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    Monkey Man
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Monkey Man

    Diese Action ist fürs Kino gemacht!

    Von Björn Becher

    Nachdem „Slumdog Millionär“-Star Dev Patel seinen ersten Langfilm als Regisseur inszenierte, schlug Netflix zu, um sich die Rechte zu sichern. Damit schien klar: Der chaotisch-kraftvolle Actionfilm „Monkey Man“ wird im Angebot des Streamers zum Start sicherlich von vielen Menschen geschaut, versauert danach aber begraben zwischen Unmengen an Content auf der Plattform. Aber Pustekuchen! Jordan Peele sah nämlich eine frühe Schnittfassung – und war hin und weg. Für das „Get Out“-Mastermind, das neben Christopher Nolan zu den großen Verfechtern des Kino-Erlebnisses gehört, war deshalb klar: Dieses Werk muss auf die große Leinwand!

    Peele stieg selbst mit ein, half Patel beim Erstellen der finalen Schnittfassung und mit einer neuen musikalischen Untermalung. Vor allem aber überzeugte er seine Partner von Universal, die Rechte von Netflix zu erwerben. So kommt „Monkey Man“ nun doch in die Kinos – und passt da auch perfekt hin. Der Rache-Actioner profitiert nicht nur von der erhöhten Aufmerksamkeit im dunklen Kinosaal, weil das Geschehen teilweise wild und unübersichtlich ist. Stattdessen versteht es Patel auch perfekt, die Kraft seiner Bilder zu nutzen, um auch ganz große Leinwände zu füllen. „Monkey Man“ ist deshalb auch weit mehr als es das dem Film vorschnell verpasste Label „John Wick in Mumbai“ vermuten ließe.

    Als Untergrund-Kämpfer Monkey Man verdient sich Kid ein wenig Geld. Universal Pictures
    Als Untergrund-Kämpfer Monkey Man verdient sich Kid ein wenig Geld.

    Woche für Woche lässt sich Kid (so muskulös austrainiert wie nie: Dev Patel) unter einer Affenmaske in den Untergrund-Kämpfen des schmierigen Organisators Tiger (Sharlto Copley) die Fresse polieren, um genug Geld zum Überleben zu haben. Einen zweiten Job als Tellerwäscher im King's Club der rücksichtslosen Managerin Queenie (Ashwini Kalsekar) erschleicht er sich dagegen nicht vornehmlich aus monetären Gründen: Es ist vielmehr Teil eines Racheplans. Denn zu den Stammgästen des Edel-Bordells gehört auch der Polizeichef Rana (Sikandar Kher). Der tötete bei der brutalen Räumung ihres Heimatdorfs einst Kids Mutter Neela (Adithi Kalkunte).

    Nach und nach erarbeitet sich Kid das Vertrauen des im King's Club für die Drogenversorgung verantwortlichen Laufburschen Alfonso (Pitobash). Schließlich kann er eine Pistole in den bewachten Laden schmuggeln und sich Zugang zu Rana verschaffen. Doch als er mit der Knarre in der Hand vor dem korrupten Cop steht, läuft die Situation aus dem Ruder. Nach einer exzessiven Prügelei und einer kaum weniger ausufernden Verfolgungsjagd scheint Kid am Ende zu sein. Doch ihm bietet sich noch eine weitere Chance auf Rache. Allerdings muss der Monkey Man längst nicht nur Rana töten, wenn er all das Übel beseitigen will, das seine indische Heimat fest im Würgegriff hat...

    Starke Action mit berühmten Vorbildern

    Dev Patel bezeichnet „Monkey Man“ auch als Hommage an Filme, die ihn selbst maßgeblich geprägt haben. Einflüsse der Werke von Bruce Lee oder von Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan sind ebenso wenig zu leugnen wie solche aus dem Actionkino der jüngeren Vergangenheit, von „Oldboy“ über „John Wick“ bis hin zu „The Raid“. Die indonesische Heimat von Gareth Evans' einzigartiger Action-Sensation diente sogar kurzfristig als Double für Indien, nachdem die Corona-Pandemie einen Dreh dort unmöglich machte. Das gab Patel sogar die Möglichkeit, einen Teil des bereits schon an „The Raid“ beteiligten Teams zu nutzen.

