer Auftakt

    „Halloween Kills“ machte seinem Titel zumindest in Sachen Blutrünstigkeit alle Ehre und servierte Michael Myers ein 7-Gänge-Menü an Opfern, das sogar dessen Urvater John Carpenter aus der Fassung brachte: „Ich hab' so etwas noch nie gesehen – der Kill-Count!“, kommentierte der Altmeister damals. „Halloween Ends“ geht da im direkten Vergleich zwar ein wenig vom Gas, weiß seine Gewaltspitzen dafür aber überaus wirkungsvoll einzusetzen. Zwei Momente ragen dabei besonders heraus: Wie hier später eine Radioshow (vorzeitig) beendet wird, unterstreicht die neue Tonart der Trilogie: Die Mordszene erinnert an die Kreativität eines Jason Vorhees in dessen späteren Auftritten und zelebriert so den puren Spaß am Gore. Im krassen Kontrast dazu steht der Prolog, dessen ungebremster Zynismus einfach mal direkt zum Auftakt alle bisherigen Gräueltaten in den Schatten stellt.

    Noch davor reihen sich einmal alle Kürbisse der vergangenen „Halloween“-Filme im ikonischen Intro hintereinander auf und schweben über die schwarze Leinwand. So muss sich ein Finale anfühlen!

    Fazit: Nach einer gelungenen Wiederauferstehung mit „Halloween“ und dem brutalen Brückenfilm „Halloween Kills“ liefert „Halloween Ends“ nun eine unterhaltsam-schizophrene Mischung aus Absurditäten und Innovationen, die von einem grandiosen Prolog und einem würdigen Ende gerahmt wird. Gerade die wunderbar debil-kreativen Entscheidungen zum Ende hin bringen noch mal viel frischen Wind in die Reihe, werden vielen Zuschauer*innen aber im selben Moment auch mit Anlauf vor den Kopf stoßen. Spalten wird dieses konsequente Trilogie-Finale sein Publikum auf jeden Fall!

     

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