"The Big Short 2"
Von Björn BecherDie internationalen Finanzgeschäfte sind inzwischen so kompliziert geworden, dass kaum ein Mensch auf dem Planeten sie mehr durchschaut. Wer die Möglichkeiten hat, kann sein Geld hinter undurchsichtigen Firmen-Konstrukten verstecken, um so Steuern zu sparen, der Haftung zu entgehen oder schmutziges Geld zu waschen. Mit seiner oscarprämierten Immobilienblase-Satire „The Big Short“ gelang Adam McKay das Kunststück, solche komplexen Vorgänge auf einzelne Happen herunterzubrechen (ohne sie zu simplifizieren) und sie dem Zuschauer zugleich mit erstaunlich viel Witz nahezubringen – selbst wenn es dafür eine sich im Schaumbad räkelnde Margot Robbie braucht. Steven Soderbergh hat sich für seine episodenhafte Netflix-Produktion „Die Geldwäscherei“ eine ganze Menge von seinem Kollegen abgeschaut, zugleich übernimmt er aus Martin Scorseses „The Wolf Of Wall Street“ die Idee des Finanzschurken, der sich als Ich-Erzähler vertrauensvoll an den Zuschauer wendet, als würde dieser auf seiner Seite stehen. Aber wie schon bei Soderberghs „Der Informant“, geht das Konzept, einen Stoff, bei dem es eigentlich nichts zu lachen gibt, betont locker aufzuarbeiten, nicht durchweg auf.
Es geht um die Panama Papers, also jene 2,6 Terabyte an vertraulichen Daten der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die 2015 aus nach wie vor unbekannter Quelle zunächst einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung zugespielt und dann in mühevoller Kleinstarbeit von Journalisten aus aller Welt durchleuchtet wurden. Die Veröffentlichung im April 2016 sorgte für ein Erdbeben nicht nur auf dem Finanzmarkt. Schließlich wurden so nicht nur die finanziellen Machenschaften von Bankern und Anwälten, sondern auch von Sportstars und Staatschefs aufgedeckt. Aber Soderbergh lässt die Journalisten, darunter etwa der Pulitzerpreisträger Jake Bernstein, auf dessen Buch „Secrecy World“ der Film basiert, gar nicht auftreten. Stattdessen erzählen die beiden Anwälte Jürgen Mossack (Gary Oldman) und Ramón Fonseca (Antonio Banderas) eine Reihe von Geschichten, die sie eigentlich gar nicht erzählen wollen, weil es ihnen viel lieber gewesen wäre, dass das alles niemals herausgekommen wäre.
Mossack und Fonseca erklären selbst ihre Welt.
Los geht’s mit Ellen Martin (Meryl Streep), die ihren Mann Joe (James Cromwell) ausgerechnet an ihrem 40. Hochzeitstag bei einem Bootsunglück verliert. Aber bei der Entschädigungszahlung von der Versicherung des Bootsbetreibers gibt es ein Problem. Denn hinter der Versicherungspolice steckt wie bei einer Matrjoschka-Puppe eine Briefkastenfirma nach der nächsten, was auch den Veranstaltern der Bootsfahrt (David Schwimmer, Robert Patrick) Kopfzerbrechen bereitet. Zudem will Ellen ihr neues Leben ohne Gatten dort verbringen, wo sie sich einst kennengelernt haben: in Las Vegas. Doch russische Käufer schnappen ihr das sichergeglaubte Appartement vor der Nase weg – und erneut steckt dahinter Briefkastenfirma nach Briefkastenfirma. In beiden Fällen führt die Spur zur kleinen Karibik-Insel Nevis. Doch damit ist sie noch weit weg von der in Panama sitzenden Anwaltsfirma von Mossack und Fonseca, die einige hunderttausend solcher Firmen-Konstrukte rund um den Globus geschaffen hat…
Mit dem tragischen Schicksal von Ellen Martin gelingt Steven Soderbergh („Logan Lucky“) der perfekte Einstieg in seinen Finanzfilm. Schließlich ereignet sich mit dem überraschend spektakulär inszenierten Ausflugsbootunfall ein menschliches Drama, mit dem sich der Zuschauer direkt identifizieren kann. Ellens Weg, der sie über eine Immobilienmaklerin (Sharon Stone) bis in die Karibik führt, illustriert in nur wenigen Bildern den aussichtslosen Kampf des ohnmächtigen einfachen Bürgers. Da reicht nur eine kurze Fantasie, in der sie sich ausmalt, wie sie mit einer Pumpgun in das riesige Bürogebäude der hinter allem steckenden Firma mit ihren hunderten Angestellten stürmt. Aber dann folgt dieselbe Szene noch einmal, aber diesmal in der Realität – und da gibt es gar kein Bürohochhaus, sondern nur ein schieres Meer an Briefkästen, für die gesuchte Firma und viele weitere.
