Dieser Film zeigt Mario Barth, wie’s richtig geht
Von Christoph PetersenIn seiner 1991 uraufgeführten Stand-Up-Show „Caveman“ verfolgt der US-Comedian Rob Becker die Verständigungsprobleme zwischen Mann und Frau bis in die Steinzeit zurück: Die Höhlenmänner waren Jäger, die Höhlenfrauen waren Sammlerinnen – und deshalb klappt das mit der Kommunikation zwischen den Geschlechtern bis heute nicht. In New York schlug das Stück dermaßen ein, dass es noch immer den Rekord für das am längsten durchgängig am Broadway aufgeführte Solo-Programm hält. Weltweit haben es inzwischen gar mehr als acht Millionen Besucher*innen gesehen. Besonders erfolgreich war „Caveman“ neben den USA auch hierzulande (ab 2000 zunächst mit Kristian Baader unter der Regie von Esther Schweins, die nun auch in der Verfilmung für einen Cameo vorbeischaut).
Wenn man dann noch bedenkt, dass Deutschland eben das Beziehungs-Komödien-Land Nr. 1 ist, dann ist es gar nicht weiter verwunderlich, dass der Bühnen-Megahit nun nicht etwa in Hollywood, sondern von „Mängelexemplar“-Regisseurin Laura Lackman in einem typisch deutschen Dreifachhausdrittel verfilmt wurde. Da mögen jetzt angesichts der gängigen Klischees über das deutsche Kino bei manch einem die Alarmglocken läuten, aber wenn man schon auf der großen Leinwand noch immer auf der ganzen Mann-Frau-Chose herumreiten muss, dann doch bitte so! Daran haben übrigens nicht nur die Geschlechter-Beobachtungen von Rob Becker, sondern ganz maßgeblich auch die hervorragend aufgelegten Cast-Mitglieder von „Caveman“ einen gehörigen Anteil.
Ob Claudia und Bobby wirklich zusammenpassen, muss jeder nach dem Anschauen von „Caveman“ selbst entscheiden. Aber Laura Tonke und Moritz Bleibtreu sind vor der Kamera auf jeden Fall ein Traumpaar.
Bobby (Moritz Bleibtreu) hat zwar als Kind mal einen Wettbewerb im Witzeerzählen gewonnen, ist dann aber doch Autoverkäufer geworden. Nun steht er zum ersten Mal in seinem Leben bei einem Open-Mike-Abend auf der Bühne eines Comedy-Clubs und starrt auf den leeren Platz in der ersten Reihe. Dort sollte nämlich eigentlich seine Frau Claudia (Laura Tonke) sitzen, aber die hat sich nach einem heftigen Streit erst wenige Minuten zuvor von ihm getrennt.
Also wirft Bobby sein geplantes Programm mit Mammut-Wortwitzen („Wie nennt man ein weißes Mammut? Hellmut!“) kurzerhand über Bord und sinniert stattdessen darüber, wie es in seiner doch eigentlich so tollen Ehe nur so weit kommen konnte. Seine Erklärung: Die Steinzeitmenschen sind an allem schuld! Aufgrund ihrer Jäger-und-Sammler-Kultur sind bis heute noch immer ganz viele Instinkte in uns angelegt, die speziell Männer in der heutigen Gesellschaft kaum noch ausleben können – und mit den Vorstellungen moderner Frauen ganz und gar nicht vereinbar sind…
Wer da jetzt direkt an den Frau-Deutsch/Deutsch-Frau-Humor von Mario Barth denken muss, liegt zumindest thematisch nicht völlig falsch. Aber selbst wenn sicher niemand auf die Idee kommen würde, die Geschlechter-Gags von „Caveman“ als anspruchsvoll zu bezeichnen, offenbaren sie doch ein Maß an Doppelbödigkeit und Selbstironie, mit dem sie jeden „Kennste, kennste?“-Joke meilenweit hinter sich lassen. Zumal Moritz Bleibtreu („Lommbock“) und Laura Tonke („Hedi Schneider steckt fest“) nicht nur mit einem treffsicheren komödiantischen Timing punkten, sondern ihre Figuren trotz des etwas schematischen Abarbeitens an den verschiedenen Steinzeiteinflüssen auf heutige Beziehungen als authentische Menschen aus Fleisch und Blut anlegen. Gerade in einer solchen episodenhaften Komödie wie „Caveman“ ist das absolut keine Selbstverständlichkeit …
… sorgt aber dafür, dass man dem Paar selbst nach all seinen Aussetzern im Finale tatsächlich noch immer die Daumen drückt (während man ja zugegebenermaßen den allermeisten RomCom-Held*innen im realen Leben eher empfehlen würde, möglichst schnell das Weite zu suchen). Viele der Pointen sind dabei auch nicht platt-gehässig wie Barth, sondern offenbaren gerade im Zusammenspiel von Bleibtreu und Tonke eine eher sympathisch-versöhnliche Note. Nur sonderlich frisch sind die Gags zugegebenermaßen nicht.
