Harley Quinns humorlose Show
Von Björn BecherFinanziell hat sich „Suicide Squad“ für das Hollywoodstudio Warner Bros. voll ausgezahlt – immerhin hat der DC-Blockbuster bei einem Budget von 175 Millionen Dollar weltweit immerhin knapp 750 Millionen Dollar eingespielt. Ganz anders sieht die Sache aber beim Feedback aus – und zwar nicht nur bei dem der Kritiker, sondern auch bei dem der Fans, die sich insgesamt wenig begeistert zeigten. Deshalb arbeitet „Guardians Of The Galaxy“-Mastermind James Gunn mit „The Suicide Squad“ aktuell auch an einem Sequel, das trotz Übernahme einzelner Schauspieler insgesamt eher ein Reboot werden soll. Zudem bekommt die einzige Figur, die in „Suicide Squad“ viele Fans wirklich vollends begeistern konnte, nun ihr (fast) eigenes Abenteuer spendiert: Harley Quinn (mit rebellischer Inbrunst gespielt von Margot Robbie)!
Das Ergebnis trägt nun den Titel „Birds Of Prey: The Emancipation Of Harley Quinn“, der jedoch ein wenig in die Irre führt: Denn selbst wenn hier tatsächlich noch weitere bekannte Anti-Heldinnen, die in den Comics gemeinsam die titelgebenden Birds Of Prey formen, eine Rolle spielen, geht jede von ihnen fast die komplette Laufzeit über ihren eigenen Weg. Der Fokus liegt dabei eindeutig auf Harley Quinn und nicht auf der Gruppe. Aber das ist ja auch ganz egal, das eigentliche Problem ist ein anderes: „Birds Of Prey“ von Regisseurin Cathy Yan liefert zwar einige starke Bilder und zwei herausragende Actionszenen – aber der mangelnde Humor und vor allem die unnötig verschachtelte Erzählweise nehmen dem Film viel von seiner Dynamik.
Willkommen zur Harley-Quinn-Show!
Der Joker hat mit ihr Schluss gemacht! Harley Quinn (Margot Robbie) behält das zunächst für sich, verkündet es im Alkoholrausch dann aber doch mit einem Knall der Öffentlichkeit. Ohne die schützende Hand des Jokers gilt sie nun als vogelfrei, was vor allem den Gangsterboss Roman Sionis (Ewan McGregor) auf den Plan ruft: Der will Harley nach etlichen Demütigungen endlich aufschlitzen! Aber da Sionis gerade von der Taschendiebin Cassandra Cain (Ella Jay Basco) ein für seine Herrscher-über-Gotham-Pläne wichtiger Diamant geklaut wurde, kann sich Harley noch einmal herausreden: Sie holt den Diamanten zurück und darf dafür weiterleben. Aber hinter dem Glitzerstein sind auch noch andere her - nämlich die Polizistin Renee Montoya (Rosie Perez), die Sionis endlich hinter Gitter sehen will, sowie die Sängerin Dinah Lance (Jurnee Smollett-Bell), die zwar selbst für den Gangster arbeitet, aber unbedingt die kleine Cassandra beschützen möchte…
Wer sich jetzt wundert, warum mit Huntress ein zentrales Comic-Mitglied der Birds Of Prey in der obigen Inhaltszusammenfassung gar nicht auftaucht, ist schon beim ersten Problem: Drehbuchautorin Christina Hodson („Bumblebee“) gelingt es nicht, alle Figuren unter einen Hut zu bringen. Obwohl die von Mary Elizabeth Winstead („Gemini Man“) verkörperte Armbrustschützin eine komplexe Hintergrundgeschichte hat, die in sehr ausführlichen Rückblenden aufgerollt wird, und zudem auch noch einen ersten Auftritt hinlegt, der an „Der blutige Pfad Gottes“ erinnert, spielt sie für die eigentliche Handlung praktisch keine Rolle. Wenn es schließlich zum finalen Showdown geht, schließt sie sich den anderen mit einem (nicht nur gefühlten) Schulterzucken an – ist dann irgendwie ja auch schon alles egal.
