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    Oskars Kleid
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Oskars Kleid

    Eine deutsche Komödie über ein Transmädchen? Ist doch eine gute Idee!

    Von Helena Berg

    Eine Komödie. Zu Weihnachten. Über ein Transmädchen. Mit den ersten Ankündigungen zu „Oskars Kleid”, in dem Florian David Fitz nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch selbst das Drehbuch beigesteuert hat, gingen auch im Netz die Bedenken los. Daher gleich vorab: Nein, der Kinofilm von Regisseur Hüseyin Tabak ist keine Happy-Hochglanzkomödie, welche die sensible Thematik auf die leichte Schulter nimmt und seinen Humor aus dem Umstand zieht, dass ein männlich gelesenes Kind ein Kleid trägt. Stattdessen geht Florian David Fitz in seinem Skript für eine Mainstream-Komödie erstaunlich ehrlich vor – und spielt eben nicht den strahlenden Helden, der allen zeigt, wie man so eine Situation richtig managt, sondern den Zweifler, der an der Herausforderung fast zugrunde geht.

    Denn auch bei dem geschiedenen Polizisten Ben (Florian David Fitz) sorgt das gelbe Blumenkleid nicht für Gelächter, sondern zunächst erst mal für Wut und Irritation. Für ihn ist klar: Sein Sohn Oskar, der nun Lilli genannt werden will (Laurì), zieht sich nur deshalb wie ein Mädchen an, weil ihm der Vater fehlt. Den ganzen „Genderquatsch” haben ihm seine Exfrau Mira (Marie Burchard) und ihr neuer Lover Diego (Juan Lo Sasso), bei denen Oskar gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester Erna (Ava Petsch) wohnt, Bens Meinung nach lediglich eingeredet. Als die hochschwangere Mira für einige Zeit ins Krankenhaus muss, sieht Ben seine Chance gekommen, allen zu beweisen, dass er ein guter Vater und Lilli nur eine Phase ist…

    Ben (Florian David Fitz) bedient sich fragwürdiger Hausregeln, um sein Kind zum „Mannsein“ zu erziehen.

    Schon im Vorfeld wurde unter anderem die Kritik geäußert, dass es in dem Film zu sehr um die Sicht des Vaters ginge, denn ansonsten müsste der Film ja nicht „Oskars Kleid“, sondern „Lillis Kleid” heißen. Doch genau in dieser Perspektive liegt die große Stärke des Films: Florian David Fitz spielt einen Mann, der die schlimmsten Dinge von sich gibt („In einer Schlägerei schlägt du als erstes und so fest du kannst, damit der andere bloß nicht wieder aufsteht”), aus seinem vermeintlichen Sohn einen „richtigen“ Mann machen will und dem man trotzdem sein gutes Herz ansieht. Ben balanciert auf dem schmalen Grat zwischen einem alkoholkranken Proleten und einem Baumhaus-bauenden Vater, der seinen Kindern die Sterne zeigt.

    Dieser Charakter begibt sich genauso wie seine Tochter auf eine Reise, die weh tut, aber unvermeidbar ist, um nicht kaputt zu gehen. Dabei nimmt Florian David Fitz nie zu viel Raum ein, sondern überlässt diesen stets auch seinen Mitspielenden und stellt die Geschichte, für die er ausgiebig bei Familien mit ähnlichen Erfahrungen recherchiert hat, konsequent in den Vordergrund. Als Drehbuchautor schreibt Fitz – im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen – seine eigene Rolle nicht als coolster Hund der Stadt auf den Lein, sondern ist als Darsteller angenehm ehrlich und uneitel, wenn es um die wenig vorteilhaften Seiten seiner Figur geht. Hervorragend dargestellt ist zudem das Polizeiumfeld, aus dem der Film zwar einen großen Teil seines Witzes zieht und dabei auch Themen wie toxische Männlichkeit andeutet, seine Figuren aber nie für einen schnellen Gag oder simples virtue signalling opfert.

    Lilli (Laurì) fühlt sich in der neuen Schule richtig wohl – aber Ben droht den hart erkämpften Zustand mit seinem Handeln wieder zu zerstören.

    In einigen Momenten kommt zwar das Gefühl auf, „Oskars Kleid” wolle alle aktuell verhandelten Themen regelrecht abarbeiten – Klima-Aktivismus, Polizeigewalt, Diskriminierung von Transpersonen, Überforderung an Schulen, Antisemitismus… Trotzdem übernimmt sich der Film nicht und schafft es, die Balance zwischen Drama und Komödie zu halten. Absolut großartig sind Senta Berger und Burghart Klaußner als Bens wohlhabenden Eltern, die ihm nie verziehen haben, dass er als Jude eine deutsche Uniform trägt und ihren Sohn sowie ihre Enkelkinder deshalb kaum noch zu Gesicht bekommen. Allein für diese zwei Schauspieler*innen, die selbst aus ihren vergleichsweise kleinen Rollen spannende Ambivalenzen herauskitzeln, lohnt es sich, ins Kino zu gehen.

    Gerade aufgrund seiner Vielseitigkeit - sowohl in den Themen als auch in den Tonarten – ist das Zielpublikum von „Oskars Kleid“ alterstechnisch schwierig einzuordnen. Für kleine Kinder dürften die Dialoge zu schwierig und die Handlung auch manchmal zu langsam sein. Für Eltern, welche die Entscheidung ihres Transkindes nicht akzeptieren, dürfte bereits das Plakat dazu führen, dass sie sich den Film nicht ansehen. Für Familien, die den Weg bereits gegangen sind, könnten einige von Bens Äußerungen sogar verletzend sein.

    Aber wahrscheinlich ist es gerade das größte Plus des Films, dass er sich eben nicht eine bestimmte Zielgruppe ausgesucht hat und es dieser in jedem Moment rechtmacht, und es stattdessen offenlässt, wer diesen Film gerade am meisten braucht. So steht im Abspann geschrieben: „Für alle Familien”. Für alle. Denn ja: Familie ist überfordernd und genau deshalb so schön. Oder wie Ben sich in Bezug auf Lilli immer wieder fragt: „Wie soll ich das entscheiden?“ Und schließlich die wohl einzig richtige Antwort bekommt: „Sie müssen gar nichts entscheiden, sie müssen ihr Kind nur lieben.“ Und damit schließt sich der Kreis zum Beginn dieses Artikels und zum Starttermin kurz vor Weihnachten…

    Fazit: Man merkt, dass dieser Film für Hauptdarsteller und Drehbuchautor Florian David Fitz eine unbedingte Herzensangelegenheit ist. Ohne aufgesetztes Drama oder platten Humor, aber dafür mit tollen Darsteller*innen und einer großen Ehrlichkeit, wenn es um die Darstellung der verschiedenen Perspektiven geht, erreicht „Oskars Kleid“ ein erstaunliches Maß an mitreißender Unterhaltung. Einen Film mit großer Leichtigkeit zu erzählen, heißt eben nicht, ein Thema auf die leichte Schulter zu nehmen.

     

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