Viel mehr Action! Aber um welchen Preis?
Von Julius VietzenIm April 2019 war „Shazam!“ eine willkommene Abwechslung in einer gefühlt endlosen Reihe von düsteren, brutalen und/oder mit CGI überladenen Superheldenfilmen. Regisseur David F. Sandberg („Lights Out“) legte ein angenehm geerdetes, ebenso berührendes wie humorvolles Abenteuer vor, das in vielerlei Hinsicht mehr an 80er-Jahre-Klassiker wie „Die Goonies“ oder „Zurück in die Zukunft“ erinnerte als an die vielen anderen aktuellen Blockbuster von Marvel und DC.
Aber während sich Sandberg und sein Team ursprünglich noch dem Superheldenwettrüsten verweigerten, tappen sie bei „Shazam! Fury Of The Gods“ nun doch in die berühmt-berüchtigte Sequel-Falle: Der zweite Teil ist größer, lauter, actionreicher und bietet wesentlich mehr CGI-Spektakel. Darunter leider jedoch streckenweise ausgerechnet jener emotionale Kern der Geschichte, dank dem sich „Shazam!“ noch so wohltuend von der Superhelden-Konkurrenz abhob. Der Blitz schlägt halt doch nicht zweimal in dieselbe Stelle ein...
Die sechs jungen Hauptfiguren von "Shazam! Fury Of The Gods"
Seit den Ereignissen von „Shazam!“ sind einige Jahre vergangen. Billy Batson (Asher Angel) und seine Pflegegeschwister leben immer noch im Haus ihrer Zieheltern Rosa (Marta Milans) und Victor (Cooper Andrews). Dank ihrer Kräfte schreiten sie gemeinsam als erwachsenes Superhelden-Team (u.a. Zachary Levi, Adam Brody, Ross Butler) zur Tat, wann immer die Menschen in ihrer Heimat Philadelphia in Not geraten. Doch so richtig harmonisch geht es in der Shazamily nicht (mehr) zu, weil sich Billy zunehmend als Kontrollfreak herausstellt und damit seine Geschwister vergrault.
Da tauchen plötzlich Hespera (Helen Mirren) und Kalypso (Lucy Liu) auf der Bildfläche auf. Die mächtigen Göttinnen und Töchter des Atlas haben den Stab des Zauberers (Djimon Hounsou), der Billy einst seine Kräfte verlieh, in die Finger bekommen. Nun drohen sie, mit der daraus resultierenden Macht die Erde zu vernichten. Währenddessen lernt Billys Ziehbruder Freddy (Jack Dylan Grazer) in der Schule die neue Schülerin Ann (Rachel Zegler) kennen, die (unerwartet) großes Interesse an ihm zeigt...
In „Shazam!“ verwendete Regisseur David F. Sandberg zunächst viel Zeit darauf, die einzelnen Mitglieder der Familie Vasquez vorzustellen. Dabei räumte er Billy und seiner tragischen Familiengeschichte (er wurde von seinen Eltern zurückgelassen) den nötigen Raum ein. Damit sorgte er nicht nur für ehrliche Emotionen und eine äußerst charmante Figurendynamik, sondern schuf zugleich auch ein äußerst stabiles Fundament für die später folgende Superheldenaction.
Eine ähnliche Grundlage fehlt in der Fortsetzung nun fast völlig. Eine kurze (Wieder-)Einführung der Figuren in ihren eigenen vier Wänden muss als Vorbereitung reichen. Dass sich Billy so sehr an seine Pflegefamilie klammert, dass es seine Beziehung zu Freddy und Co. zu zerstören droht, ist eigentlich ein wichtiges Standbein der Geschichte. Doch das wird nur zu Beginn kurz angerissen und dann erst ganz am Schluss wieder hervorgekramt. Damit verzichtet Sandberg in der Fortsetzung auf sein größtes Pfund.
Die Shazamily schreitet auf einer einstürzenden Brücke zur Tat.
Für den einstigen Kern der Geschichte haben Sandberg und seine Drehbuchautoren sogar nur noch im Vorbeigehen Zeit – und das buchstäblich: Billy will zu seiner Pflegemutter Rosa nicht „Mom“ sagen – im Gegensatz zu seinen Geschwistern. Der damit angedeutete Konflikt wird aber zugunsten einer Actionszene direkt wieder ausgeblendet. Also werden Billy und Co. direkt in das erste von noch vielen folgenden CGI-Gewittern mit nicht durchweg gelungenen Effekten geschickt: Sie müssen zahlreiche Menschen von einer einstürzenden Hängebrücke retten – und erweisen sich dabei nicht unbedingt als eingespieltes Team.
