Effektiver Schrecken - sogar mit angedeutetem Anspruch
Von Gaby Sikorski2018 wurde das extrem erfolgreiche „Conjuring“-Universum um einen weiteren Horrorfilm erweitert: „The Nun“. Seit fünf Jahren leben Fans der einst mit den Abenteuern der paranormalen Ermittler Ed und Lorraine Warren begonnenen Reihe nun also schon mit dem Wissen, dass die dämonische Nonne Valak (Bonnie Aarons) doch nicht besiegt wurde, sondern in den Körper des sympathischen Maurice (Jonas Bloquet) gefahren ist. Dort wartet sie seitdem nur darauf, wieder zuzuschlagen und eine Spur aus Angst, Blut und Schrecken durch Europa zu legen.
Jetzt ist es soweit: Mit „The Nun 2“ kommt ein stilistisch ambitionierter Horrorfilm in die Kinos. Regisseur Michael Chaves, der mit „Lloronas Fluch“ und „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ bereits zwei Teile des großen Horror-Franchise inszeniert hat, will sein Publikum offensichtlich nicht nur erschrecken, sondern auch auf intelligente Weise unterhalten. Mit stellenweise faszinierenden Bildern sowie einem durchdachten und interessanten Setting gelingt dies durchaus, auch wenn der angedeutete Ausbruch aus den bekannten Genre-Grenzen am Ende doch nicht ganz gelingen mag.
Schwester Irene bekommt es erneut mit Dämon Valak zu tun.
Mitte der 1950er-Jahre, irgendwo in Italien: Schwester Irene (Taissa Farmiga), die einst Dämon Valak zur Strecke gebracht hat, wird von ihrem Kardinal beauftragt, eine mysteriöse Mordserie unter Priestern und Nonnen zu untersuchen. Gemeinsam mit der Novizin Debra (Storm Reid) reist sie nach Tarascon in Frankreich, wo ein Geistlicher bei lebendigem Leibe verbrannt ist. Ihre Recherchen ergeben schnell, dass Valak wieder aktiv ist.
Irene entdeckt zudem, was der Nonnen-Dämon eigentlich sucht: die Augen der Heiligen Lucia. Denn die wertvolle alte Reliquie soll Wunder bewirken können und praktisch unbegrenzte Macht verleihen. Die Reliquie könnte sich in einem ehemaligen Kloster befinden, das heute als Internat dient. Eile ist geboten, denn der Dämon hat offenbar schon zugeschlagen.
„The Nun II“ stellt der frommen Irene eine gegensätzliche zweite Figur an die Seite. Debra steckt voller Zweifel. Sie glaubt weder an die Existenz von Wundern noch an den Teufel, Engel und Dämonen. Das wird sich bald ändern – spätestens wenn die beiden in dem Mädcheninternat ankommen, wo der aus dem Vorgänger bekannte Maurice als Hausmeister arbeitet. Merkwürdige Dinge gehen hier vor. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschwimmen im Dämmerlicht von alten, baufälligen Türmen, ungenutzten Räumen und geheimnisvollen Kellergängen. Und mittendrin die jungen Frauen, die es nicht sein lassen können, verbotene Türen zu öffnen.
Regisseur Michael Chaves erweckt diesen Schauplatz und das Frankreich der 50er-Jahre in geradezu betörenden, oft in sanften Sepia-Tönen gehaltenen Bildern zum Leben. Eine der Inspirationsquellen dafür sollen die Arbeiten des französischen Street-Photography-Altmeisters René Maltête gewesen sein. Sonnendurchflutete Landschaftsbilder, düstere Altstadtpanoramen und manchmal leicht verschwommene, wie neblig wirkende Innenaufnahmen mit einem gut durchdachten Lichtkonzept verbindet der Filmemacher mit horrortypischen Schock- und Gruselbildern. Das macht „The Nun II“ zu einem der visuell ansprechendsten Filme der „Conjuring“-Reihe. Er erzeugt eine sehr eigene, sehr intensive, neblig verhangene Atmosphäre, die in ihrer sparsamen Ausleuchtung von Licht und Schatten allein schon faszinierend wirkt.
"The Nun II" ist vor allem visuell gelungen.
Für die nächste Überraschung sorgen die Drehbuchautoren: Statt der vielleicht zu erwartenden geradlinigen Dämonenhatz mit dem Schwerpunkt auf Action und Horror bietet „The Nun II“ eine vielschichtige und komplexe Story, deren verschiedene Handlungsebenen erst gen Ende zusammengeführt werden. Uns als Zuschauer*innen bleibt es überlassen, sich einen Reim auf die Geschehnisse und Zusammenhänge zu machen. Das hat einen gewissen Reiz, bleibt aber letztlich auch Effekthascherei.
Am Ende ist das alles dann nämlich doch allzu sehr dem Horror-Genre verhaftet. Buch und Bilder behaupten einen Anspruch und erwecken eine Erwartungshaltung, welche dann doch nicht erfüllt wird. Eine angedeutete Diskussion um die Probleme der katholischen Kirche muss am Ende klar hinter den Genre-Erfordernissen zurückstehen – schließlich ist man der Mitgliedschaft im finanziell erfolgreichsten Horror-Franchise der Welt verpflichtet und will die Fans nicht enttäuschen. So wurden nach den ersten Testvorführungen des fertigen Films auch noch einmal zusätzliche Schock- und Horror-Szenen nachgedreht.
Die Gruselmomente können aber nur notdürftig übertünchen, dass die Handlung dann doch logische Löcher von beachtlichem Ausmaß aufweist und die Dusseligkeit, mit der die Protagonistinnen eine falsche Entscheidung nach der anderen treffen, nur schwer zu ertragen ist. Wie so viele Horrorfilme zuvor zelebriert „The Nun II“ dabei wieder zahlreiche Genre-Klischees und -Tropen. Da kommen weibliche Figuren natürlich nie auf die Idee, Hilfe oder gar die Polizei zu holen, sondern betreten lieber vollkommen naiv und mit unzureichender Beleuchtung stockfinstere Räume, aus denen bereits ein lautes Ächzen und Stöhnen zu hören ist.
Wer darüber hinwegsehen kann, bekommt mit „The Nun II“ einen recht unterhaltsamen Horrorfilm geboten, der inszenatorisch immer wieder auch jenseits der tollen Bilder zu überzeugen weiß. Auf der Tonspur wird geschickt das komplette Angst- und Schreckensprogramm der Filmgeräusche inklusive (beschläunigtem) Herzschlag eingesetzt. In der Tradition der „Conjuring“-Filme arbeitet Regisseur Chaves zudem mit den längst geradezu berüchtigten „Jump Scares“ – also jenen Schockeffekten, die das Publikum förmlich vor Schreck aus dem Kino-Sessel springen lassen sollen. Davon hat „The Nun II“ einige zu bieten, insbesondere beim Showdown in einem ehemaligen Kloster. Der bietet auch einige durchaus spektakuläre Special Effects und Sachschäden.
Fazit: Faszinierende Bilder, das interessante Setting und die aus dem „Conjuring“-Universum bekannten, effektiv eingesetzten Gruselszenen machen aus „The Nun II“ einen trotz inhaltlicher Schwächen gelungenen Horrorfilm.