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    Schweigend steht der Wald
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Schweigend steht der Wald

    Tatort: Gruselwald

    Von Janick Nolting

    Mit Ekel und Düsternis beginnt dieser Film. Ein Knäuel aus Regenwürmern wühlt sich glitschig durch den dunklen Waldboden, der im Verlauf des Krimis von Saralisa Volm noch Finsteres zu Tage fördern wird. Mit ihrem ersten langen Spielfilm als Regisseurin hat die studierte Kunsthistorikerin einen Roman von Wolfram Fleischhauer verfilmt, der Autor selbst hat dabei das Drehbuch verfasst. „Schweigend steht der Wald” zeigt die Oberpfalz als schauriges Totenreich, in der die Vergangenheit nicht ruhen will und auch nicht ruhen darf.

    Vor 20 Jahren ist der Vater von Anja (Henriette Confurius) spurlos im Wald verschwunden. 1999 kehrt sie nun als Forstpraktikantin in das Gehölz zurück. Plötzlich beschleicht sie der Verdacht, dass womöglich ein psychisch kranker Mann namens Xaver (Christoph Jungmann) ihren Vater damals ermordet haben könnte, nachdem dieser jüngst eine (weitere) Bluttat verübt hat. Schon bald werden die Geschehnisse in der Region immer mysteriöser und die ansässige Bevölkerung scheint auch irgendetwas zu verbergen…

    Anja (Henriette Confurius) begibt sich als Fortpraktikantin auf Spurensuche.

    Saralisa Volm macht gewissermaßen dort weiter, wo Bettina Oberli 2009 bei ihrer Romanverfilmung „Tannöd“ aufgehört hat: Einmal mehr geht es um die Abgründe unter der heilen bayerischen Provinz-Fassade, um grausame Verbrechen in der Abgeschiedenheit, gehüllt in allerhand Grusel-Atmosphäre. In diesem Punkt besticht „Schweigend steht der Wald” durchaus, weil es der Regisseurin gelingt, den Pfad zwischen Drama, Krimi, Psychothriller und Horrorfilm entlangzuwandern, ohne jemals gänzlich in die eine oder andere Richtung zu kippen.

    Eine grausige Welt

    Eindrucksvoll muffig und stickig sind die Räume geraten, in denen Volm die Geschichte spielen lässt. Im angrenzenden Horrorwald wabert gespenstisch der Nebel. Nichts daran erscheint idyllisch, ein trostloser Kosmos ist das, in dem „Schweigend steht der Wald“ stattfindet und den die Regisseurin stimmungsvoll in Szene zu setzen weiß.

    Tiere werden getötet und zerlegt, umgekehrt geht es auch den Menschen an den Kragen. Protagonistin Anja verletzt sich während eines Jagdunfalls, ihre klaffende Wunde am Bein muss sie sporadisch zusammentackern. Die metaphorische gesellschaftliche Wunde, um die „Schweigend steht der Wald” kreist, ist nicht nur auf dem Filmplakat zu sehen, sie findet auch ihre blutig expliziten Großaufnahmen.

    Bei der Suche nach ihrem verschwundenen Vater stößt Anja auf spürbaren Widerstand von der ansässigen Bevölkerung.

    Spätestens dann, wenn eine der Figuren vom „ewigen Suhlen in der Schuld” klagt, ist durchschaut, in welche thematische Richtung das Rätselraten dabei vorstoßen will. „Schweigend steht der Wald” befasst sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus, die weiterhin ihre Spuren hinterlassen. Volm hat damit ein düsteres Plädoyer für Erinnerungskultur geschaffen.

    Es erscheint durchaus originell, wie ihre Annäherung an diese Thematik funktioniert. Während die Bevölkerung Stillschweigen bewahrt, verdrängen will, puzzelt sich die Hauptfigur über die verräterischen Zeichen und Fährten der Natur und speziell der Vegetation die Vergangenheit zusammen. Trotz aller Bemühungen hinterlässt „Schweigend steht der Wald” aber auch einen faden Beigeschmack.

