Der mit dem Zombie-Tiger...
Von Christoph PetersenMit meinen (auch vom Trailer befeuerten) Erwartungen an Zack Snyders Zombie-Blockbuster „Army Of The Dead“, der bereits seit 2004 in der Entwicklungshölle schmorte, bis das ursprünglich bei Warner Bros. angesiedelte Projekt schließlich von Netflix übernommen wurde, lag ich gleich in dreifacher Hinsicht völlig daneben. Zum Glück!
Der Trailer wirkte auf mich wie ein „Zombieland“-Sequel, bei dem noch einmal ganz mächtig an der Bombast-Schraube gedreht wurde – einfach eine weitere selbstironische, superbrutale Zombie-Farce, wie wir sie in den letzten Jahren (viel zu oft) vorgesetzt bekommen haben, nur diesmal eben noch ein paar Nummern größer. Aber Pustekuchen!
Der Trailer sieht super aus – und verspricht mit dem fast vollständig zerstörten Las Vegas wahrhaft epische Schauwerte! Zugleich hat „Army Of The Dead“ aber „nur“ 90 Millionen Dollar gekostet – während vergleichbare Filme auch gerne mal 150 Millionen Dollar und deutlich mehr verschlingen. Deshalb war ich mir fast sicher: Abseits der im Trailer gezeigten Szenen kann der Film das technische Niveau sicherlich nicht halten. Aber Pustekuchen!!
Die von Dave Bautista angeführte Truppe besteht aus ziemlich vielen Mitgliedern – und Zack Snyder hat es selbst in seinem vierstündigen Cut von „Justice League“ nur mehr schlecht als recht geschafft, ein nachvollziehbares Verbundenheitsgefühl zwischen Batman, Wonder Woman & Co. heraufzubeschwören. Deshalb lag die Vermutung nahe: Egal was am Ende an „Army Of The Dead“ begeistert – das Team und seine Mitglieder werden es wohl eher nicht sein. Aber Pustekuchen!!!
Ex-Soldaten Scott Ward (Dave Bautista) arbeitet inzwischen als Burger-Bräter - bis er den Selbstmordauftrag erhält, in die Zombie-Hochburg Las Vegas einzudringen...
Als einem vom US-Militär in der legendenumwobenen Area 51 gefangengehaltenen Superzombie beim Transport der Ausbruch gelingt, dauert es nur wenige Stunden, bis das nahegelegene Spielerparadies Las Vegas vollkommen von Untoten überrannt wird. Allerdings gelingt es der Regierung schließlich, die Pandemie einzudämmen – und in wenigen Tagen soll das Problem mit dem Abwurf einer Atombombe dann endgültig gelöst werden.
Aber bevor es so weit ist, entsendet der wohlhabende Geschäftsmann Bly Tanaka (Hiroyuki Sanada) ein Team unter Führung des inzwischen als Burger-Brater angestellten Ex-Soldaten Scott Ward (Dave Bautista) in das Sperrgebiet. Dort sollen sie in den Tresorraum eines Casinos eindringen, in dem noch immer 200 Millionen Dollar lagern. Als Aufpasser schickt Tanaka seinen Sicherheitschef Martin (Garret Dillahunt) mit – und es wird schnell klar, dass hinter dem Auftrag in Wahrheit mehr steckt als ein simpler Millionen-Heist...
Nach dem Prolog, in dem zur Abwechslung mal Elitesoldaten über die Verschwörungstheorien rund um die Area 51 diskutieren (keiner traut sich, das Wort „Alien“ als erstes in den Mund zu nehmen), folgt direkt das erste große Highlight: Der Vorspann ist mit seiner pinken Schrift und dem Elvis-Klassiker „Viva Las Vegas“ vermeintlich ironisch angelegt, als wären es die Credits zu „The Suicide Squad“. Aber im selben Moment sehen wir ebenso pathostriefende wie blutgetränkte Bilder von Privatleuten, die in den ersten Tagen der Zombie-Epidemie über sich hinauswachsen und im Anschluss vor einer grauen Tapete wie für ein Magazincover posieren. Was sich eigentlich beißt, kommt hier grandios zusammen – ein gewisses Augenzwinkern scheint zwar durch, aber das Pathos der angerissenen Heldenminiaturen zündet dennoch volle Kanne ...
... und damit ist dann auch der Ton für den Rest des Films etabliert: „Army Of The Dead“ nimmt sich selbst und seine Protagonisten sogar im Angesicht eines Zombie-Tigers erfrischend ernst und driftet trotz teils extrem überhöhter Gewaltspitzen nie ins geradeheraus Absurde oder Parodistische ab. Statt an Filme wie „Zombieland“ erinnert Zack Snyders Blockbuster deshalb auch eher an ein zwar visuell gepimptes und mit Untoten gewürztes, aber im Kern immer noch erstaunlich klassisches Ensemble-Heist-Abenteuer in der Tradition von Werken wie „Gesprengte Ketten“ bis „Ocean’s Eleven“. Der Action und den Figuren tut diese bewusste Entscheidung gegen allzu offensiv-abgehobenen Meta-Humor jedenfalls nur gut!
Einige der Zombies in "Army Of The Dead" sind erstaunlich agil!
