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    Trolls 3 - Gemeinsam stark
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Trolls 3 - Gemeinsam stark

    Poptimismus rules!

    Von Sidney Schering

    Die kunterbunten, auffällig frisierten Trolls feiern direkt ein Vierfach-Comeback! 1. Nachdem „Trolls 2 – Trolls World Tour“ als eines der ersten Covid-Opfer nur als VOD zum Streamen erschienen ist, markiert „Trolls 3 – Gemeinsam stark“ nun die Rückkehr auf die große Leinwand! 2. Der dritte Teil der Animationsmusical-Reihe bietet eine kleine Popmusik-Sensation: Die Boyband *NSYNC steuert zum Soundtrack ihre erste neue Single seit mehr als 20 Jahren bei!

    3. Es gibt ein längeres Wiedersehen mit dem überdimensionierten Bergen-Volk, das im ersten Teil noch als schurkisch eingeführt wurde, sich dann aber auf die Seite der Trolls schlug und im Sequel lediglich einen „Kurz geblinzelt, schon versäumt“-Cameo spendiert bekam. 4. Der (nicht mehr ganz so) mürrische Troll Branch wird mit dem unerwarteten Auftauchen seiner (bislang verschwiegenen) Boyband-Familie konfrontiert. Das ist zum einen natürlich ein Meta-Verweis auf die *NSYNC-Vergangenheit des Originalsprechers Justin Timberlake – dient Regisseur Walt Dohrn zugleich aber auch als Anstoß für einen ebenso seichten wie temporeichen und spaßigen Road-Trip.

    Poppy hat nicht mal geahnt, dass ihr Liebster ein Mitglied ihrer Lieblings-Boyband war.

    Alle haben es kommen sehen, jetzt ist es offiziell: Poppy (Stimme im Original: Anna Kendrick, deutsche Stimme: Lena Meyer-Landrut) und Branch (Justin Timberlake / Mark Forster) sind ein Pärchen! Noch dazu heiratet Bergen-König Gristle (Christopher Mintz-Plasse) seine Bridget (Zooey Deschanel), das Liebesglück könnte also kaum größer sein! Dann aber stört Branchs Bruder John Dory (Eric André) die Feierlichkeiten und offenbart Poppy, wie wenig sie über ihren Liebsten bislang wusste: Branch bildete nämlich einst mit seinen Brüdern Poppys allerliebste Lieblings-Boyband BroZone – und ihr war das bislang völlig entgangen!

    Die Truppe löste sich jedoch vor vielen Jahren auf, woraufhin Branch seine Brüder nicht mehr wiedergesehen hat. Nun soll er dabei helfen, die Band wieder zusammenzutrommeln, denn BroZone-Veteran Floyd (Troye Sivan) wurde von den Popstars Velvet (Amy Schumer) und Veneer (Andrew Rannells) entführt. Nur mit Hilfe ihrer restlichen Brüder Spruce (Daveed Diggs) und Clay (Kid Cudi) können John Dory und Branch verhindern, dass Floyd ein noch schlimmeres Schicksal ereilt, als auf ewig Playback singen zu müssen...

    Die kunterbunte Antwort auf die Blues Brothers

    In gewissem Maße waren schon die ersten beiden „Trolls“-Filme Road-Trips, doch erst „Trolls 3 – Gemeinsam stark“ stürzt sich nun auf die in Musik-Komödien oft genutzte, von „Blues Brothers“ perfektionierte „Wir müssen die Band wieder zusammenbringen“-Prämisse. Während dieser Reunion-Reise erstaunen vor allem die Welten, die Dohrn, sein Ko-Regisseur Tim Heitz und ihr Team erzeugt haben: Die Animations-Künstler*innen drehen noch mehr auf als in „Trolls 2 – Trolls World Tour“ und pflastern ihren Film mit schrillen, amüsanten Designs, die dank atemberaubenden, abwechslungsreichen Texturen eine durchgeknallte Augenweide darstellen.

