Der teuerste indische Film aller Zeiten
Von Asokan NirmalarajahIn Vijay Krishna Acharyas „Thugs Of Hindostan”, der jüngsten Produktion von Bollywoods erfolgreichstem Studio Yash Raj Films, trifft das indische Masala-Kino auf den amerikanischen Piratenfilm: Der übliche Bombast eines klassischen Sing-und-Tanz-Films verbindet sich mit einer Helden-, Liebes- und Rachegeschichte voller überladener Melodramatik zu einem waghalsigen Action-Abenteuer auf hoher See. Als filmische Vorbilder fungieren dabei vor allem die verspielte Slapstick-Komik der Blockbuster-Reihe „Fluch der Karibik” sowie die pathetische Anti-Kolonialismus-Rhetorik indischer Kostümfilme wie „Lagaan – Es war einmal in Indien“ oder „The Rising - Aufstand der Helden“.
Eigentlich sollten diese Elemente gut zusammenpassen, schließlich sind Hollywood und Bollywood an dieser Stelle ähnlich übertrieben theatralisch. Aber trotz einer charismatischen Superstar-Besetzung mit Aamir Khan (!), Amitabh Bachchan (!!) und Katrina Kaif (!!!), einer spektakulären Inszenierung und einem rasant-hohen Tempo ist das Ergebnis nur bedingt befriedigend. Zu vorhersehbar entwickelt sich die Geschichte, zu einseitig bleiben die Figuren und zu flach sind die Dialoge. So zieht sich das knapp dreistündige Spektakel über die stolze Laufzeit dann doch ganz schön hin.
Bei den titelgebenden Thugs of Hindostan handelt es sich nicht wirklich um Piraten, sondern um selbstlose Unabhängigkeitskämpfer, die um das Jahr 1800 die Handels- und Sklavenschiffe britischer Besatzer wie Seeräuber angreifen. Ihr erklärtes Feindbild ist General John Clive (Lloyd Owen), ein raffgieriger englischer Offizier, der sich als Unterhändler erst bei den indischen Rajahs einschmeichelt und anschließend deren Königreiche vereinnahmt. So auch das Königreich von Prinzessin Zafira (Fatima Sana Shaikh), die als kleines Mädchen mit ansehen musste, wie ihre Familie kaltblütig von Clive ermordet wurde. Sie selbst wurde von dem legendären Freiheitskämpfer Khudabaksh Azaad (Amithab Bachchan) gerettet und zu einer Kriegerin ausgebildet. Um Azaads Bande endgültig auszulöschen, lässt Clive den Trickbetrüger Firangi (Aamir Khan) in die Banditengruppe als Spion einschleusen. Doch der egoistische Dieb gerät unter der Mentorschaft von Azaads in eine Gewissenskrise...
„Thugs Of Hindostan“ bringt drei Schlüsselfiguren hinter dem Yash-Raj-Mega-Hit „Dhoom 3“ von 2013 wieder zusammen: den chamäleonartigen Hauptdarsteller Aamir Khan („Dangal“), die atemberaubend athletische Tänzerin Katrina Kaif („Zero“) und den Regisseur Vijay Krishna Acharya. Letzterer zeichnet zudem auch für alle Drehbücher der Actionfilm-Reihe „Dhoom“ verantwortlich. Mit dieser tatsächlich ziemlich coolen Bollywood-Variante der „Fast And Furious“-Filme mit mehr Songs, aber genauso unmöglichen Stunts etablierte Acharya sein Faible für pathetische Männerfreundschaften, bildgewaltige Tanzchoreographien und clowneske Protagonisten, die sich nach jeder Actionszene in heroische Posen werfen.
Nach „Fast And Furious“ nimmt sich Acharya nun also „Fluch der Karibik“ vor – und tatsächlich finden sich in „Thugs Of Hindostan“ all die in „Dhoom“ erprobten Elemente wieder, nur sind diese diesmal leider deutlich weniger unterhaltsam. Natürlich sind auch schon die „Pirates Of The Carribean“-Blockbuster kaum mehr als eine Revue aus bombastischen Stunts und simplem Slapstick. Aber sie erreichen dabei oft einen Unterhaltungslevel, an den Acharyas Hochsee-Epos nur selten heranreicht. Dafür ist der Film viel zu überladen mit unnötig langen, bedeutungsschwangeren Dialogen, die die vorhersehbare Handlung immer wieder zum Stagnieren bringen.
Da hilft auch der sichtbar immense Produktionsaufwand mit visuellen Effekten auf Hollywood-Niveau wenig. Und fast noch schlimmer: In der wenig aufregenden Geschichte versandet auch die Spielfreude der Besetzung, die sich zumindest physisch in absoluter Hochform präsentiert – allen voran Katrina Kaif in einem ihrer eher kleinen Show-Auftritte als laszive Bauchtänzerin. Aber den ersten gemeinsamen Auftritt der Leinwandlegenden Amitabh Bachchan und Aamir Khan, für Bollywood-Fans ein schon fast historisches Ereignis, hätte man sich schauspielerisch dann doch etwas herausfordernder vorgestellt.
Fazit: Mit einem Produktionsbudget von 42 Millionen Dollar ist „Thugs Of Hindostan“ der bis dato teuerste hindisprachige Film aller Zeiten - und das sieht man dieser Großproduktion, einer ebenso bunten wie lauten Mischung aus Piratenabenteuer und Bollywoodfilm, auch in jeder Einstellung an. Trotz ist die Geschichte zu vorhersehbar und die Laufzeit zu lang, um über die stolze Distanz hinweg durchgängig zu unterhalten.