... und täglich grüßt das Dosenbier
Von Christoph PetersenNichts gegen Bill Murray. Aber nach der (anti-)romantischen Fantasy-Komödie „Palm Springs“, die nach ihrer umjubelten Premiere auf dem Sundance Filmfestival einen saftigen Bieterwettstreit losgetreten und letztendlich sogar einen Rekordkaufpreis eingefahren hat, steht eins aber mal felsenfest: Wenn wir irgendwann in einer Zeitschleife feststecken, dann bitte gemeinsam mit Andy Samberg! Wenn nach seiner Rolle als Jake Peralta in „Brooklyn Nine-Nine“ überhaupt noch Zweifel daran bestanden haben: Niemand spielt sympathische Slacker-Typen aktuell besser als das bekannteste Mitglied der Kult-Comedy-Truppe The Lonely Island ...
... wobei Cristin Milioti, die titelgebende Mutter aus „How I Met Your Mother“, nur knapp dahinter auf dem zweiten Platz landet: Klar, sie öffnet das Dosenbier nicht ganz so lässig wie ihr Co-Star, der sich als Hawaiihemd-Hochzeitsgast Nyles die Last der Unendlichkeit jeden Tag aufs Neue schönsäuft, während er den Rest des (immer selben) Tages bevorzugt auf Luftmatratzen im Pool abhängt. Aber ansonsten ist auch sie für jeden Schabernack zu haben. Die zwei Stars sind schon mal die halbe Miete – und den Rest erledigt ein kleine, aber wahre Wunder bewirkende Änderung am klassischen „... und täglich grüßt das Murmeltier“-Konzept.
Chillen ganz wunderbar zusammen: Cristin Milioti & Andy Samberg.
Nyles (Andy Samberg) steckt fest. Aber nicht etwa in der Beziehung mit Misty (Meredith Hagner), die er zur Trauung ihrer guten Freundin Tale (Camila Mendes) begleitet. Sondern in der Zeit: Seit er eine rötlich flackernde Höhle in der Wüste betreten hat, erlebt er immer wieder denselben Tag – mit immer wieder derselben Hochzeit, zu der er schon lange keinen Anzug mehr anzieht, sondern einfach ganz bequem im Slacker-Outfit mit Hawaiihemd und Sonnenbrille erscheint.
Nach einem Ausweg aus der Zeitschleife zu suchen, hat Nyles längst aufgegeben – stattdessen hat er sich mit einer gehörigen Portion lakonischem Pragmatismus in der Unendlichkeit eingerichtet. Aber dann bändelt er eines Abends mit Sarah (Cristin Milioti) an – und durch einen schmerzhaften Zufall mit einem Pfeil, der plötzlich in Nyles Rücken einschlägt, landet die Schwester der Braut ebenfalls in der Höhle. Und im Gegensatz zu Nyles hat Sarah sehr wohl vor, irgendwie aus der Nummer wieder herauszukommen...
In den allermeisten Zeitschleifen-Filmen seit „... und täglich grüßt das Murmeltier“ durchlebt der Held allein immer und immer wieder denselben Tag. Mit dem kleinen Kniff, einfach zwei Protagonisten gemeinsam in einer solchen Zeitschleife feststecken zu lassen, erzeugen Regisseur Max Barbakow und Drehbuchautor Andy Siara („Lodge 49“) nun direkt eine ganz neue Dynamik. Und die fühlt sich sogar noch mal frischer an, weil mit Nyles ein längst abgestumpfter Immer-der-selbe-Tag-Profi auf eine Zeitschleifen-Anfängerin trifft, die erst noch für sich die fünf Phasen der Trauer durchlaufen muss, um ihre neue Situation zu akzeptieren.
Zu den ersten Ideen, die ganze Sache zu beenden, zählen natürlich die für das Genre obligatorischen Suizidversuche. Wobei die in „Palm Springs“ – wie so vieles – eben ein paar Nummern krasser ausfallen – statt eines „normalen“ Autounfalls geht es frontal in einen entgegenkommenden Sattelschlepper. Schließlich lautet der Profi-Tipp von Nyles: Nichts, was man tut, hat Konsequenzen, aber die Schmerzen sind real. Also sollte man immer sichergehen, dass das mit dem Selbstmord dann auch tatsächlich klappt, bevor man noch unnötig in der Notaufnahme vor sich hin leidet. „Palm Springs“ ist voll von dunkelschwarzen (ein Hoch auf J.K. Simmons!), zugleich aber ungemein lässig vorgetragenen Pointen ...
In einer Zeitschleife kann man ganz wunderbar Leute in den Wahnsinn treiben.
... und im Herzen trotzdem kein bisschen zynisch, sondern im Gegenteil sogar ziemlich süß: Obwohl er weiß, dass am nächsten Morgen alles wieder von vorne losgeht, ist Nyles immer daran gelegen, die Zeit für die anderen so angenehm wie möglich zu machen – und die Abmachung mit Sarah, nichts miteinander anzufangen, erscheint auch schnell (sprich: nach ein paar Tausend Durchläufen) illusorisch. Wobei man sich ja normalerweise verliebt, um einen Sinn im Leben zu finden ...
... und da ist es doch nur doppelt romantisch, wenn man sich verliebt, obwohl doch alles so offensichtlich vollkommen sinnlos ist. Trotz seiner romantischen Ader, die mit dem Auftritt historischer Riesen ihren buchstäblichen Höhepunkt findet, bleibt „Palm Springs“ aber dennoch fest in der aufgeklärten Realität des Jahres 2020 verwurzelt: Der einzige Ausweg aus der Misere ist offenbar knallharte Wissenschaft – und nicht so ein moralinsaurer Märchenquatsch wie vor 27 Jahren, als Bill Murray einfach nur ein besserer Menschen werden musste, um aus der ganzen Chose wieder rauszukommen.
Fazit: „Palm Springs“ ist ein cleverer, schwarzhumoriger, hervorragend gespielter, ungeheuer lässiger, zugleich aber auch ungemein warmherziger Crowdpleaser, der hoffnungslose Romantiker (mit Langhalsdinosauriern im Mondenschein) und überzeugte Liebesmuffel (mit 30-Tonner-Frontalcrashs) gleichermaßen begeistern dürfte.
Wir haben „Palm Springs“ auf dem Fantasy Filmfest gesehen, wo er als Eröffnungsfilm gezeigt wird.