Gnadenloser und sadistischer als je zuvor
Von Christoph PetersenSeit dem Erfolg von „Halloween“, der 2018 mehr als 250 Millionen Dollar bei einem Budget von nur zehn Millionen an den weltweiten Kinokassen eingespielt hat, gilt der zuvor vor allem für ambitionierte Indie-Dramen („Joe“) und derbe Komödien („Your Highness“) bekannte David Gordon Green als ausgewiesener Horror-Experte: Der US-Streaming-Service Peacock hat gerade erst 400 (!) Millionen Dollar auf den Tisch gelegt, damit Green und sein „Halloween“-Produzent Jason Blum den Horror-Klassiker „Der Exorzist“ mit gleich drei Filmen fortsetzen. Aber bevor es soweit ist, kommen nun erst einmal die beiden „Halloween“-Sequels, die dann die neue Trilogie vervollständigen.
Gleich zu Beginn sticht bei einer körnigen Rückblende ins ikonische Jahr 1978 – dem Veröffentlichungsjahr des Originals von John Carpenter – sofort ins Auge, wie unfassbar großartig der Film auch diesmal wieder aussieht. Green und sein Kameramann Michael Simmonds („Project Power“) haben den Retrolook einfach voll drauf und geizen während der grausamen Kills auch nicht mit überraschenden Kameraeinstellungen. Handwerklich ist „Halloween Kills“ daher viel besser, als man es von einem derart blutrünstigen Slasher vielleicht erwarten würde. Zugleich leidet der Film wie so viele zweite Teile einer Trilogie spürbar unter seiner Brücken-Rolle, darüber kann auch der noch mal anständig nach oben geschraubte Bodycount samt wahrhaft gnadenloser Gewaltspitzen nicht immer hinwegtäuschen.
Die Feuerwehrmänner retten Michael Myers mit ihrem Einsatz das "Leben" - müssen dafür aber direkt den ultimativen Preis bezahlen...
Am Ende von „Halloween“ (2018) haben Laurie Strode (Jamie Lee Curtis), ihre Tochter Karen (Judy Greer) und ihre Enkelin Allyson (Andi Matichak) Michael Myers im extra dafür konstruierten Keller eingesperrt – und anschließend das ganze Haus abgefackelt. Aber die Feuerwehr ist leider zu schnell vor Ort. Während sich Laurie im Krankenhaus von einer Stichwunde erholt und davon ausgeht, Michael endgültig in die Hölle geschickt zu haben, schnetzelt sich der Maskenkiller munter durch Haddonfield – und hinterlässt auf dem Weg zu seinem Geburtshaus eine Schneise aus Tod und Verwüstung.
Zugleich sehen wir in Rückblenden ins Jahr 1978, dass der nun gemeinsam mit Laurie im Krankenhaus liegende Deputy Frank Hawkins (Will Patton) schon als junger Polizist (hier: Thomas Mann) die Chance hatte, den grausamen Maskenmann ein für alle Mal ins Jenseits zu schicken. Tommy Doyle (Anthony Michael Hall), der damals als kleiner Junge eine Begegnung mit Michael nur knapp überlebt hat, gründet in der Gegenwart des Films zudem eine Art Bürgerwehr, um die Jagd auf den Killer nicht länger den Behörden zu überlassen, nachdem diese dabei schon zu oft versagt haben…
Die Geschehnisse aus dem „Halloween“-Original spielen in „Halloween Kills“ immer wieder eine Rolle. Dabei wird gleich mehrfach erwähnt, dass damals im Oktober 1978 bei Michael Myers erster Metzeltour durch Haddonfield drei Menschen ums Leben gekommen seien. Schon erstaunlich, wie wenige Opfer John Carpenter in seinem bahnbrechenden Horror-Klassiker abmurksen musste, um damit den maximalen Terror zu erzeugen. David Gordon Green geht nun genau den entgegengesetzten Weg und macht damit dem Titel „Halloween Kills“ wirklich alle Ehre – der Bodycount ist jedenfalls gefühlt so hoch wie in allen vorherigen Teilen der Slasher-Reihe zusammen.