    Sehnsucht nach deutschem Genrekino

    Saralisa Volms Debüt erinnert noch viel zu oft an die hölzerne Dramaturgie unzähliger Fernsehproduktionen der Krimi-Nation Deutschland. Ja, man traut sich hier, eine Spur grausamer, eine Spur schauriger vorzugehen, als man es etwa vom Sonntagabend-”Tatort” gewohnt ist. Aber ausgefeilter mutet die Erzählweise und Inszenierung dadurch selten an.

    Immer wieder ist eine Sehnsucht zu vernehmen, das deutsche Kino möge doch mehr Mut zum Genrekino, zum Absonderlichen, Gewagten beweisen. „Schweigend steht der Wald“ geht in eine solche Richtung und bedient leider doch zugleich das Klischee, dass derartiges Kino vor allem dann möglich wird, wenn es mit der obligatorischen Moral und einer besonderen gesellschaftspolitischen Relevanz daherkommt, die man mit großer Geste ausstellt, anstatt auf den Subtext zu vertrauen.

    Aus dem Gruselwald gibt es so leicht kein entkommen - zumindest nicht im Dunkel des Kinosaals.

    „Schweigend steht der Wald” weiß bei dem Ernst seiner Thematik, dass man ihr nicht einfach mit einer klassischen Krimi-Struktur begegnen kann. Dennoch präsentiert er seinen gedanklichen Kern wie die müde Auflösung eines weiteren Whodunit-Falls, während die anfängliche Spannungskurve längst in alle Richtungen entglitten ist.

    Saralisa Volm setzt sich damit zwischen alle Stühle. Das kann man als gewagt wertschätzen, will aber nicht so recht funktionieren. Als Kriminalfilm oder Thriller nimmt ihr Film selten an Fahrt auf. Ihre Hinweise und Rätsel bergen keine größeren Wendungen oder Verzweigungen. Zwischen Exposition und Auflösung schleppen sich die übrigen Akte durch allerlei erzählerischen Leerlauf.

    “Hänsel und Gretel” neu gedacht

    Als ernsthafte Auseinandersetzung mit kollektiver Schuld und Erinnerung erscheint das alles ebenfalls zu bemüht, zu simpel gestrickt. Sie krankt daran, dass das finale, belehrende Exempel seine Figuren zu ersticken droht. Das Drehbuch von Wolfram Fleischhauer schenkt ihnen wenig Raum zum Leben. Ihre Lebensumstände, Denkweisen und Entwicklungen bleiben bruchstückhaft, einseitig und müssen sich vor allem der größeren Moral fügen. Zumal das alles etwas absonderlich zusammengeführt wird.

    Henriette Confurius darf eine interessante, aber auch abenteuerlich herbeikonstruierte Interpretation von „Hänsel und Gretel“ aufsagen, ihre Figur macht ihrem Nachnamen Grimm also alle Ehre. Wie eine Standpauke wird das dargeboten, als hätte man die Abgründigkeit des Stoffes nicht längst verstanden. Immerhin: Die Radikalität, mit der Saralisa Volms Film endet, ist bemerkenswert. So kompromisslos sie alle Handlungsstränge abschneidet, so konsequent strebt „Schweigend steht der Wald“ damit zum Unabgeschlossenen. Den Weg aus dem Horrorwald kann man nur außerhalb des Kinosaals finden.

    Fazit: Saralisa Volms Langfilmdebüt besticht mit schauriger Atmosphäre und ambitionierter Annäherung an die Traumata des 20. Jahrhunderts. „Schweigend steht der Wald” mutet dabei aber zu sehr wie ein schnell durchschauter TV-Krimi an, dem die Balance aus Genrekino und politischem Mahnmal nicht so recht gelingen will.

    Wir haben „Schweigend steht der Wald“ im Rahmen der Berlinale 2022 gesehen, wo er in der Sektion Perspektive Deutsches Kino gezeigt wurde.

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