Wotan Wilke Möhring entpuppt sich als MVP unter den Nebendarsteller*innen – selbst wenn wir auf die hüftsteifen „Matrix“-Anspielungen bei der Schneeballschlacht lieber verzichtet hätten.
Es gibt zwar ein paar sehr verhaltene Modernisierungen wie das nicht-binäre Kind von Claudias bester Freundin Nike (Martina Hill) oder eine Cunnilingus-App, mit der man(n) das Zungenspiel üben kann und Extrapunkte für erfolgreiche Orgasmen bekommt. Aber zu 95 Prozent hätte man „Caveman“ genau so auch schon vor mehr als 20 Jahren drehen können, als das Theaterstück nach Deutschland gekommen ist. Dazu passen auch die „Matrix“-Anspielungen während einer Schneeballschlacht, wobei es in „Caveman“ nicht einmal für den Einsatz der Bullet-Time-Technologie (oder entsprechender CGI-Tricks) gereicht hat, was das müde Zitat endgültig ad absurdum führt. Aber das ist zum Glück ein seltener Aussetzer, denn ansonsten hält Laura Lackmann das Tempo mit ihrer spritzigen Inszenierung angenehm hoch.
Und wenn die episodische Struktur sich doch einmal abzunutzen droht, dann packt die auch selbst für das Drehbuch verantwortliche Regisseurin einfach eine ihrer beiden Geheimwaffen aus: Zum einen stiehlt Wotan Wilke Möhring („Manta Manta - Zwoter Teil“) als Bauchtasche-tragender App-Erfinder wirklich jede Szene, in der er auftaucht – und zwar mit einem Mix aus himmelschreiender Karikatur und bodenständigen Gefühlen, aufgepeppt mit grandios-trockenen Onelinern, wie wir es so seit den Auftritten von Rhys Ifans als Spike in „Notting Hill“ nicht mehr erlebt haben. Und zum anderen sorgt Moritz Bleibtreus unfreiwillige Hipster-Frisur im letzten Drittel des Films schon automatisch dafür, dass viele Szenen lustig sind, bevor auch nur irgendjemand den Mund aufgemacht hat.
Fazit: Ja, viele der Pointen sind nicht mehr ganz taufrisch – und trotzdem sind sie (noch immer) so viel besser als das Allermeiste, was in den 30 Jahren seit der Bühnen-Premiere von „Caveman“ sonst so im Mann/Frau-Humorfach auf uns eingeprasselt ist. Dazu kommen ein fantastisch aufgelegtes Ensemble mit einem herausragenden Wotan Wilke Möhring sowie die souverän-beschwingte Regie von Laura Lackman. Wo man bei Mario Barth zum Lachen tatsächlich lieber ins Souterrain gehen sollte, kann man es bei „Caveman“ ganz ohne schlechtes Gewissen im Kino tun – Anlass dazu gibt es reichlich.