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    Tone-Deaf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tone-Deaf

    Der T-1000 erklärt der Generation Y den Krieg!

    Von Janick Nolting

    Wenn Richard Bates Jr. einen neuen Film dreht, dann weiß man eigentlich schon im Vorfeld: Es wird ziemlich schräg und ziemlich böse! Den meisten Genre-Fans wird der Regisseur schließlich vor allem durch seinen zynischen Coming-of-Age-Horror „Excision“ bekannt sein. In dem rebelliert AnnaLynne McCord als von blutigen Fantasien getriebene Teenagerin gegen das Spießertum und die Sexualmoral ihrer Familie und der Gesellschaft. Inzwischen verhärtet sich allerdings immer mehr der Eindruck, dass Bates Jr. bereits 2012 seinen Zenit erreicht hatte, denn viel Neues scheint ihm mittlerweile nicht mehr einzufallen. Bereits seine letzten Werke „Suburban Gothic“ und „Trash Fire“ fielen qualitativ etwas ab und auch in seiner Horror-Satire „Tone-Deaf“ arbeitet er sich erneut an Altbekanntem ab.

    Olive (Amanda Crew) hat gerade ihren Job verloren und ihre Beziehung ist auch noch in die Brüche gegangen. Ein Wochenende auf dem Land soll eigentlich von ihren Problemen ablenken, doch dabei landet sie ausgerechnet im Haus eines Psychopathen. Harvey (Robert Patrick) ist mit der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung so gar nicht zufrieden und hegt einen besonderen Hass auf alle Millennials. Nach dem Selbstmord seiner Frau hat er das Töten anderer Menschen als Hobby für sich entdeckt und so muss auch Olive bald um ihr Leben fürchten…

    Harvey kann mit der jungen Gerenation aber mal so gar nichts anfangen...

    Ausgerechnet den T-1000-Darsteller aus „Terminator 2“ als Fiesling zu besetzen, ist ein wahrer Glücksgriff: Robert Patrick funktioniert als durchgeknallter Killer in „Tone-Deaf“ einfach hervorragend! Wenn man ihn das erste Mal im Garten am Grab seiner verstorbenen Frau sieht, dann nähert sich die Kamera langsam den Streben des Zauns, die aus dieser Perspektive fast wie Gitterstäbe anmuten, bis Richard Bates Jr. den Film schließlich stoppt und seinen Psychopathen direkt in die Kamera sprechen lässt. Mit dieser geschickten Einstellung fühlt es sich für den Zuschauer fast so an, als ob er selbst in einem Käfig hockt, während der wütende Patrick dem Publikum von oben herab einen unerlässlich aggressiven Monolog entgegenschleudert. Das einzige, was die Millennials gegen die Überbevölkerung tun können, sei sich selbst zu opfern, behauptet er. Während dieser erste große Auftritt durchaus verstört, fällt die aufgesetzte Polemik des Films danach allerdings recht schnell in sich zusammen.

    Gegen alles und nichts

    Bates Jr. war noch nie jemand, der um Diplomatie bemüht war. Bei ihm ist die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft immer bewusst überspitzt, aber dieses Mal schießt er so weit übers Ziel hinaus, dass seine Angriffe nicht mehr bissig, sondern nichtssagend anmuten: „Tone-Deaf“ wagt den Rundumschlag gegen alle aktuellen Parteien, Strömungen und Haltungen: Olives übergriffiger Chef (Ray Santiago) ist die lebendig gewordene Bestätigung für alles, was die #MeToo-Bewegung anprangert, während die junge Frau selbst das Sinnbild einer Generation ist, die sich zwar nach einer besseren Welt sehnt, aber am Ende selbst doch nichts zustande bekommt. „Tone-Deaf“ blickt auf viele seiner politischen Themen jedoch so einseitig und verkrampft provozierend, wie es auch der durchgeknallte Patrick als Sinnbild des „alten, weißen Mannes“ im Film tut. Hier wird alles mit plumpen Sätzen explizit gemacht, nichts davon fühlt sich wirklich durchdacht an. Das erweckt manchmal eher den Eindruck, als würden die Figuren einfach streitbare Tweets oder Facebook-Kommentare vortragen. Bei den satirischen Elementen kann man meistens nur mit den Augen rollen!

