TV-Regisseur Oliver Hirschbiegel legt mit seinem Psychodrama „Das Experiment“ einen der besten deutschen Filme der letzten Zeit vor. Ein packender Film, der sicherlich keinen Zuschauer kalt lassen wird.
Taxifahrer Tarek (Moritz Bleibtreu) wittert seine Chance, wieder als Journalist Fuß zu fassen. Auf eine Zeitungsannonce hin meldet er sich freiwillig für eine experimentelle Studie. Für 4.000 Mark pro Person sollen 20 Männer zwei Wochen unter Extremsituationen getestet werden. Die Gruppe wird in zwei Parteien aufgeteilt: Wärter und Gefangene, die in einem unterirdischen Gefängnistrakt untergebracht werden - überwacht von den Wissenschaftlern Professor Thon (Edgar Selge) und Dr. Grimm (Andrea Sawatzki). Es herrschen penible Regeln, das Wachpersonal soll für gebührende Ruhe und Ordnung sorgen - ohne allerdings Gewalt anzuwenden. Der anfängliche Spaß vergeht den Insassen schnell, als klar wird, dass die Wärter bei Nichteinhaltung der Regeln hart durchgreifen. Tarek tritt bewusst als Provokateur auf, um seine Story explosiver zu machen, merkt aber bald, dass dies ein Fehler war. Das Experiment gerät völlig außer Kontrolle...
Basierend auf dem Stanford-Experiment, dass Anfang der 70er Jahre in den USA für Aufsehen sorgte, zeigt Hirschbiegels Film wie schnell Menschen die mühsam über Jahrtausende erlernte Zivilisierung vergessen und auf niederes, primitives Niveau zurückfallen. Einige werden gar zu Bestien, die zu allem fähig sind. „Das Experiment“ ist elektrisierend, nervenzerreissend spannend, schockierend und ausgezeichnet vom gesamten Ensemble gespielt. Herausragend sind dabei die Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu, Christian Berkel als rätselhafter Zellengenosse und Justus von Dohnanyi, der sich vom Wärter Berus schleichend zum Psychopaten entwickelt. Dass „Das Experiment“ nie eintönig wirkt, verdankt es einem cleveren Kunstgriff Hirschbiegels. Tareks selbstmordgefährdete Zufallsgeliebte Dora (hypnotisch gut: Maren Eggert) treibt die Parallelhandlung außerhalb des Knasts voran - von der Chronologie abgehobene Traumsequenzen öffnen den Film und schaffen eine stimmige Balance zwischen Realität und Fantasie, in die sich Tarek und Dora in ihrer größten Not zurückziehen.
An Hirschbiegels kraftvollem, filmischen Faustschlag dürfen sich andere Filmemacher ab sofort messen. Bleibt zu hoffen, dass das Publikum mitspielt und nicht wie schon oft zuvor, meisterhaftes Kino mit Ignoranz straft.