Ein erstaunlich relevantes Remake
Von Christoph PetersenFranchise-Puristen werden mit dem neuen „Child’s Play“ wahrscheinlich wenig anfangen können. Schließlich zeichnete sich die 1988 mit „Chucky“ gestartete Horror-(Komödien-)Reihe bislang vor allem dadurch aus, dass mit Don Mancini ein einzelner Autor für die Drehbücher zu allen sieben Teilen verantwortlich zeichnete. Beim 2019er-Reboot wurde jedoch nicht nur auf eine Beteiligung des bisherigen Masterminds verzichtet, neben dem gewöhnungsbedürftigen neuen Chucky-Look wurde auch die komplette Origin Story der Mörderpuppe abgeändert: So ist Chucky in der Neuauflage nicht länger von der Seele eines getöteten Serienkillers besessen, sondern eine amoklaufende Künstliche Intelligenz (K.I.) in einem Kinderspielzeug. Allerdings ist es am Ende gerade dieses zeitgemäße Story-Update, das den Reboot sehenswert macht – und natürlich gibt es auch diesmal wieder richtig schön fiese Slasher-Szenen, in denen Regisseur Lars Klevberg („Polaroid“) mit jeder Menge spritzendem Kunstblut den Camp-Charme des Achtziger-Horrorkinos heraufbeschwört.
Die alleinerziehende Karen Barclay (darf ihren typischen trockenen Humor leider nur in einer Szene ausspielen: Aubrey Plaza) bringt ihrem 13-jährigen Sohn Andy (Gabriel Bateman) von ihrer Arbeit im Kaufhaus eine wegen merkwürdiger Fehlfunktionen reklamierte Buddi-Puppe mit, die sich schon bald selbst auf den Namen Chucky tauft. Normalerweise sind diese sprechenden Kinderspielzeuge so programmiert, dass sie sich mit Hilfe von selbstlernender K.I. zwar ganz auf die Bedürfnisse ihrer Besitzer einstellen, dabei aber eine ganze Reihe von Grenzen (die schon beim Fluchen anfangen) nicht überschreiten. Aber bei Chucky sind alle Sicherheitsschranken ausgeschaltet – und so nimmt es die Puppe eben durchaus wörtlich, wenn sich Andy etwa voller Wut wünscht, dass der ihm verhasste Freund seiner Mutter (David Lewis) doch möglichst ein für alle Mal verschwinden solle...
Eine böse Überraschung - doch das ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand
Irgendwo in einer asiatischen Elektrofabrik wird ein Mitarbeiter erniedrigt und gefeuert – woraufhin er aus Rache bei einer einzelnen Spielzeugpuppe alle vorgeschriebenen Software-Sicherheitsmechanismen außer Kraft setzt. Wo der Original-„Chucky“ mit der Seelenübertragung schon in den ersten Szenen sofort ins Okkulte abbog, erweist sich der Reboot als unerwartet nah an der heutigen Diskussion: Schließlich wurde hierzulande erst vor zwei Jahren die intelligente Spielzeugpuppe My Friend Cayla gerichtlich verboten, weil sie Gespräche im Kinderzimmer aufzeichnet und zur Verarbeitung auf die Server des Herstellers weiterleitet. Auch der von Kaslan Corporation (quasi Apple) hergestellte neue Chucky ist mit allen möglichen anderen Gerätschaften des Megakonzerns verbunden – vom digitalen Assistenten (quasi Alexa) bis hin zu einem selbstfahrenden Auto. Natürlich ist die konkrete Ausgestaltung der Horrorszenen dann total übertrieben – aber statt auf den Evergreen „Dämonischer Serienkiller“ setzt „Child’s Play“ dennoch auf angenehm aktuelle Ängste.
Allerdings geht der bisher vor allem im Videospielfach („Quantum Break“) erfolgreiche Drehbuchautor Tyler Burton Smith dabei längst nicht so weit, wie es denkbar gewesen wäre. Vor einiger Zeit gab es mal einen Versuch mit einer Künstlichen Intelligenz, die sich selbst beibringen sollte, wie man Internetkommentare schreibt – ein Experiment, das schon nach wenigen Stunden damit endete, dass die K.I. nur noch mit rassistischen Hasstiraden gegen Flüchtlinge hetzte. Selbstlernende Software im Internet kann sich also tatsächlich als wahre Horrorvorstellung erweisen. Aber solche Themen meiden die Macher komplett, indem sie die Puppe, die zwar eigentlich mit allem vernetzt ist, nie direkt mit dem Internet interagieren lassen. Stattdessen „lernt“ Chucky wie einst E.T. vor alllem durchs Fernsehgucken. In diesem Fall geschieht das allerdings mit Hilfe mit einem alten „Texas Chainsaw Massacre“-Video – ein amüsantes Zitat, aber angesichts der im Kern so zeitgemäßen Prämisse zugleich auch arg analog.
In der Original-Reihe war Chucky von Beginn an die Ausgeburt des Bösen – was uns im Zusammenspiel mit der kultigen Stimme von Brad Dourif einige der erinnerungswürdigsten und geradeheraus gemeinsten Oneliner der Horrorfilmgeschichte eingebracht hat. Was die Stimme angeht, können sich zumindest Zuschauer der englischen Originalversion nun auch beim Remake nicht beschweren – immerhin hat mit Mark Hamill („Star Wars: Die letzten Jedi“) einer der besten Bösewicht-Sprecher überhaupt den Job übernommen (nicht nur sein Joker ist legendär). Nur auf die fiesen Sprüche muss man diesmal deutlich länger warten – schließlich wollen auch die erst einmal von der K.I. gelernt werden. Aber selbst dann sind sie längst nicht so grandios trocken wie in den früheren Filmen.
Bei Fans alles andere als unumstrtten: Der neue Chucky-Look!
Ganz anders sieht das bei den Slasher-Szenen aus: Es gibt zwar nicht mehr als maximal eine Handvoll Tötungsszenarien, aber die haben es dafür wirklich in sich. Denn selbst wenn Chucky ja eigentlich am liebsten ganz klassisch mit einem Messer zusticht, lässt er sich diesmal richtig was einfallen, um seine Opfer zu massakrieren – Kreissägen, mit Teppichmessern aufgepimpte Drohnen und eine (von Leatherface persönlich abgeschaute) Gesichtshäutung inklusive. Das ist zwar nie sonderlich spannend, aber oft lustig und immer richtig schön böse – und am Ende ist es ja wohl vor allem diese Mischung, die den wahren Kern des nun schon seit mehr als 30 Jahren anhaltenden „Chucky“-Erfolgs ausmacht.
Fazit: Ein solides Kult-Remake, das nicht nur einfach noch mehr Slasher-Szenen mit Horror-Ikone Chucky nachliefert, sondern seine Existenz auch mit einer ganzen Reihe gelungener Story-Updates rechtfertigt.