Eine erfreuliche Rückkehr nach Lummerland
Von Christoph PetersenMit einem Budget von fast 25 Millionen Euro ist „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ nach wie vor eine der teuersten deutschen Filmproduktionen aller Zeiten. Etwa zwei Millionen Besucher strömten 2018 in die hiesigen Kinos, um sich die bildgewaltige Verfilmung des Klassikers von „Momo“-Mastermind Michael Ende anzusehen. Ein gutes, aber in Anbetracht des Budgets auch nicht überragendes Ergebnis. Trotzdem hat es für Regisseur Dennis Gansel („Die Welle“) und seine Produzenten gereicht, um nun auch noch die Roman-Fortsetzung „Jim Knopf und die Wilde 13“ von 1962 für die große Leinwand umsetzen zu können.
Es zählt zu den Alleinstellungsmerkmalen des ersten Films, dass er mit aufwändigen Computereffekten auf internationalem Niveau protzt – und tatsächlich fällt es leicht, sich etwa in den bombastischen Aufnahmen des an China angelehnten Fantasie-Staates Mandala zu verlieren. Allerdings war auch klar, dass sich die Effekte in der Fortsetzung kaum noch toppen werden lassen (zumal „Die Wilde 13“ wohl auch ein paar Millionen weniger als der Vorgänger zur Verfügung gehabt haben dürfte). Aber das macht gar nichts: Das Sequel ist dafür knackiger erzählt, während es zudem erneut mit skurrilen Figuren sowie einer stimmigen Message punktet. Und der eindrucksvollste Schauwert, nämlich die titelgebende Wilde 13, stammt diesmal ohnehin nicht aus dem Computer.
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer sind ganz heiß darauf, endlich wieder ein neues Abenteuer zu erleben...
Nach dem Sieg über die böse Frau Mahlzahn (Stimme: Judy Winter) ist diese nun dabei, sich in Mandala in einen Goldenen Drachen der Weisheit zu verwandeln. Unterdessen verbringen Jim Knopf (Solomon Gordon), Lokomotivführer Lukas (einfach perfekt besetzt: Henning Baum) und Prinzessin Li Si (Leighanne Esperanzate) eine gemütliche Zeit auf der zweibergigen Insel Lummerland. Doch Jim will unbedingt wieder los und neue Abenteuer erleben – auch weil er noch immer nicht herausgefunden hat, woher er stammt und wer seine Eltern sind.
Da kommt ihm ein Auftrag von Alfons dem Viertel-vor-Zwölften (Uwe Ochsenknecht) gerade recht. Der König verlangt nach einem Leuchtturm für Lummerland. Für einen echten Turm ist allerdings kein Platz, also brechen Jim und Lukas auf, um den Scheinriesen Tur Tur (Milan Peschel) für den Job anzuheuern. Die Mission scheint zunächst ohne größere Probleme abzulaufen. Doch dann wird Jims Lokomotive Molly von der finsteren Piratenbande Die Wilde 13 entführt...
Es gibt zwar hier und da kleine Anpassungen, aber im Großen und Ganzen sind die beiden „Jim Knopf“-Kinoadaptionen sehr viel werkgetreuer als etwa die mitunter stark eingekürzten „Harry Potter“-Verfilmungen. Dabei ist „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ mit seinen vielen lose aneinandergereihten Begegnungen vor allem als Ein-Kapitel-vor-dem-Schlafengehen-Geschichte perfekt geignet. Dem ersten Film fehlt aufgrund dieser Episodenhaftigkeit allerdings ein wenig der dramaturgische Drive. In der Fortsetzung ist das nun spürbar besser gelungen.
Nach einem amüsanten Wiedersehen mit den Bewohnern von Lummerland (u.a. Annette Frier, Christoph Maria Herbst) sowie den Fan-Favoriten Tur Tur und Nepomuk (Stimme: Michael Bully Herbig) beginnt mit der Entführung von Emma und der Jagd auf die Wilde 13 ein sehr viel geradlinigeres – und deshalb auch spannenderes – Abenteuer. Da macht es auch nichts, dass der Abstecher in das exotische Mandala diesmal deutlich kürzer und auch nicht mehr ganz so bombastisch ausfällt. Die niedliche Baby-Lokomotive Molly, die zu den Prunkstücken des insgesamt hervorragend arbeitenden Ausstattungs-Teams zählt, ist in Gefahr – dass da weniger Zeit zum Staunen bleibt, ist nur logisch.
Rick Kavanian gehört in seiner 12-fach-Rolle als Wilde 13 definitiv zu den Highlights der Fortsetzung.
Aber Molly ist nicht das einzige Highlight, das dieses Mal nicht aus dem Computer stammt. Ich gebe zu, dass ich vorab ein wenig Sorgen hatte, dass mir Rick Kavanian („Mord ist mein Geschäft, Liebling“) in seiner Zwölffach-Rolle als Wilde 13 einfach zu viel werden könnte. Aber mit dieser Befürchtung lag ich zum Glück völlig falsch. Der „Schuh des Manitu“-Star verleiht nicht nur jedem der Piraten eine eigene Persönlichkeit, er nimmt sich bei seinem Slapstick-Schabernack auch so weit zurück, dass das Schicksal der finsteren Gesellen nicht nur belustigt, sondern gen Ende sogar ehrlich berührt ...
... womit wir dann auch schon wieder bei der zentralen Aussage der beiden Bücher von Michael Ende sowie den Verfilmungen von Dennis Gansel wären. Denn wenn Riesen nur riesig scheinen und böse Drachen zu goldenen Orakeln werden, lohnt es sich, stets noch einen zweiten Blick auf etwas zu werfen, bevor man jemanden endgültig verurteilt oder abstempelt. Und apropos zweiter Blick: Wer den ersten Teil mochte, macht auch mit „Jim Knopf und die Wilde 13“ definitiv nichts falsch.
Fazit: Eine gelungene Fortsetzung, die weniger in ihren Effekten schwelgt und dafür ein noch knackigeres Fantasy-Abenteuer erzählt.