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    Mad Heidi
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Mad Heidi

    So habt ihr eure Heidi noch nie gesehen

    Von Lutz Granert

    „Heidi“ aus der Feder von Johanna Spyri ist einer der erfolgreichsten Kinderbuch-Klassiker und dafür verantwortlich, dass vielen Menschen zu der Schweiz zuerst romantische Bilder von Bergidyllen einfallen. Die Geschichte des kleinen Waisenmädchens von der Alm wurde in insgesamt 50 Sprachen übersetzt und weltweit über 50 Millionen Mal verkauft. Warum also keine (sehr freie) Neuinterpretation der inzwischen etwas angestaubten Romanfigur in einem Exploitationfilm wagen? Dem Schweizer Filmemacher Johannes Hartmann schwebte jedenfalls eine radikale Abrechnung mit dem Klassiker aus dem Jahr 1880 vor, welchen er im Mai 2017 zusammen mit einem ersten, gezeichneten Posterentwurf (Arbeitstitel damals noch: „Heidiland“) in den Sozialen Medien vorstellte.

    Fünf Jahre, diverse an Quentin Tarantinos „Grindhouse“-Projekt erinnernde (Retro-)Trailer mit reichlich Nazi-Exploitation und eine gewitzte Finanzierungsstrategie abseits der Filmförderungstöpfe später nun das kleine Wunder: die Trash-Komödie „Mad Heidi“ startet tatsächlich im Kino! Der mit Casper Van Dien („Starship Troopers“) sogar einen bekannten Hollywood-Akteur aufbietende Streifen verschießt allerdings gerade bei einer Handvoll Schweiz-Klischees, die wiederholt genüsslich durchs Käsefondue gezogen werden, etwas zu schnell viel von seinem Gag-Pulver. Spaßig ist das Endergebnis trotzdem.

    So kennen wir die Heidi von der Alm gar nicht...

    20 Jahre sind vergangen, seit sich der skrupellose Käse-Fabrikant und Diktator Meili (Casper Van Dien) in der Schweiz blutig an die Macht geputscht hat. Er hält das staatliche Monopol der Käse-Produktion – insbesondere laktosefreie Milchprodukte werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Einer der illegalen Produzenten ist Ziegenpeter (Kel Matsena), der mit dem Bauernmädchen Heidi (Alice Lucy) liiert ist.

    Als Ziegenpeter und auch Heidis Großvater (David Schofield) von Meilis Truppen unter Führung des sadistischen Kommandanten Knorr (Max Rüdlinger) brutal getötet werden, wird Heidi ins Gefängnis gesteckt, in dem ein hartes Regiment herrscht und die weiblichen Gefangenen bei Ringkämpfen gegeneinander antreten müssen. Doch durch eine List gelingt der nach Rache dürstenden Heidi die Flucht...

    Die Vermarktung ist super ...

    Spielfilmdebütant Johannes Hartmann holte bereits 2017 den Schweizer Produzenten Valentin Greutert und den finnischen Produzenten Tero Kaukomaa ins Boot, der bereits für die Nazi-Trash-Komödie „Iron Sky“ via Crowdfunding erfolgreich Geld eingesammelt hatte. Nachdem eine ebensolche Kampagne für „Mad Heidi“ erfolgreich angelaufen war, stellte das Trio seine Finanzierungsstrategie nochmal um: Finanzstarke Geldgeber hatten nun über die eigens gegründete Plattform „Madinvest“ die Möglichkeit, mittels Blockchain-Technologie direkt am kommerziellen Erfolg der – so ihre Selbstbezeichnung – „ersten Swissploitation überhaupt“ teilzuhaben.

