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    Die Turteltauben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Turteltauben

    Netflix‘ Antwort auf "Game Night" & Co.

    Von Christoph Petersen

    Mit dem Indie-Hit „The Big Sick“, in dem er die tragikomische Liebesgeschichte von sich und seiner zu Beginn der Beziehung schwer erkrankten Ehefrau Emily V. Gordon verarbeitet, hat sich Kumail Nanjiani vor drei Jahren aus eigener Kraft in ganz neue Hollywood-Sphären katapultiert: Nicht nur spielte der von der Kritik abgefeierte Film an den Kinokassen ein Vielfaches seiner Kosten wieder ein, für Nanjiani sprangen zusätzlich auch noch eine Oscarnominierung für das Beste Originaldrehbuch, eine Hauptrolle im kommenden Marvel-Blockbuster „The Eternals“ sowie ein Platz auf der Time-Magazin-Liste der „100 einflussreichsten Menschen des Planeten“ heraus.

    Nun hat sich Kumail Nanjiani für „Die Turteltauben“ erneut mit seinem „The Big Sick“-Regisseur Michael Showwalter („Wet Hot American Summer: First Day Of Camp“) zusammengetan. Aber wer deshalb jetzt auf ein weiteres durch und durch persönliches Indie-Juwel hofft, ist völlig falsch gewickelt: „Die Turteltauben“ ist eine in den Hauptrollen herausragend besetzte, aber durch und durch generische Verwechslungs-Krimikomödie in der Tradition von „Date Night“ (mit Tina Fey und Steve Carell) oder „Game Night“ (mit Rachel McAdams und Jason Bateman). Nachdem der Film ursprünglich regulär in die Kinos kommen sollte, hat Paramount „Die Turteltauben“ angesichts des Corona-Lockdowns an Netflix abgegeben – und da passt er auch sehr gut hin: harmlos und wenig überraschend, aber durchaus charmant und ausreichend kurzweilig für einen entspannenden Streaming-Abend.

    Alle Beweise deuten plötzlich in Richtung von Jibran (Kumail Nanjiani) Leilani (Issa Rae).

    Vier Jahre, nachdem sie sich kennengelernt haben, läuft es bei dem Dokumentarfilmer Jibran (Kumail Nanjiani) und der Werbedesignerin Leilani (Issa Rae) einfach nicht mehr. Aber exakt in der Sekunde, als sie sich eingestehen, dass ihre Beziehung offensichtlich am Ende ist, rammen sie mit ihrem Wagen frontal einen Fahrradfahrer. Der bleibt allerdings nicht liegen, sondern ergreift blutüberströmt die Flucht. Kurz darauf steigt ein (angeblicher?) Polizist (Paul Sparks) zu dem geschockten Paar ins Auto und nimmt die Verfolgung auf.

    Während Jibran noch darüber sinniert, dass der Unfall gar nicht so schlimm gewesen sei, da schließlich „nur“ ein flüchtiger Verbrecher überfahren wurde, holt der Cop den Flüchtigen ein – und setzt sooft mit dem Wagen vor und zurück, bis der Körper des Kuriers auch wirklich nur noch Matsch ist. Jibran und Leilani sind offenbar mitten in eine kriminelle Verschwörung geschlittert – und während sie von der Polizei und den Verbrechern gejagt werden, müssen sie irgendwie eine Möglichkeit finden, um zu beweisen, dass sie mit dem Mord nichts zu tun haben…

    Die Stars reißen es raus

    Nach dem Erfolg ihrer eigenen Sitcom „Insecure“, von der aktuell die vierte Staffel auf dem Qualitätssender HBO ausgestrahlt wird, erscheinen nun innerhalb von nur wenigen Wochen gleich zwei Filme mit Issa Rae in einer Hauptrolle – und nach ihren Auftritten in „The Photograph“ und „Die Turteltauben“, in denen sie selbst in den melodramatischsten oder absurdesten Szenen stets mit einer natürlichen Bodenständigkeit brilliert, ist auch klar, welche Starqualitäten die Regisseure und Produzenten in ihr gesehen haben:

    Jibran und Leilani sind ach so abgeklärte und medienerfahrene Millennials und es deshalb offenbar gewohnt, das Geschehen um sich herum selbst dann noch mit trockenen Kommentaren zu begleiten, wenn ihr Leben in höchster Gefahr schwebt. Solche Figuren können normalerweise auch sehr schnell sehr nervig werden – aber allein dank dem starken Spiel von Kumail Nanjiani und eben vor allem Issa Rae lässt man sich trotzdem gerne mit ihnen gemeinsam durch die zunehmend abstrusere Ausmaße annehmende Nacht treiben. Sonderlich clever ist der Krimi-Plot dabei übrigens nicht, es geht allein um das Schaffen möglichst skurriler Situationen – und ein paar halbgare Genre-Zitate, etwa wenn eine geheimnisvolle Kontaktperson (Anna Camp aus der „Pitch Perfect“-Reihe) ganz im Stil eins Film Noir mit Trenchcoat und Schlapphut am Treffpunkt aufschlägt. Da wurde sich in „Game Night“ noch deutlich mehr Mühe gegeben, nicht nur Comedy, sondern zumindest auch ein wenig Mystery zu liefern.

    In der Not trägt der Teufel Einhorn-Pullis.

    Letztendlich gibt es in der Handlung nach dem Jumpscare-Rammen des Radfahrers nur noch einen kleinen Twist. Aber der ist dafür auch echt ganz nett, weil er die nur auf sich selbst fokussierten Protagonisten auf den Boden der Tatsachen zurückholt und mit angenehmer Beiläufigkeit alle Luft aus dem Thriller-Plot herauslässt – ein schön trocken servierter Kontrapunkt. An der Von-einer-absurden-Situation-in-die-nächste-Stolpern-Front punktet „Die Turteltauben“ hingegen nach einer ganzen Reihe generischer Plotpunkte und Schauplätze mit einem opulenten Abstecher in die orgiastische Unterwelt der High Society von New Orleans. Da gibt es dann sowas wie die augenzwinkernde Antwort auf das finale Drittel von Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ – und die Frage, ob man sich zu einer anständigen Orgie eigentlich trotzdem ganz klassisch per Google-Kalendereintrag verabredet.

    Fazit: „Die Turteltauben“ ist die nächste Verwechslungs-Komödie, bei der ein argloses Paar wider Willen in einen Kriminalfall hineingezogen wird – das ist nicht sonderlich originell oder clever, aber die tollen Hauptdarsteller holen das Möglichste aus dem generischen Material heraus.

     

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