    So hat sich einer von Branchs Brüdern in eine Welt verkrochen, in der alles wie Badespielzeug aussieht – vom schimmernden Schwimmflügelplastik über grobporigen Polyethylenschaum bis hin zu glitzernden, glibbrigen Badekugeln. Bevölkert wird dieses Reich von Wesen, die aussehen, als wären sie Muppets, die für die Verfilmung eines Dr.-Seuss-Kinderbuchs gebastelt wurden. Auf einem überdimensionalen Minigolfplatz werden hingegen Polyresin, Beton und Essensreste täuschend echt animiert und in Trolls-Manier gestalterisch aufgepeppt. Und der turbulente Schlussakt spielt in einem faszinierendem Fiebertraum zwischen Las Vegas und „Mario Kart“-Rennstrecke, dessen Oberflächen an Kautschuk, Vinyl, Lack und Perlmuttplastik angelehnt sind.

    Velvet & Veneer vereinen ein Andy-Warhol-Design mit abgrundtiefer Bösartigkeit.

    Es ist enormer visueller Abwechslungsreichtum selbst ohne die medialen Stilwechsel aus „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ oder „Der gestiefelte Kater 2: Der letzte Wunsch“ – wenngleich sich der Trolls-Trip mit eingestreuten 2D-Sequenzen im Look von „Yellow Submarine“ auch diesem Trend annähert. Die Figuren können da aber leider nicht mithalten: Branchs Brüder sind arm an Profil, was auch nur spärlich für Seitenhiebe auf Boyband-Klischees genutzt wird. Minigolfplatzherrscherin Viva (Camila Cabello) hingegen vereint zwar Poppys Quirligkeit mit der misstrauisch-ängstlichen Art, die Branch im Erstling an den Tag gelegt hat. Jedoch gerät sie trotz hochemotional behaupteter Enthüllungen zügig in den Hintergrund.

    Allein das markant Andy-Warhol-Pop-Art-Design und Bewegungsabläufe wie aus einem „Betty Boop“-Cartoon vereinende Duo Velvet & Veneer sowie seine Krepppapier-Knäul-Assistentin Crimp (Zosia Mamet) bereichern das etablierte Ensemble. Zwar beschränkt sich der Plan der bösen Pop-Größen auf ein plattes „Wir wollen perfekt sein, um Ruhm abzusahnen – egal, was es kostet!“-Komplott. Jedoch beeindrucken sie mit wilder Stilmix-Optik und feuern während ihrer selbstverliebten Schurkerei süffisant-komische Gemeinheiten ab, was Crimp wiederum mit flippigem Sarkasmus kommentiert.

    Der visuelle Einfallsreichtum der Trolls-Welten scheint nahezu unbegrenzt.

    Will man gemein sein, ist das schon auch ein wenig unfreiwillig komisch: So werden die aalglatten Popstar-Geschwister wegen ihrer mangelnden Authentizität und ihrer Abhängigkeit von fremdem Talent als böse skizziert. Warum aber ausgerechnet der oft für sein kühles Kalkül kritisierte Boyband-Sound plötzlich das Zeug haben soll, sie zu Fall zu bringen, wird weder plausibel erklärt, noch mit ironischer Absurdität kommentiert. Man ahnt wohl einfach, dass die Nostalgie für 90er- und 2000er-Jahre-Boybands inzwischen groß genug ist, um sie als Gegengift für nach Ruhm geifernde Plastik-Stars zu verstehen.

    Solche thematische Unstimmigkeiten fallen aber kaum ins Gewicht, da „Trolls 3“ als totale Popmusik-Party einfach gut reinknallt: Der rasant erzählte Bilderrausch wird von kreativ-albernem, teils überraschend frechem (aber nie vulgärem) Humor begleitet und von einem Wirbelsturm an Pop-Covern sowie energetischen Medleys befeuert. Wer genau da warum böse ist, ist Nebensache. Es geht um ansteckend gute Laune in berauschender Optik. Und darum, sämtlichen einst als Wegwerfware kritisierten Pop-Sound gebührend zu feiern - schließlich hat der längst bewiesen, dass er sehr wohl eine nennenswerte Halbwertszeit hat und man nicht einfach so „Bye Bye Bye“ zu ihm sagen kann.

    Fazit: Eine gigantische Pop-Party mit Tempo und Witz, stylischen Welten und haufenweise Pop-Hits.

     

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