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    Annabelle 3
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Annabelle 3

    Zu wenig Conjuring

    Von Carsten Baumgardt

    Geschlossene Cinematic Universes, also Erzählwelten, die von diversen Filmen und Figuren geteilt werden, sind seit Marvels berühmtem Cinematic Universe (MCU) mit dem gigantischen kommerziellen Highlight „Avengers: Endgame“ das aktuelle Wundermittel der Blockbuster-Kinoindustrie. Alles ist irgendwie mit allem verbunden, der eine Film befeuert den anderen: Die Vorfreude der Fans auf die „Infinity War“-Auflösung „Endgame“ zog den 21. MCU-Film „Captain Marvel“ wie im Sog einfach mit – so funktioniert das Erfolgsprinzip. Doch abseits dieser Gigantomanie geht es auch zwei Nummern kleiner, siehe Conjuring Universe. In dieser Horrorwelt von Warner Bros. wird mit Budgets von 6,5 Millionen Dollar („Annabelle“) bis maximal 40 Millionen („Conjuring 2“) hantiert – und ebenfalls Gewinn gemacht.

    Was schon in „Lloronas Fluch“ zu erkennen war, ist aber nun im Spin-off „Annabelle 3“ offensichtlich: Mit dem siebten Teil stößt das Conjuring Universe erzählerisch an seine Grenzen. Denn der Markenkern, und das ist und bleibt die Gänsehaut garantierende Geschichte um das charismatische (reale) Dämonologen-Paar Ed (Patrick Wilson) und Lorraine Warren (Vera Farmiga), wird mehr und mehr ausgewaschen. Der Grusel-Thriller „Annabelle 3“ hat eine viel zu beliebige Handlung und bedient sich trotz erkennbarer Bezüge zum innovativen „Conjuring“ zu vieler x-beliebiger Horror-Klischees. Dabei hatte man mit dem erstmaligen Auftritt der Warrens in einem „Annabelle“-Film die Hoffnung, dass die Verbindung zum herausragenden Hauptthema gestärkt wird. Doch das Mitwirken der Ursprungsstars Patrick Wilson und Vera Farmiga ist ein PR-Stunt, weil beide nur kurz am Anfang und Ende zu sehen sind – und dabei auch eher passiv wirken. Immerhin bietet das Regiedebüt von „Annabelle“- und „The Nun“-Autor Gary Dauberman („Es 2“) die edel-atmosphärischen Bildern von Michael Burgess („Conjuring 3“), der schon „Lloronas Fluch“ gut aussehen ließ.

    Die Horrorpuppe ist zurück.

    Anfang der 70er Jahre: Die bekannten Dämonologen Ed (Patrick Wilson) und Lorraine Warren (Vera Farmiga) wollen die Familie Perron (aus „Conjuring“) von der unheilvoll-mächtigen Puppe Annabelle befreien, die zwar nicht selbst besessen ist, aber andere Geister aktivieren kann. Die Warrens sperren Annabelle in eine Glasvitrine (wird einmal die Woche frisch geweiht) in ihrem Artefakte-Keller, wo sie allerlei schwer Verfluchtes verwahren. Doch als Teenagerin Daniela (Katie Sarife) ihre Freundin Mary Ellen (Madison Isemann) besucht, während diese als Babysitterin für die zehnjährige Warren-Tochter Judy (Mckenna Grace) arbeitet, ist selbst die Warnung „Unter keinen Umständen öffnen“ nicht deutlich genug. Denn Daniela hofft im Haus der Dämonologen Kontakt zu ihrem Vater Anthony (Luca Luhan) aufnehmen zu können, den sie kürzlich bei einem Autounfall verloren hat. Stattdessen setzt sie aber die dämonische Annabelle-Puppe frei. Und die Warrens sind an diesem Abend nicht zuhause…

    „Annabelle 3“ spielt direkt im Anschluss an „Conjuring“ (1971) und vor „Conjuring 2“ (1977). Das wird im atmosphärischen Beginn deutlich. Dort stranden die Warrens beim Abtransport Annabelles neben einem von extremem Nebel verhangenen Friedhof. Autopanne! Doch wer sich nun auf einen waschechten „Conjuring“-Gruselfilm freut, wird schnell enttäuscht. Denn die vermeintlichen Hauptfiguren Ed und Lorraine Warren sind nur der Storyköder, also die neben vielen kleinen Details und Verweisen greifbarste Verbindung zum Conjuring Universe. Nach dem starken Einstieg wird auf die Bremse getreten und anschließend braucht der Horrorfilm sehr lange, um wieder Fahrt aufzunehmen. Schließlich müssen nach diesem Prolog erst einmal die tatsächlichen Hauptfiguren Daniela, Mary Ellen und Judy eingeführt werden.