Die Actionszenen haben so eine gewisse Beliebigkeit, weil das angesprochene emotionale Fundament dahinter diesmal fehlt. So richtig will der Funke nicht überspringen, zu egal ist einem das Schicksal vieler Figuren. Was es bei „Shazam! Fury Of The Gods“ trotzdem rausreißt, ist der Spaß mit der Shazamily. Die Dynamik zwischen den Pflegekids untereinander sowie auch ihren Super-Alter-Egos sind ein weiteres Mal hervorragend.
Das ist vor allem der Verdienst der hervorragend aufgelegten Darsteller*innen der jungen und alten Versionen der Figuren. Besonders Faithe Herman („This Is Us“) und Meagan Good („Spy Girls“) stehlen als kindlich-naive, aber herzensgute Darla den anderen Mitgliedern der Shazamily ein ums andere Mal die Show. Da passt es einfach perfekt, dass Darla bei der bereits erwähnten Brücken-Rettung natürlich zuerst den Korb mit Katzenbabys und nicht die Menschen aus einem Auto rettet. Auch „Chuck“-Star Zachary Levi darf in der Titelrolle ein weiteres Mal zeigen, wie gut er einen Teenager im Körper eines erwachsenen Superhelden verkörpern kann, weil er die richtige Mischung aus durchschimmernder Verletzlichkeit, betonter Coolness und rotzigen Sprüchen einfach wie im Schlaf beherrscht.
Während Adam Brody („O.C., California“) in seinen Szenen als erwachsener Freddy noch mit viel Charme und herrlicher Arroganz glänzt, erweist sich der Ausbau der Rolle von Jack Dylan Grazer als junge Version hingegen als Eigentor. Der Fanliebling des ersten Teils bekommt gleich mehrere eigene Handlungsstränge. Grazer spielt seine auch schon aus „ES“ und „ES: Kapitel 2“ bekannte Rolle als dauerplappernder Nerd zwar solide runter. Allerdings legen ihm die Drehbuchautoren dabei einige wirklich schwache Sprüche und reihenweise unlustige Magie-Gags in den Mund. Das zehrt zwischenzeitlich ganz schön an den Nerven.
Rachel Zegler entpuppt sich als echte Bereicherung für "Shazam 2".
Sowieso treffen die Witze insgesamt deutlich seltener ins Schwarze als noch beim lustigeren ersten Teil. Es gibt zwar erneut einige gelungene Einfälle (Stichwort: Skittles), aber sehr oft wechseln sich Licht und Schatten ab: Wenn bei der bereits erwähnten Brückensequenz eine Frau ausgerechnet zu den Klängen von Bonnie Tylers „Holding Out For A Hero“ gerettet wird, will man angesichts solcher Plattheit gerade mit den Augen rollen, als mit einem augenzwinkernden Meta-Witz das Ruder doch noch herumgerissen wird. Ein Tiefpunkt ist hingegen der müde gewordene Running Gag rund um den fehlenden Superheldennamen für Shazam. Das ständige Ausprobieren von neuen Namen, dieses Mal etwa „Captain Everypower Jr.“, wirkt bei „Fury Of The Gods“ zunehmend erzwungen.
Mit erfahrenen Charakterschauspielerinnen wie Oscarpreisträgerin Helen Mirren („Die Queen“) und Lucy Liu („Elementary“) als Fieslinge kann hier wenig schieflaufen, doch mehr passiert an dieser Front dann aber auch nicht. Die beiden werfen zwar ihre Präsenz und Erfahrung überzeugend in die Waagschale, bekommen allerdings wie schon Mark Strongs Dr. Sivana im Vorgänger „Shazam!“ keine wirklich überzeugende Motivation oder Hintergrundgeschichte. Rachel Zegler erweist sich hingegen wie schon in „West Side Story“ als echte Bereicherung. Sie begeistert bei ihren zarten Flirts mit Freddy ebenso wie in den späteren Szenen, wenn sie doch noch selbst Teil der Action wird.
Fazit: Im Gegensatz zum angenehm aus dem Rahmen fallenden Vorgänger ist „Shazam! Fury Of The Gods“ ein ziemlich handelsüblicher Superhelden-Blockbuster, der zwar ordentlich unterhält, aber am Ende leider doch mehr auf CGI als auf Herz und Humor setzt.