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    I Still Believe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    I Still Believe

    Preiset den Herrn!

    Von Oliver Kube

    Wenn Superstars wie Eminem, Rihanna, Taylor Swift oder Metallica eine neue Single auf den Markt bringen, dann weiß das aufgrund des damit einhergehenden PR-Overkills schnell der gesamte Planet. Es gibt in den USA (und in kleinerem Rahmen auch bei uns in Europa) aber noch eine weitere Popmusik-Welt, die jenseits der uns allen geläufigen Massenmedien stattfindet. Trotzdem generieren die daran beteiligten Künstler jedes Jahr gigantische Plattenverkäufe und treten landauf landab in riesigen Hallen und auf eigenen, großen Open-Air-Festivals vor zigtausenden von Anhängern auf.

    Christliche Pop- und Rockmusik gibt es seit Ende der 1960er. Längst ist sie eine hunderte von Millionen Dollar im Jahr umsetzende Industrie, die jede Menge eigene Stars hervorbringt. Einer von ihnen ist Jeremy Camp. Der seit 2000 aktive Sänger, Gitarrist und Komponist aus Lafayette konnte bisher bereits mehr als fünf Millionen Alben an seine gläubigen Fans bringen. Basierend auf seiner Zeit im College, seinen Anfängen als professioneller Musiker sowie vor allem seiner Beziehung zu seiner Frau Melissa, kommt jetzt „I Still Believe“ in die Kinos. Bei dem zwischen gnadenlosem Kitsch und ehrlich berührenden Momenten changierenden Romantik-Drama mit christlicher Message führten die in Sachen Erbauungsfilmen bereits erfahrenen Andrew und Jon Erwin („I Can Only Imagine“, „October Baby“) Regie.

    Eine solch unbeschwerte Zweisamkeit kann das Paar nur ganz kurz genießen.

    Nach der High School verlässt Jeremy (K.J. Apa) das Haus seiner Eltern (Gary Sinise und Country-Star Shania Twain) in Indiana, um das Calvary Chapel Bible College in Kalifornien zu besuchen. Bereits kurz nach seiner Ankunft trifft er dort zwei Kommilitonen, die sein Leben grundlegend verändern werden: Jean-Luc La Joie (Nathan Parsons), einen lokalen Rockstar, und die ebenso hübsche wie quirlige Melissa (Britt Robertson), in die sich der Junge auf der Stelle verliebt. Jean-Luc erkennt schnell das musikalische Talent Jeremys. Und obwohl er ebenfalls romantische Gefühle für Melissa hegt, hilft er seinem neuen Freund, eine Karriere als Singer-Songwriter zu starten.

    Auch mit dem Mädchen könnte es kaum besser laufen; sie und Jeremy werden ein Paar und sind überglücklich. Doch dann wird bei Melissa Gebärmutterkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Ihr christlicher Glaube gibt den Liebenden Mut, Operationen und Chemotherapie gemeinsam zu überstehen. Trotz düsterer Zukunftsaussichten beschließen sie zu heiraten. Kurz vor dem großen Tag wird Melissa erneut untersucht und ist wie durch ein Wunder plötzlich krebsfrei – der Traumhochzeit am Strand steht nichts mehr im Wege. Schon während der Flitterwochen geht es der Braut allerdings plötzlich sehr schlecht. Die Krankheit ist zurück – schlimmer und brutaler denn je...

    Drei Schritte zum miesen Verräter

    Zu Beginn sieht es so aus, als wäre „I Still Believe“ ein typisches Bio-Pic über die Anfänge eines populären Musikers, verbunden mit einer niedlichen Love-Story. Die Erwins lassen sich angenehm viel Zeit, die so harmonische, familiäre Situation von Jeremy zu schildern. Wir lernen die Eltern kennen, insbesondere den Vater – der von „Forrest Gump“-Veteran Gary Sinise verkörperte Pastor Tom hat seine ausgeprägte Liebe zur Akustikgitarre offenbar an seinen Sohn vererbt. Wir sehen, wie Jeremy mit seinem kleinen Bruder mit geistiger Behinderung umgeht, zu dem er ein besonders enges Verhältnis hat. Und wir merken, welch wichtige Rolle der Glaube und Gott in dem Leben der Familienmitglieder spielen. Visuell ist das Ganze routiniert und ansprechend umgesetzt. Die Optik pendelt sich in etwa zwischen einer besser gemachten TV-Produktion und Hochglanzschnulzen vom Schlage „Kein Ort ohne Dich“ oder „The Best Of Me - Mein Weg zu dir“ ein.

    Selbst die Einführung von Melissa und wie das Paar sich behutsam näherkommt (vier Dates bis zum ersten zaghaften Küsschen!), lässt nicht erahnen, welch tragische Wendung die Handlung schon bald nehmen wird. Wer es nicht vorher weiß, wird eine Weile brauchen, um es zu erkennen: „I Still Believe“ schwimmt auf der nun wieder im Abebben befindlichen Welle von romantischen Young-Adult-Werken mit, die sich um schwere Krankheiten eines der Protagonisten oder sogar beider Liebenden drehen. Populäre Beispiele sind „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ oder „Drei Schritte zu dir“. Wie bei dem deutschen Genre-Beitrag „Dem Horizont so nah“ erlebt der Zuschauer die Situation hier aus der Sicht des gesunden, hilflos dem unaufhaltsamen körperlichen Verfall des Partners zusehenden Teils mit. Insgesamt wird neben einigen gefälligen Musik-Einlagen (Apa und Parsons performen eine Reihe mainstreamiger Soft-Rock-Nummern sowie pompöse Songwriter-Balladen) dabei sowohl inhaltlich als auch optisch wenig geboten, was nicht schon x-mal zu sehen war.

    In seiner Verzweiflung bleibt Jeremy nur seine Musik - und Gott.

    Der Punkt, der den Film von den genannten Vorgängern abhebt, ist der Gott-Faktor. Es vergeht kaum eine der 115 Minuten, in der nicht mindestens einer der Charaktere betet, den „Herrn“ preist, ihm dankt oder buchstäblich ein Loblied auf ihn schmettert. Für Atheisten und einer anderen Denomination anhängende Menschen kann das nicht nur ermüdend, sondern ganz schön nervtötend sein. Wobei man den Schauspielern – allen voran dem Hauptdarsteller-Duo – ein Lob aussprechen muss, dass sie die gelegentlich mehr als unbeholfen ins Drehbuch hineingezwängte „frohe Botschaft“ erstaunlich locker verkünden und vermitteln.

    Wer also glaubt, derlei auf Dauer ertragen zu können oder gar ähnliche Überzeugungen vertritt, wird wenig finden, was es am Spiel der Akteure auszusetzen gibt. Zumal auch das anfängliche romantische Knistern, die spätere Verliebtheit zwischen Robertson und Apa und ihr Zusammenhalten in schwierigen Zeiten durchgehend authentisch rüberkommen. Der „Riverdale“-Beau und das „Den Sternen so nah“-Sweetheart machen ihre Figuren sympathisch und es dem geneigten Zuschauer somit einfacher, sich genüsslich den voll auf die Tränendrüsen drückenden Bildern und Situationen sowie seinen schamlos manipulierten Emotionen hinzugeben.

    Fazit: Trotz massiver christlicher Glaubens-Propaganda machen speziell die Hauptdarsteller einen so guten Job, dass man diesen Aspekt immer mal wieder ausblenden kann und zumindest streckenweise mit den tragisch Verliebten mitfiebert und mitleidet.

     

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