Low Fidelity
Von Karin JirsakDass Romantische Komödien über Musiknerds durchaus funktionieren können, wissen wir spätestens seit dem großartigen „High Fidelity“ (2000). Was es dafür braucht, sind spleenige Charaktere, witzige Dialoge und – natürlich – gute Musik. Spoiler: „The High Note“ von Regisseurin Nisha Ganatra hat leider nichts davon zu bieten. Und auch das sei ungestraft verraten: Mit einem solch unausgegorenen Mix aus Aschenputtel-Märchen und keimfreier Lovestory wird es Hauptdarstellerin Dakota Johnson kaum gelingen, sich aus den Grauschatten der Vergangenheit als „Fifty Shades“-Gespielin Anastasia Steele herauszuspielen.
Als persönliche Assistentin der exzentrischen Souldiva Grace Davis (Diana Ross‘ Tochter Tracee Ellis Ross) fristet die junge Maggie (Dakota Johnson) ein Schattendasein in der Glitzerwelt von Los Angeles. Obwohl sie über viel musikalisches Wissen und einen guten Instinkt verfügt, wird Maggie von ihrer kapriziösen Chefin und dem Produzenten Jack Robertson (Ice Cube) nur herumgeschubst. Als sich herausstellt, dass Robertson für Grace nicht immer die besten Entscheidungen trifft, rückt Maggies großer Traum von der Produzentinnen-Karriere endlich in greifbare Nähe. Und mit dem ebenso begabten wie schüchternen Singer-Songwriter David (Kelvin Harrison Jr.) tritt noch eine zweite interessante Zukunftsaussicht in Maggies Leben...
Zunächst trägt Maggie (Dakota Johnson) ihrer Chefin vor allem die Flaschen hinterher.
Sterile Settings, seifige Darsteller, langatmige Dialoge, die den lange Zeit kaum erkennbaren Plot nicht voranbringen – man wähle eine beliebige Szene aus „The High Not“ und man könnte sich auch in der Hochglanz-Welt von „Fifty Shades Of Grey“ wähnen, nur eben ohne die trashige Softerotik. Dakota Johnson sieht hier nicht nur sehr ähnlich aus wie in ihrer Durchbruchs-Rolle der BDSM-Elevin Anastasia Steele, sie agiert auch genauso mausig und unterwürfig, obwohl Maggie doch – wie uns gebetsmühlenartig mitgeteilt wird – eigentlich ziemlich viel draufhat. Nur mit dem Durchsetzungsvermögen hapert es, was allerdings auch den äußeren Umständen zu verdanken ist.
Denn für eine bescheidene junge Frau, so lernen wir in dieser konsequent-didaktischen Aufstellung, ist es gar nicht so einfach, sich in der Männerdomäne Musikbusiness zu behaupten – wer hätte das gedacht? Statt diesen Zustand angemessen anzuprangern, erzählt Nisha Ganatra, die schon in „Late Night“ ähnlich zahm-emanzipatorische Töne anschlug, ein pseudo-modernes Aschenputtel-Märchen und käut dabei auch den guten alten Mythos des American Dream wieder: Wenn du nur gut genug bist und beharrlich und viel arbeitest, dann wird der Traum vom Erfolg irgendwann wahr!
In diesem naiven Szenario fehlt natürlich auch der perfekte Traumprinz nicht. Schmusesänger David lässt sich allerdings ganz schön viel Zeit mit seinem Auftritt – und elektrisierend wird es dann auch nicht: Dakota Johnson versprüht im Duett mit Kelvin Harrison Jr. (um einiges beeindruckender in „Waves“) eine ähnliche Nicht-Chemie wie mit dem Kollegen Jamie Dornan in „Fifty Shades“. Um den mangelnden Funkenflug zu kompensieren, erleben wir unter anderem einen kitschigen Anschmachtsong im Aufnahmestudio – denn Liebe geht bei Musikbegeisterten ja bekanntlich durch die Ohren. Fremdscham ist leider das einzige Gefühl, das sich in diesem und anderen unangenehm konstruiert wirkenden „magic moments“ einstellt.
Bis sich die lauwarme Lovestory endlich anzubahnen beginnt, werden wir vor allem Zeugen end- und witzloser Gespräche, die immer auch die Benachteiligung junger, begabter, weiblicher Menschen im Musikbusiness von Los Angeles verdeutlichen sollen. Nett gemeint von Regisseurin Ganatra, aber die oberflächliche und klischeehafte Darstellung wird dem Thema nicht gerecht. Statt Künstlertypen werden hier nur künstliche Typen gezeigt: Die zickige Diva, der mit Goldketten behängte Producer (Ice Cube), die abgehalfterte L.A.-Barbie, der anzügliche Studioproduzent mit Schleimfrisur, der Maggie für die heiße Praktikantin hält – sie alle haben hier ihr Sprüchlein über die (auch sexistische) Kultur des schönen Scheins abzugeben.
Maggie schmachtet den Schmusesänger David (Kelvin Harrison Jr.) zwar an - aber die Funken sprühen nicht wirklich.
Ein echtes Kalifornien-Gefühl kommt bei solchen formelhaften Arrangements auch nicht auf. Da hilft es auch nicht, wenn sich Dakota Johnson und Kelvin Harrison Jr. (im Hawaiihemd) gegenseitig sämtliche Songs, die jemals über Kalifornien geschrieben wurden, aufzählen, während in derselben Szene zusätzlich auch noch „California Here We Come“ von Phantom Planets eingespielt wird. Das wirkt dann doch schon arg verzweifelt.
Fazit: Langatmiges und witzloses Aschenputtel-Karrieremärchen im formelhaft dargestellten L.A.-Musikbusiness – garniert mit einer keimfreien Lovestory so elektrisierend wie die von Barbie und Ken.