Die Action ist deshalb auch vor allem dann besonders gut, wenn sie eine intime Qualität erlangt (und weniger, wenn sie in „World War Z light“-artige Massenszenen umschlägt): Am eindringlichsten ist etwa gleich das erste größere Action-Setpiece, in dem sich die Truppenmitglieder durch eine ganze Horde im Stehen „schlafender“ Zombies hindurchschleichen müssen. Aber auch sonst entwickelt die Action einen krachenden Punch – was zum einen sicherlich an der brachialen Körperlichkeit speziell von Dave Bautista sowie dem sehr offensiven Umgang mit exzessiver Gewalt liegt (der Tiger beißt den Kopf nicht einfach ab, er kaut ihn quasi von den Schultern) ...
... aber auch das herausragende Design der Zombies hat einen ganz erheblichen Anteil am Erfolg der Szenen: Nicht nur wirkt der tatsächlich grauenerregende Look angenehm handgemacht, die sehr agilen und zum Teil sogar mit Martial-Arts-Fähigkeiten ausgestatten Untoten werden auch von Schauspielern bzw. Stuntleuten verkörpert, die ihnen eine effektive Bedrohlichkeit verleihen. Speziell Athena Perample als Queen und Richard Cetrone als Ober-Bösewicht Zeus sind zwei der besten Zombie-Charaktere seit langer Zeit – gerade weil mit ihrem zähnefletschenden Knurren nicht einfach nur ehrlich gefährlich wirken, sondern im weiteren Verlauf der Handlung auch noch eine unerwartet tragische Dimension zugestanden bekommen.
Ein weiterer wichtiger Baustein sind die Mitglieder des Heist-Teams – und in dieser Hinsicht beginnt „Army Of The Dead“ mit gleich zwei Klötzen am Bein: Zum einen gibt es bei so vielen Protagonisten trotz der stolzen Laufzeit für jeden einzelnen nur wenig Leinwandzeit – und zum anderen haben sich die Co-Autoren Zack Snyder, Shay Hatten („John Wick 3“) und Joby Harold („Obi-Wan Kenobi“) nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um die Qualität der Dialoge geht: Gerade die eigentlich ganz zentrale Vater-Tochter-Beziehung zwischen Scott und Kate (Ella Purnell) wird in zwei, drei Mini-Momenten geradezu sträflich-simpel abgehandelt – und auch beim von Matthias Schweighöfer verkörperten Safe-Knacker werden nur die offensichtlichsten Deutschen-Klischees (er heißt Dieter und mag Götterdämmerung) abgespult.
Umso erstaunlicher also, dass sich die buntgemischte Heldentruppe dennoch als allergrößter Trumpf von „Army Of The Dead“ erweist: Dave Bautista hat nur wenig Szenen mit seiner Filmtochter, aber die füllt er mit einer ernsthaft-emotionalen Gravitas, die selbst Vin Diesel in den späteren „Fast & Furious“-Teilen in den Schatten stellt. Wenn Scott und sein Vielleicht-Love-Interest Cruz (Ana de la Reguera aus „Narcos“) ihre gut gefüllten Bierflaschen aneinanderschlagen, reicht das schon, um ihnen die offensichtlich schon seit vielen Jahren bestehende Verbundenheit und Nähe augenblicklich abzukaufen. So entfalten dann auch die tragischen Momente im Verlauf der Mission eine ganz andere Wirkung, selbst wenn sie auf den Seiten des Skripts nicht wirklich angemessen vorbereitet werden.
Dieter (Matthias Schweighöfer) knack Schlösser wie andere Symphonien komponieren...
Ähnliches gilt für das Zusammenspiel von Dieter und Vanderohe (Omari Hardwick). Es ist der typische Konflikt zwischen knallhartem Muskelmann und eher merkwürdigem Nerd, der sich speziell im Kampf nicht allzu geschickt anstellt – bis aus den ungleichen Typen dann irgendwann doch noch die besten Kumpels werden. Absolut nichts Neues – und dennoch zelebrieren die beiden Schauspieler eine Bromance, die uns sofort noch deutlich mehr Lust auf das von Matthias Schweighöfer selbst inszenierte, sich um einen Raubzug in Europa drehende Die-Vorgeschichte-von-Dieter-Prequel „Army Of Thieves“ macht.
Weil die Chemie zwischen den Darstellern in diesem Fall so viel wichtiger ist als die Dialoge auf den Drehbuchseiten, fällt es übrigens durchaus auf, dass Tig Notaro ihre Szenen nicht gemeinsam mit den anderen aufgenommen hat, sondern erst nachträglich wegen des Rausschmisses von Chris D'Elia per Green Screen und anderer Computertricks in den Film eingefügt wurde. Die Kult-Komikerin macht als dauerfluchende Helikopterpilotin Marianne Peters eigentlich eine super Sache – aber man spürt in ihren Szenen einfach, dass da etwas fehlt. Andererseits unterstreicht das aber auch, was für eine grandiose Chemie am Set geherrscht haben muss – und der Funke springt in diesem Fall definitiv auch auf das Publikum über...
Fazit: Ein trotz seiner ausufernden Länge immens unterhaltsamer Popcorn-Blockbuster, bei dem die starke Action, die gewaltige Ausstattung, die großartig designten Zombies und die hervorragend aufgelegten Stars gemeinsam über so manche Holprigkeit im Skript hinwegtrösten.