Aber Soderbergh und sein Autor Scott Z. Burns („Side Effects“) es nicht bei Ellens augenzwinkernd vorgetragener Odyssee. Immer wieder unterbrechen Banderas und Oldman (mit einem dem Vorbild entsprechenden, sehr präsenten deutschen Akzent) das Geschehen, um unsere Aufmerksamkeit in verschiedene Richtungen zu lenken und weitere Hintergründe zu liefern. Der Einfluss von „The Big Short“ ist dabei von Beginn an spürbar, wenn uns das Erzählerduo zum Auftakt erst einmal in einem Steinzeitsetting den Übergang vom Tausch- zum Geldhandel erklärt, um dann in einer Disco die nächste „Revolution“ durch die Einführung von „Kreditlinien“ zu illustrieren. Trotz einiger starker (Comedy-)Momente erreicht „Die Geldwäscherei“ erreicht aber nicht die Qualität von „The Big Short“, dafür wirkt er insgesamt zu unrund. Und das hat weniger mit dem nicht immer stimmigen Nebeneinander von Drama und Komödie zu tun, sondern auch mit der episodenartigen Struktur, deren einzelne Segmente mitunter etwas beliebig zusammengestellt wirken.
Die Panama Papers haben moralisch verwerfliche, aber legale Steuervermeidungsprojekte sowie strafbare Steuer- und Geldwäschedelikte auf der ganzen Welt enthüllt. Soderbergh will deshalb unbedingt einen globalen Blick auf das Thema werfen und verlässt dafür immer wieder die Geschichte von Ellen Martin. Die Story des karibischen Buchhalters Boncamper (Jeffrey Wright), einem der Gesichter des Skandals, wird noch geschickt mit Ellens Erzählung verwoben und fügt sich organisch ein. Ein kurzer Ausflug nach Mexiko, wo zwei Gringos (Will Forte, Chris Parnell) die zufällige Begegnung mit einem Drogenboss (G-Rod) bitter bezahlen, stört als ohnehin nur rund eine Minute langer Einschub ebenfalls kaum. Das Schicksal eines englischen Geschäftsmanns (Matthias Schoenaerts) in China bleibt dagegen ein eher öder Fremdkörper. Die Episode ist wohl nur im Film, weil die Panama Papers die chinesische Regierung so massiv erschüttert haben, dass das Volk von jeder Berichterstattung darüber abgeschirmt wurde. Es entsteht der Eindruck, dass Soderbergh diese um die Welt gegangene und daher sehr bekannte Seite unbedingt auch abbilden wollte. Dafür hat er allerdings in Kauf genommen, dass sein Werk gerade in der zweiten Hälfte zunehmend zersplittert.
Ellen Martin sucht auf der Karibik-Insel Nevis eine Firma.
Trotz einer auch angesichts des komplexen Themas verwunderlich überschaubaren Laufzeit von gerade einmal 95 Minuten zieht sich „Die Geldwäscherei“ aufgrund einiger der Episoden daher etwas. Dass Soderberghs Film insgesamt dennoch überzeugt, liegt aber nicht nur an dem bis in kleinste Nebenrollen prominent besetzten und größtenteils sehr starken Cast, sondern auch an einer gehörigen Portion Selbstironie. „Die Geldwäscherei“ begnügt sich nämlich nicht damit, immer nur mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, wie etwa ein kurzes Referat der Erzähler über den US-Steueroase Delaware zeigt: Auch der Regisseur dieses Films hat dort fünf Unternehmen angemeldet, der Autor immerhin eine, informieren uns Oldman und Banderas. Und am Ende ist „Die Geldwäscherei“ natürlich auch ein flammender Appell, dass sich endlich etwas ändern muss, weshalb die letzten Minuten der sich ihres Make-ups entledigenden Meryl Streep gehören, die mitten im Green-Screen-Set noch ein abschließendes Plädoyer als sie selbst hält und so endgültig die vierte Wand zerschmettert.
Fazit: Steven Soderbergh nähert sich dem eigentlich so trockenen Thema der „Panama Papers“ auf ebenso aufklärerische wie unterhaltsame Weise. Die Episodenstruktur sorgt neben einer mehrseitigen Beleuchtung der Thematik allerdings auch dafür, dass „Die Geldwäscherei“ zwischendrin immer mal wieder an Schwung verliert.
Wir haben „Die Geldwäscherei“ auf dem Filmfestival in Venedig gesehen, wo er im Wettbewerb gezeigt wurde.