Außerdem sind die Kills, die ohne das kleinste Fünkchen Ironie daherkommen, absolut gnadenlos. Schon im Auftakt werden mit einer Feuerwehraxt keine Gefangenen gemacht – und später rammt Michael einem längst toten Opfer im unscharfen Hintergrund ewig lang ein Küchenmesser nach dem anderen in den leblosen Torso, als wäre er ein gelangweilter Fabrikarbeiter, der, ohne es noch bewusst wahrzunehmen, weiter seine üblichen Handbewegungen ausführt, obwohl das Förderband schon lange stehengeblieben ist. Zudem geht Michael diesmal noch körperlicher als sonst zur Sache: Das Messer ist nicht länger seine Lieblingswaffe – stattdessen zermalmt er seine Opfer regelrecht, wenn er ihre Schädel immer wieder gegen die Wand schlägt oder ihr Genick quälend lange in einem Treppengeländer bearbeitet.
Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) nimmt diesmal eher auf der Ersatzbank platz - wahrscheinlich, um dann in "Halloween Ends" wieder voll einsatzfähig zu sein.
Während sich der Bodycount in – selbst für diese Horrorfilm-Reihe – ungeahnte Höhen schraubt, kommt die Story erst mal eine ganze Zeit lang kaum voran. „Halloween Kills“ ist eben der typische zweite Teil einer Trilogie, der irgendwie die Spannung hochhalten muss, aber eben doch nichts zum Abschluss bringen darf. Laurie Strode verbringt sogar fast den ganzen Film im Koma beziehungsweise im Krankenhausbett – als würde sie sich in der Zwischenrunde auf der Tribüne erholen, um dann im Finale wieder ausgeruht eingreifen zu können. Stattdessen werden ständig mal mehr, meist weniger charismatische neue Figuren eingeführt, die dann doch nur kurz darauf als Opfermasse für Michael herhalten müssen. Dabei gibt es gleich mehrere Charaktere mit Verbindungen zu den Geschehnissen an Halloween 1978: Cop Frank war damals im Einsatz, Tommy hat die Mordserie als Kind überlebt.
Aber diese Querverweise gaukeln nur eine Komplexität vor, die dann – zumindest in diesem Film – doch nie eingelöst wird. Stattdessen versucht sich David Gordon Green in „Halloween Kills“ an einem gesellschaftskritischen Kommentar, wenn sich ein Zombie-ähnlicher Mob mit dem Kampfruf „Evil Dies Tonight!“ durch die engen Krankenhausflure schiebt, um Jagd auf einen vermeintlichen Killer zu machen. Zwar fehlen die Mistgabeln (die gibt es an anderer Stelle), aber dafür spricht einer der Cops das Offensichtliche sogar aus: „Er verwandelt UNS in Monster.“ Diese Idee ist nicht neu und auch nicht per se schlecht, aber in „Halloween Kills“ wird einem der Subtext besonders aufdringlich um die Ohren gehauen. Dafür eröffnen die letzten 60 Sekunden eine potenziell spannende Prämisse für „Halloween Ends“, selbst wenn der „neue“ Michael Myers Slasher-Puristen nicht zwingend gefallen wird. Im Oktober 2022 sind wir dann hoffentlich schlauer…
Fazit: Michael Myers metzelt sich auf dem Weg von „Halloween“ zu „Halloween Ends“ so gnadenlos und sadistisch wie noch nie durch Haddonfield. Außerdem sieht „Halloween Kills“ wieder fantastisch aus. Die Story tritt hingegen weitestgehend auf der Stelle – und der Versuch eines gesellschaftskritischen Kommentars fällt sogar enttäuschend flach aus.
Wir haben „Halloween Kills“ beim Filmfestival in Venedig gesehen, wo er außer Konkurrenz als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.