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    Project Power
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Project Power

    Superheld für fünf Minuten

    Von Christoph Petersen

    Der 2016 erfolgreich in den Kinos gelaufene „Nerve“ von Henry Joost und Ariel Schulman handelt von einer Online-Spielshow, bei der die Kandidaten Emma Roberts und Dave Franco immer krassere (und kriminellere) Mutproben absolvieren müssen, um sich so die Gunst (und die Moneten) der anonymen Zuschauer zu sichern. Wenn man dabei mal kurz innehalten würde, um über all das nachzudenken, was da gerade abgeht, würde das Storykonstrukt vermutlich wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Aber die Zeit hat man zum Glück nicht – denn „Nerve“ ist ein gnadenlos-treibender, knackig-kurzweiliger Action-Thriller mit nur vorsichtigen satirischen Untertönen. Das macht einfach Spaß.

    In dem Fantasy-Actioner „Project Power“ verfolgt das Regieduo nun einen ähnlichen High-Concept-Ansatz: Im Zentrum steht eine neuartige Droge, die jedem, der sie schluckt, eine individuelle Superkraft verleiht – und zwar für exakt fünf Minuten. Es gibt dabei aber einen zentralen Unterschied zwischen den Produktionen: „Project Power“ ist direkt für Netflix entstanden – und wie so viele sogenannte Originals des Streaming-Portals mal locker 20 bis 30 Minuten länger als nötig. Da gibt es also mehr als genug Leerstellen, in denen man sich Gedanken über das gerade Geschehene und den Hintergrund des Szenarios machen kann – und diese Zeit zum Nachdenken tut „Project Power“ leider gar nicht gut.

    Niemand weiß vorher, welche Superkräfte die Pillen bei ihm wohl freisetzen werden.

    Der mysteriöse Biggie (Rodrigo Santoro) tritt in New Orleans wie ein Schlangenölverkäufer auf – nur dass er seine Wundermittel nicht für Unsummen an den Mann zu bringen versucht, sondern seine Pillen für lau an die Dealer der Stadt verschenkt. Auch Robin (Dominique Fishback) kommt an eine Ladung der Drogen, die einem für fünf Minuten ungeahnte Superkräfte verleihen – wobei niemand vor dem ersten Schlucken weiß, welche Superkräfte es sein werden (und manche Konsumenten zerplatzen auch einfach nur).

    Nachts vertickt die Schülerin die Pillen, um ihrer schwerkranken Mutter finanziell unter die Arme zu greifen. So wird auch Art (Jamie Foxx) auf das Mädchen aufmerksam. Der Ex-Militär versucht, der Lieferkette der Pillen hinterher zu spüren, um seine offenbar von den Hintermännern entführte Tochter wiederzubekommen. Der Draufgänger-Cop Frank (Joseph Gordon-Levitt) wiederum wurde von seinem Chef Captain Crane (Courtney B. Vance) auf Art angesetzt. Im Laufe der Ermittlungen muss sich Frank allerdings irgendwann die Frage stellen, ob er in dieser Auseinandersetzung tatsächlich auf der richtigen Seite steht…

    Geile Idee – und dann kommt plötzlich nicht mehr viel

    Selbst ohne Schokolade ist das an Überraschungs-Eier erinnernde Superkräfte-Lotto schon echt `ne verdammt geile Idee: Probiert man es zumindest einmal aus, nur um zu sehen, welche in der DNA verankerten Kräfte da in einem schlummern? Schließlich kann die Sache auch nach hinten losgehen, wenn man mit seinen neuen Kräften erst mal den halben Wohnblock um sich herum auslöscht oder auch einfach nur mit einem nassen „Plop“ zerplatzt.

    „Project Power“ startet dann auch durchaus vielversprechend: Einer der ersten Superkräfte-Junkies, der sich nicht nur eine Pille, sondern gleich eine ganze Handvoll reinpfeift, verwandelt sich in eine menschliche Fackel – das ist nicht neu, sieht hier aber um Längen besser (und schmerzhafter) aus als in allen bisherigen „Fantastic Four“-Verfilmungen. Für die Originalität ist dann der Bankräuber zuständig, der sich dank der Droge in ein menschliches Chamäleon verwandelt. Wenn er dann vor Frank durch die Straßen flüchtet, sieht das einfach nur cool aus. Da bekommt man direkt Lust auf mehr …

    Die "Project Power"-Antwort auf die Menschliche Fackel aus "Fantastic Four".

