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    Eine Fliege kommt selten allein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Eine Fliege kommt selten allein

    Der mit der Riesenfliege

    Von Christoph Petersen

    Im Ringen um die absurdesten Filmideen konkurriert der französische Auteur Quentin Dupieux („Wrong“, „Reality“) schon seit Jahren praktisch nur noch mit sich selbst: In seinem zweiten Langfilm „Rubber“ von 2010 geht es um einen telekinetisch begabten Autoreifen, der einsam durch die Wüste rollt und seine Kräfte dazu nutzt, reihenweise Menschen auf blutigste Weise den Garaus zu machen. Im letztjährigen „Monsieur Killerstyle“ wiederum ist Oscargewinner Jean Dujardin so sehr in seine neue Hirschlederjacke vernarrt, dass er in seinem modisch bedingten Wahn in eine kaum minder absurde Mordserie hineinschlittert…

    Dupieux` neuester Streich, benannt nach den Kauwerkzeugen von Insekten, erweist sich nun als konsequente Weiterentwicklung des bisherigen Schaffens des Regisseurs, der vor seiner Kino-Karriere bereits als Musiker Mr. Oizo mit dem „Flat Beat“ und der Kult-Puppe Flat Eric Welterfolge feierte: „Eine Fliege kommt selten allein“ handelt von zwei nicht sonderlich hellen, der Kriminalität nicht abgeneigten Kumpels, die im Kofferraum eines gestohlenen Mercedes auf eine Fliege in der Größe eines kleinen Hundes stoßen. Aber das eigentlich Groteske ist dabei gar nicht mal das Riesenviech selbst – sondern vielmehr das fast schon unverschämte Understatement, mit dem Dupieux seine Wahnsinns-Pointen hier präsentiert.

    Was macht man, wenn man plötzlich eine Riesenfliege findet? Man bildet sie - selbstverständlich! - zur summenden Bankräuberin aus!

    Jean-Gab (David Marsais) und Manu (Grégoire Ludig) sollen 500 Euro dafür bekommen, einen Koffer abzuholen und auszuliefern – und zwar ohne Fragen über den Inhalt zu stellen. Aber bevor es überhaupt dazu kommt, finden die beiden im Kofferraum des Wagens, den Manu extra für den Auftrag gestohlen hat, eine überdimensionierte Fliege. Damit ändert sich augenblicklich auch ihr Plan: Statt des Transportdeals wollen sie ihr neues Haustier so abrichten, dass es für sie in Banken fliegt und mit viel Geld zu ihnen zurückkehrt.

    Allerdings braucht es dazu erst mal einen Ort, an dem die auf den Namen Dominique getaufte Fliege trainiert werden kann – Manu ist nämlich aktuell obdachlos, während Jean-Gab noch immer bei seinen Eltern lebt. Doch das Duo hat Glück im Unglück: Nachdem sie mit einem leeren Tank liegengeblieben sind, wird Manu von der vorbeikommenden Cécile (India Hair) mit einer früheren Flamme aus Schulzeiten verwechselt. So dürfen die Kumpels die nächsten Tage in einer Villa mit Pool verbringen. Nur Céciles Freundin Agnès (Adèle Exarchopoulos), die sich seit einem Unfall nur noch schreiend ausdrücken kann, ist den beiden kleinkriminellen Fliegendompteuren auf den Fersen…

    Wer hat den Hund gefressen?

    „Eine Fliege kommt selten allein“ wird für immer „der Film mit der Riesenfliege“ bleiben. Aber Dominique, bei der sich niemand auch nur für eine Sekunde zu fragen scheint, wo so ein überdimensioniertes Insekt eigentlich herkommt, ist in dieser minimalistisch-schwarzhumorigen Gagparade nur ein Humor-Highlight unter mehreren: David Marsais („Die verrückte Reise von Max & Leon“) und Grégoire Ludig („Die Wache“) geben grandios ein grenzdebiles Gaunerduo irgendwo zwischen Beavis & Butthead und Bill & Ted; zwei irgendwie gerade noch sympathische Typen, die sich so sehr an das eigene Unglück gewöhnt haben, dass sie selbst die übelsten Rückschläge – oder eben das Auftauchen einer Riesenfliege – mit kaum noch mehr als einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen.

    Genau das Gegenteil dieses konsequenten Understatements liefert „Blau ist eine warme Farbe“-Star Adèle Exarchopoulos als dauerbrüllende Petzerin Agnès – eine im wahrsten Sinne des Wortes zum Schreien komische und politisch natürlich alles andere als korrekte Performance. Da darf man sich als Zuschauer schon auch ein ganz klein bisschen schämen, weil es einfach eine solch ungeheure Schadenfreude bereitet, was mit der Figur im weiteren Verlauf noch geschieht – sehr böse, aber eben auch sehr, sehr komisch. Auch wenn das jetzt vielleicht anders klingt: „Eine Fliege kommt selten allein“ ist trotz allem der bisher am wenigsten zynische, am besten gelaunte Film des Regisseurs. So kommt er (fast) ganz ohne diese gewisse Garstigkeit aus, die Dupieux‘ Werken bisher stets innewohnte.

    Politisch nicht korrekt und absolut brillant: Adèle Exarchopoulos als Agnès.

    Aber zurück zu Dominique, die nur in ganz wenigen Szenen aus dem Computer stammt. Stattdessen setzt Dupieux zur Freude des Zuschauers auf ein zwar simples, aber auch erstaunlich glaubhaftes, extrem niedliches animatronisches Modell. Das passt ja auch perfekt zum insgesamt minimalistischen Gestus des Films: Ja, die Riesenfliege tut Dinge, die inhärent komisch sind! Dass das Publikum sich immer wieder vor Lachen die Bäuche hält, hat aber vor allem damit zu tun, dass all die Absurditäten in der Welt von „Eine Fliege kommt selten allein“ niemanden großartig zu interessieren scheinen. Dupieux stellt seine Pointen nicht aus, sondern tut im Gegenteil fast so, als gäbe es gar keine – und gerade das verleiht dem Film seine ganz spezielle Würze.

    Fazit: „Eine Fliege kommt selten allein“ ist ein saulustiger Tanz zwischen himmelschreiender Absurdität und fast schon unanständigem Understatement. Ein echter Dupieux eben.

    Wir haben „Eine Fliege kommt selten allein“ auf dem Fantasy Filmfest gesehen.

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