    Klischees trotz intelligenter Figuren

    An diesen liegt es aber nicht, dass der Grusel von „Annabelle 3“ nur auf mittlerer Flamme köchelt. Katie Sarife („Supernatural“), Madison Isemann („Jumanji – Willkommen im Dschungel“) und die schauspielerisch erstaunlich reife Mckenna Grace („Begabt – Die Gleichung eines Lebens“) haben zusammen eine stimmige Chemie. Neben dem vordergründigen Thema Verlust verhandeln die drei die Ablehnung Judys durch ihre Mitschüler, die in ihren verrufenen Eltern (Überschrift eines Zeitungsartikels über die Warrens: „Heroes or hoax“) begründet ist. Hier betrachtet Regisseur Dauberman etwas Spezielles und wird dabei doch universell, weil das Außenseiter-Thema übertragbar und für viele nachfühlbar ist.

    Deswegen ist es besonders schade, dass sich Dauberman beim Griff ans Eingemachte allzu vieler Allgemeinplätze des Genres bedient – und die zuvor intelligent gezeichneten Figuren sich dann dumm verhalten, indem sie immer das tun, was sie nicht machen sollen. So wird „Annabelle 3“ schlicht vorhersehbar – selbst wenn einen so mancher Jump Scare aus dem Kinositz zu rütteln versucht. Ein ironischer Bruch dieser Klischees ist nicht erkennbar, dafür versucht Dauberman, etwas mehr Humor und Leichtigkeit als bisher bei „Annabelle“ einzubringen – vor allem in dem Strang um Mary Ellens edlen Verehrer Hühner-Bob (Michael Cimino, nicht verwandt mit der gleichnamigen Regielegende), der bei seinen kühnen Annährungsversuchen die Lacher auf seiner Seite hat, sich aber nicht der Lächerlichkeit preisgibt.

    Nicht immer verhalten sich die Figuren intelligent.

    Auf dem Siedepunkt ist „Annabelle 3“, der visuell und ausstattungstechnisch mit seinem extravagant-campy 70ties-Style gefällt, wenn alle Bälle im Spiel sind und im Artefakt-Keller die Hölle losbricht. Da rappelt es an allen Ecken und Enden, wenn Annabelle dringlicher denn je eine Seele einfordert. Hier gelingen Dauberman einige kleine Glanzstücke – etwa, wenn Daniela beim Blick in eine Art Spiegel ihr unmittelbares Schicksal in einem Echo aus der Zukunft zu sehen bekommt, was ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt. Hier ist „Annabelle 3“ unheimlich, gruselig und finster. Warum der Regisseur bei seiner Auflösung der Geschichte nicht auf diese Stimmung vertraut und sie stattdessen quasi entweiht, ist nicht nachzuvollziehen. So fehlt es „Annabelle 3“ letztlich an der richtigen Wirkung. Dazu laufen so manche Fäden ins Leere. Was ist zum Beispiel aus dem Priester geworden, der Judy zu Beginn auf dem Schulhof erscheint? Oder überhaupt aus Judys „Ich sehe tote Menschen“-Attitüde? Wenn die Maschinerie irgendwann in Gang ist, spielt das keine Rolle mehr und wird auch erzählerisch nicht mehr aufgegriffen.

    Fazit: Gary Daubermans Horror-Thriller „Annabelle 3“ sieht gut aus, setzt aber zu oft auf Klischees anstatt die Verbindung zum Conjuring Universe zu stärken. Eine erkennbare Brücke zu „Conjuring 3“ (10. September 2020) ist „Annabelle 3“ deswegen auch nicht.

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