    Interessant wird es dann, wenn der Regisseur (abseits seiner Killer-Geschichte) einmal mehr hinter die gutbürgerlichen Fassaden schaut, wie er es schon in seinen letzten Filmen getan hat. Da stellt sich dann nämlich plötzlich die gar nicht so offensichtlich zu beantwortende Frage, ob der von Patrick gespielte Psycho hier wirklich die schlimmste Figur ist. Wie Bates Jr. die sprichwörtlichen (und buchstäblichen) Leichen im Keller der amerikanischen Landbevölkerung an die Oberfläche zerrt, ist dann jedoch schon wieder weit entfernt von dem cleveren schwarzen Humor, mit dem sich der Regisseur zu Beginn seiner Karriere einen gewissen Kultstatus erarbeitet hat. Immerhin muss man ihm zugutehalten, dass er sich bei seinem blutigen Generationenkonflikt am Ende zu keiner allzu deutlichen Positionierung hinreißen lässt, sondern wirklich alle in diesem Film ihr Fett gleichermaßen wegbekommen.

    ...und das bekommt auch Olive am eigenen Leib zu spüren!

    Am stärksten ist der Film immer dann, wenn er seinen gesellschaftssatirischen Aspekt mal für ein paar Minuten links liegen lässt. Amanda Crew bekommt in der Hauptrolle besonders im Zusammenspiel mit ihrer Hippie-Mutter (Kim Delaney) ein paar durchaus sympathische Szenen und Running Gags spendiert, wenn die junge Frau beispielsweise immer wieder an ihren mangelnden musikalischen Fähigkeiten beim Klavierspiel scheitert oder ihrem toten Vater auf einem LSD-Trip begegnet. Auch wenn sich „Tone-Deaf“ mal in klassische Horror- bzw. Thriller-Gefilde begibt, dann hat das zugegeben seine Momente: Wenn der mordende Gastgeber seiner Besucherin kurz nach deren Ankunft eine Spinne in ihrer Kontaktlinsen-Dose steckt, dann fühlt man sich direkt an Luis Tosars psychopathischen Hausmeister aus „Sleep Tight“ zurückerinnert.

    Dass es sich Bates Jr. bei seiner Inszenierung mit den ständigen Rhythmuswechseln, stilistischen Einwürfen und dem Durchbrechen der vierten Wand leicht gemacht hätte, kann man ihm ebenfalls nicht vorwerfen. Schon in „Excision“ gab es die surrealen und äußerst blutigen Zwischensequenzen, die die verborgenen dunklen Seiten der Hauptfigur wunderbar verstörend auf eine optische Ebene übertragen haben. Ähnliches versucht er nun auch in „Tone-Deaf“, wenn er etwa in die Albträume des Mörders eintaucht, wo dieser in einem weißen Raum von blau angemalten Klonen malträtiert wird oder gar Männern beim Küssen zusehen muss. Aber so irre diese Momente mitunter auch anzusehen sind: Sie haben in diesem Fall kaum noch etwas auszusagen, was nicht vorher eh schon klar wurde. Zudem gibt es von solchen experimentellen Abschweifungen diesmal auch nicht allzu viele, stattdessen ist es nie weit bis zur nächsten Polit-Predigt.

    Fazit: „Terminator 2“-Gegenspieler Robert Patrick gibt auch hier wieder einen starken Bösewicht ab, der die Horror-Satire einigermaßen rettet. Ansonsten ist „Tone-Deaf“ trotz seiner ambitionierten inszenatorischen Spielereien allerdings eine ärgerlich platte Provokation, die sich in ihren anklagenden Predigten mit Klischees und Oberflächlichkeiten begnügt.

    Wir haben „Tone-Deaf“ auf dem Fantasy Filmfest 2019 gesehen.

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