    Bei 538 Investoren aus 19 Ländern kamen so zwei Millionen Schweizer Franken für die Produktion von „Mad Heidi“ zusammen – wobei auch Medienberichte für Aufmerksamkeit sorgten. So wurde dem Kantonspolizist Gregory Widmer wegen seiner Beteiligung als Co-Autor an dem Filmprojekt im März 2019 fristlos gekündigt, schließlich würden sich Szenen von Waterboarding mit Käsefondue und Polizeitruppen mit roten Schweizwappen-Armbänden in der Optik von SS-Uniformen nicht mit seinem Berufsethos vertragen. Widmer klagte erfolgreich dagegen, der Fall ging bis vors Bundesgericht. Auch eine Form (ungeplanter) Publicity, die das Film-Team sicher gern mitgenommen hat. Eine clevere Vermarktungsstrategie hat aber erst einmal nichts mit filmischer Qualität zu tun.

    Nicht nur Hollywood-Star Casper Van Dien hat Spaß...

    Das Drehbuch von Gregory Widmer, Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein bietet zwar zahlreiche Schweiz-Klischees auf, mit denen genüsslich abgerechnet wird – das Trio fokussiert sich aber bei den Gags dann doch vor allem auf die plattesten Stereotypen, die mal mehr, mal weniger schnell ermüden. Und ja, man kann sehr viele Käse-Witze machen, aber leider reifen flache Gags ums Töten ungeliebter laktoseintoleranter Häftlinge, Gewichtheben mit ganzen Laibern und das Schaffen von Supersoldaten (durch Menschenmilchanteil) nicht wirklich nach. So fragt auch Heidi nach einer halben Filmstunde bei der Essensausgabe im Gefängnis zu Recht stellvertretend fürs Publikum etwas angewidert nach, ob es denn mal etwas anderen geben könne als ekligen Käse in all seinen Variationen. Es ist ein Zeitpunkt, wo so langsam die inhaltliche Substanzlosigkeit von „Mad Heidi“ durchblitzt und die anfängliche Begeisterung über das Trash-Spektakel verfliegt.

    Doch glücklicherweise findet „Mad Heidi“ im letzten Drittel dann wieder zu seinem erfrischend albernen Witz zurück, zu dem auch zünftige Doppeldeutigkeiten und Wortwitz-Schenkelklopfer in den Dialogen zählen. Wenn Heidi nach einer Trainings-Montage auf Bergfelsen (in der mal eben „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ parodiert wird) im Kampfdirndl mit Rüstungselementen in einer Arena gegen einen brachialen Minotaurus-Ritter inklusive stilisiertem Nasenring und Metallhufen antritt, dann ist das nicht nur schon ob der Kostüme, sondern auch bei abgetrennter Männlichkeit im passabel choreografierten, gar spannenden Kampf zum Niederknien komisch.

    Ein Cast, der Freude versprüht

    Dem spielfreudigen Ebsemble merkt man an, dass es mit Leidenschaft bei der Sache ist. Der inzwischen auf B-Movies festgenagelte Casper Van Dien („The Most Dangerous Game“) weilte fünf Tage am Set und zelebriert regelrecht seine Rolle als ebenso tumber wie selbstverliebter Diktator, der wahlweise im roten Adidas-Jogginganzug oder Gaddafi-Gedächtnisuniform auftritt. Für Alice Lucy in der Titelrolle ist es der erste Filmauftritt überhaupt. Auch wenn es ihr mit etwas hölzernen Spiel hin und wieder etwas an Ausstrahlung fehlt: Austeilen kann die Trägerin des schwarzen Gürtels in Taekwando ordentlich. Und ganz ehrlich: schauspielerische Sternstunden haben wir bei der von Käse-Witzchen, matschigen Fun-Splatter-Einlagen und entblößten Brüsten zusammengehaltenen Trash-Granate ohnehin nicht erwartet. So ist der Abschluss mit einem fetten Cliffhanger und Referenz Richtung Quentin Tarantino und Robert Rodriguez ein Versprechen auf Mehr, dem man durchaus mit Vorfreude entgegenblickt.

    Fazit: Auch wenn die Gag-Bandbreite etwas größer hätte ausfallen können, so macht „Mad Heidi“ durch viele oftmals auch versteckte Filmanspielungen Spaß. Wir freuen uns schon auf die nächste, bereits angekündigte „Swissploitation“.

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