    Oft sehr lange Einstellungen, die sich wie ein einziger Take anfühlen (selbst wenn Schnitte gesetzt sind), vermitteln eine unglaubliche Intensität. Immer wieder wird in engen Gängen und sogar einem Aufzug gekämpft. Dabei sind wir ganz nah dran an den Figuren, auch weil Kameramann Sharone Meir („Silent Night“) meist direkt unter ihnen weilt. Seine wackelige Handkamera sorgt dafür, dass die Übersicht immer wieder verloren geht. Ein Gefühl von Orientierungslosigkeit und totalem Chaos entsteht dann. Doch das dient hier nie dazu, Stunt-Doubles oder Tricks zu kaschieren, sondern versetzt uns mitten hinein in die Perspektive der Hauptfigur. Die exzellente Action-Choreografie entfaltet so (vor allem beim großartigen Finale) trotzdem immer ihre Wirkung.

    In der Gemeinschaft der Hijra findet Kid eine neue Familie. Universal Pictures
    In der Gemeinschaft der Hijra findet Kid eine neue Familie.

    „Monkey Man“ ist zwar ausgesprochen brutal, aber der düstere Ton wird von Patel vor allem mithilfe der Musik immer wieder bewusst zu brechen versucht: Wenn Kid seinen Mund nutzen muss, um ein Messer in den Hals eines Kontrahenten zu rammen, läuft dazu der Pop-Hit „Rivers Of Babylon“ der deutschen Disco-Kombo Boney M. Das sorgt nicht nur für einen erleichternden Lacher, sondern hat auch eine tiefere Bedeutung. Die Originalversion des Cover-Songs stammt von der jamaikanischen Reggae-Gruppe The Melodians und ist zutiefst politisch. An „den Flüssen Babylons“ existieren in dieser musikalischen Erzählung von der Regierung und Polizei unterdrückte und ausgestoßene Freigeister.

    In „Monkey Man“ leben am Fluss die Hijras, eine Gemeinschaft von Personen, die sich weder als männlich noch weiblich sehen und von der Gesellschaft an den Rand gedrückt werden. Sie gewähren Kid Unterschlupf, pflegen ihn und stehen ihm dann in der finalen Auseinandersetzung auch tatkräftig zur Seite. Obwohl die Hijras schon seit Jahrhunderten existieren, werden sie in der modernen indischen Gesellschaft immer wieder ausgegrenzt und müssen um ihre Anerkennung kämpfen – und so hat Patel in „Monkey Man“ auch reale Hijra in ihren ersten Schauspielrollen verpflichtet.

    Diese Action ist auch politisch!

    Als Gegenstück dazu flimmern in „Monkey Man“ immer wieder der Guru Baba Shakti (Makarand Deshpande) und seine Predigten über eine sich auf die angeblich so alten konservativen Werte rückbesinnende Ordnung über die TV-Bildschirme. Während er sich friedliebend gibt, lässt er in Wirklichkeit Kommunen, die außerhalb seiner Norm existieren, zerstören – seien es Dorfgemeinschaften, die Stadtprojekten im Weg sind, oder Transgender-Communities, die einfach nicht ins Weltbild passen. Dass er der wahre Bösewicht ist, wird sofort klar. Da hätte es eine frühe explizite Erklärszene zwischen ihm und seinem Handlanger Rana gar nicht gebraucht.

    Zugleich ist das aber auch der Moment, in dem der politische und gesellschaftliche Subtext von „Monkey Man“ sehr explizit wird. Das Gros des Films über lässt Dev Patel ansonsten die Action sprechen – bei den Untergrund-Kämpfen, den wilden Metzeleien in den Gängen des King's Clubs oder einer wirklich abgefahrenen Verfolgungsjagd mit einem frisierten Tuk-Tuk durch die engen Straßen Mumbais. Dass das gerade vor dem Hintergrund des starren indischen Kastensystems effektive Plädoyer für Akzeptanz und eine offene Gesellschaft trotzdem immer mitschwingt, sorgt allein schon dafür, dass „Monkey Man“ nicht einfach ein „John Wick“-Epigone nur mit einem anderen Schauplatz ist.

    Fazit: Wir können uns glücklich schätzen, dass Jordan Peele seinen Einfluss genutzt hat, um „Monkey Man“ einen Kinostart zu verschaffen. Denn Dev Patels kraftvoller und stark inszenierter Rache-Actioner hat die große Leinwand absolut verdient.

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