    … die dann jedoch nahezu unbefriedigt bleibt: Klar, auch später kommen noch weitere Superkräfte zum Einsatz, aber die sind allesamt weit weniger spektakulär. Frank ist etwa kugelsicher, aber damit lockt er natürlich niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Noch ganz nett ist eine Hommage an „Die Eiskönigin“, bei der sogar der Titel des Disney-Megahits genannt wird. Nur ist die ganze Sequenz leider so geschnitten, dass man kaum etwas erkennt, was den frostigen Spaß dann doch sofort wieder mindert. Statt die Superkräfte-Schraube hin zum Finale immer weiter anzuziehen, ist das genaue Gegenteil der Fall: Im Vergleich zum hochtourigen ersten Drittel wirkt der Showdown auf einem Containerschiff regelrecht klein und generisch.

    Die Figuren – vom unaufhaltsamen Vater auf einer Mission bis hin zum Badass-Cop – kommen zwar allesamt direkt aus der Klischeekiste, sind mit Oscargewinner Jamie Foxx („Ray“) und Joseph Gordon-Levitt („Sin City“) aber zumindest überzeugend besetzt. Die Protagonistin wiederum wird das Publikum spalten – die mitunter neunmalklugen Sprüche der Nachwuchs-Rapperin Robin sind garantiert nichts jedermanns Sache. Wir fanden die Performance von Dominique Fishback („The Hate U Give“) trotzdem erfrischend – übrigens ganz im Gegensatz zu der von Amy Landecker („Transparent“) als gesichtslose Oberschurkin. Vor allem ihr 007-Gedächtnis-Moment, wenn sie den gefangenen Helden ihren Plan erklärt, wirkt so hölzern wie man es sich nur vorstellen kann.

    Aber warum?

    Vermutlich hatten die Regisseure einen Film wie „Crank“, „Shoot ‘Em Up“ oder eben ihren eigenen „Nerve“ im Kopf. Also Filme, die ein solches Tempo entwickeln, dass eine rudimentäre Story als Leitplanke ausreicht, damit der Zuschauer bei 300 Sachen nicht aus der Kurve fliegt. Aber wie gesagt: „Project Power“ hängt mit zunehmender Spieldauer immer häufiger durch – und dann sammeln sich plötzlich Fragen über Fragen im Kopf des Zuschauers. Und das sind keine anregenden Fragen, sondern solche, die einem eher die Lust nehmen, sich noch weiter mit dem Szenario zu beschäftigen:

    Warum macht man einen solchen Drogen-Feldversuch, von dem möglichst niemand etwas mitbekommen soll, ausgerechnet in einer amerikanischen Großstadt wie New Orleans? Darauf weiß ich sogar die Antwort: Weil dort die Steuererleichterungen für Filmproduktionen besonders hoch sind! Warum aber gibt man die Pillen irgendwelchen Dealern, die sie an irgendwelche Kunden weiterverkaufen, die sie dann wiederum irgendwo und zu irgendwelcher Zeit einschmeißen? Schließlich wird man das Ergebnis so in den meisten Fällen gar nicht mitbekommen – es sind ja nicht alles megamäßige Kräfte, die die halbe Stadt erschüttern? (Es soll ja ohnehin eigentlich kein Zivilist überhaupt von den Drogen erfahren.) Spätestens an der Stelle bin ich logisch raus …

    Ach, hätte „Project Power“ seinem Namen doch nur alle Ehre gemacht und sein Tempo so hochgehalten, dass ich gar nicht erst mit dem Grübeln hätte anfangen müssen…

    Fazit: Ein Superkräfte-Schmarrn, der zwar zwischendrin immer mal wieder echt gut Laune macht, bei dem am Ende aber doch der Frust überwiegt, weil das eigentlich vielversprechende Konzept an keiner Stelle auch nur annähernd zu Ende gedacht und das kreative Pulver schon im ersten Drittel nahezu vollständig verschossen wird.

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