Vier der ganz, ganz Großen
Von Thomas LassonczykWie erfrischend kann es schon sein, vier betagten Frauen, die es zusammen auf mehr als 340 Jahre Lebenszeit bringen, fast 90 Minuten lang dabei zuzuhören, wie sie über (ur-)alte Zeiten plaudern? Die Antwort lautet eindeutig: herzerfrischend! Vor allem, wenn diese Damen zu den bedeutendsten Schauspielerinnen gehören, die das britische Königreich jemals hervorgebracht hat. Natürlich ist es nicht verkehrt, wenn man für dieses etwas andere Leinwandabenteuer eine gewisse Affinität für das englische Theater sowie den Film und dessen Historie mitbringt. Aber zumindest zwei der Darstellerinnen sind dank regelmäßiger Auftritte in internationalen Blockbustern ja ohnehin auch einem breiten Publikum bekannt: Judi Dench (*1934), die seit Mitte der 1990er Jahre die Chefin des MI-5 in den James-Bond-Filmen verkörperte, und Maggie Smith (*1934), die der Professorin Minerva McGonagall in den „Harry Potter“-Adaptionen ein Gesicht gab.
Trotz der Popularität von Dench und Smith ist Roger Michells Dokumentarfilm „Tea With The Dames – Ein unvergesslicher Nachmittag“ aber keinesfalls etwas für die breite Masse. Eingefleischte Cineasten, die mit dem Werk der vier Protagonistinnen vertraut sind, werden dagegen ihre helle Freude an den vielen Insider-Gags, der köstlichen Selbstironie und dem typisch trockenen britischen Humor haben. Allerdings hätte man gerne auch etwas mehr über das Leben hinter den Kulissen erfahren, etwa über das Verhältnis zu ihren Ehemännern, die meisten von ihnen selbst gestandene Schauspieler. Aber letztendlich waren die Frauen auch bei diesem „intimen“ Dreh Profis genug, um nur das vor der Kamera preiszugeben, was sie auch wirklich da draußen in der Welt haben wollen.
Die vier Granden des britischen Kinos treffen sich bereits seit 50 (!) Jahren regelmäßig zum Tee.
Auch wenn im Film kein Tee, sondern vorwiegend Wasser und zum krönenden Abschluss eine Flasche Champagner getrunken wird, sagt der Titel doch schon einiges über dieses Werk aus. So haben die vier Freundinnen, neben Dench sind dies Eileen Atkins (*1934, „Gosford Park“) und Joan Plowright (*1929, „Tee mit Mussolini“), eines gemeinsam: Sie sind allesamt für ihre schauspielerischen Verdienste (im Original: „for Services to Drama“) vom britischen Königshaus zur „Dame“, etwa vergleichbar mit dem „Sir“ bei den Männern, erhoben worden. Und zudem verbringt dieses Quartett hin und wieder tatsächlich einen gemeinsamen Nachmittag auf einem idyllischen Cottage irgendwo in England –und das bereits seit 50 Jahren. 2018 hatte Roger Michell, bekannt durch den RomCom-Hit „Notting Hill“, das Privileg, die Damen bei einer dieser Zusammenkünfte filmen zu dürfen.
„Tea With The Dames“ folgt dabei nicht wirklich einer Dramaturgie. Stattdessen hält Michells Kameramann Eben Bolter meist einfach nur drauf und lässt die in Ehren ergrauten Aktricen erzählen, von den Anfängen auf der Bühne bis hin zur großen Leinwandkarriere. Nur manchmal greift der Regisseur ein, aus dem Off kommen dann Stichworte wie „schlechte Kritiken“ („Die liest man nicht!“), das Älterwerden („Hände hoch, wer ohne Hörgerät da ist!“) oder die Arbeit mit den Ehemännern („Mit welchen?“). Alle vier erweisen sich dabei in ihren Antworten als ebenso spitzzüngig wie lausbübisch, als ebenso clever wie sarkastisch, und manchmal geben sie sich so albern wie ein kleines Kind.
Auch wenn man den Vieren stundenlang dabei zuschauen könnte, wie sie sich gegenseitig die Bälle zuwerfen und sich immer wieder über sich selbst am meisten lustig machen, versäumt es Michell nicht, für Abwechslung zu sorgen. Hierfür hat er tief in die Archivkiste gegriffen und fasziniert mit seltenen Fotografien aus der Jugend der Stars ebenso wie mit Bühnenmitschnitten und Clips aus ihren Kinofilmen. Auch die Interviewsequenzen löst er immer wieder auf und zeigt zuweilen das ganze Set mit Kameramann, Beleuchtern und dem Rest des Drehteams. Was dem Regisseur trotz aller Vertrautheit indes nicht gelingt, ist, die Damen, die durchaus mal einen nicht ganz jugendfreien Spruch raushauen, darüber hinaus aus der Reserve zu locken und mehr als das bereits Bekannte zu offenbaren.
So erfährt man etwa kaum etwas über Maggie Smiths ersten Ehemann, den Schauspieler Robert Stephens, und man kann nur erahnen, wie schwierig die Arbeit mit dem genialen Sir Laurence Olivier, mit dem Joan Plowright verheiratet war, sein konnte. Nichtsdestotrotz ist es der Esprit dieses unvergleichlichen Kleeblatts, die große Lebensfreude und der Spaß, sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen, die dieses einzigartige Porträt einer vom Aussterben bedrohten Schauspielerinnengeneration so sehenswert machen.
Fazit: Unkonventionelle Dokumentation über vier große britische Schauspielerinnen jenseits der 80, die für Filmkenner jedoch kaum Neues oder Überraschendes preisgeben. Da Judi Dench, Maggie Smith & Co. die Anekdoten aus ihrem Leben allerdings mit derart trockenem Humor und viel Selbstironie vortragen, ist der pure Unterhaltungswert dennoch enorm.