Die anderen neuen Heldinnen fügen sich hingegen deutlich besser ein. Rosie Perez, die in „Zwei Millionen Dollar Trinkgeld“ sogar Nicolas Cage in Sachen Exzentrik überboten hat, persifliert wunderbar die gängigen Einzelgänger-Cop-Klischees – wobei es das Drehbuch mit dem Durchbrechen der Vierten Wand mitunter übertreibt: Wenn Renee Montoya ihre Marke abgeben muss, wird das von Harley Quinn direkt in Richtung Publikum kommentiert: Ihr wisst ja, wenn einem Film ein Cop seine Marke abgeben muss, dann heißt das, dass er jetzt erst richtig loslegt! Das ist dann eher ein müder Abklatsch des Marvel-Konkurrenten Deadpool. Als wahrer Szenendieb erweist sich hingegen Jungschauspielerin Ella Jay Basco („Teachers“) als Cassandra Cain – ihr nimmt man sowohl ihren pubertären Trotz als auch ihre absolute Todesangst ab.
Hinter ihr und diesem Diamant sind alle her.
Trotz allem ist und bleibt „Birds Of Prey“ die Margot-Robbie- bzw. Harley-Quinn-Show – wie eben schon der (in der Originalversion sogar noch längere Untertitel) „The Emancipation Of Harley Quinn“ deutlich macht. Die Figur des auch als Produzentin am Projekt beteiligten Stars führt den Zuschauer zugleich als Erzählerin durch den Film – angefangen mit einem animierten Prolog, in dem sie ihr bisheriges Leben Revue passieren lässt. Durch Harleys schrille Art ist das manchmal anstrengend – und da sie zudem immer wieder den Faden verliert, erscheint die Erzählung sehr viel komplexer und verschachtelter, als sie es eigentlich ist (und als es nötig gewesen wäre). Im Kern geht es schließlich nur darum, dass die verschiedenen Parteien alle den Diamanten bzw. die Diebin haben wollen.
Die vielen Zeitsprünge, die Harley Quinns mäandernde Erzählung mit sich bringt, bremsen die geradlinige Handlung immer wieder (unnötig) aus. Selbst wenn die Rückblenden hin und wieder nützlich sind, um neue Figuren vorzustellen, rauben sie so dem zentralen Plot immer wieder das Tempo. Das wird zwar – wie eben auch bei „Deadpool“ – sehr bewusst als Meta-Stilmittel eingesetzt, ist aber trotzdem kein kluger Schachzug. Da startet zum Beispiel Harley einen Überfall auf ein Polizeirevier, nur um die saucoole Sequenz direkt wieder abzubrechen, um erst einmal zu erzählen, warum sie das gerade eigentlich macht. Darauf folgt eine so ausführliche Rückblende für eine Erklärung, die sich der Zuschauer ohnehin selbst hätte zusammenreimen können, dass bei der Rückkehr zur Action im Polizeirevier längst jegliche Dynamik flöten gegangen ist.
Gerade diese spezielle Rückblende hat aber zumindest einen Vorteil: Sie bietet eine der immer wieder eingestreuten Begegnungen von Harley Quinn mit Roman Sionis – und die sind durch die Bank ein Genuss! Als schrilles White-Trash-Punk-Girl und aufbrausender Gentleman-Gockel geben Margot Robbie und Ewan McGregor dem Affen so richtig Zucker. Sie scheuen sich nicht davor, gnadenlos zu überziehen – und das passt auch einfach perfekt in diesen überdrehten Film, weshalb man sich noch viel mehr solche Momente gewünscht hätte.
Zumal es sonst oft so wirkt, als wolle man „Birds Of Prey“ mit aller Gewalt zumindest noch ein Stück weit in der Realität erden. So wurde Gotham City auch noch nie so langweilig in Szene gesetzt – gerade bei den Tagszenen wirkt Batmans Heimat wie eine beliebig austauschbare US-Großstadt. Nur selten blitzt der mythische Charme der korruptionsgeplagten Comic-Stadt auf – zum Beispiel an einem Pier mit den gespenstisch aus dem Nebel ragenden Figuren der Stadtgründerväter.
Huntress spielt eine kleine Rolle.
Durchweg punkten kann „Birds Of Prey“ allerdings bei der Action. Wer bei dem erstklassig inszenierten Überfall auf die Polizeistation an „John Wick mit reichlich Konfetti“ denkt, der liegt jedenfalls nicht völlig falsch: Für „Birds Of Prey“ arbeitete Regisseurin Cathy Yan eng mit den Stunt-Spezialisten von 87Eleven zusammen: Martial-Experte Jonathan Eusebio, der neben den „John Wick“-Filmen auch schon für „Black Panther“ die Kampfszenen koordinierte und zuletzt bei „Fast & Furious 8“ sogar einige Actionszenen selbst inszenierte, trainierte schon vor Drehbeginn über Monate hinweg mit den Schauspielerinnen. Bei den Nachdrehs kam dann sogar noch sein Boss, „John Wick“-Regisseur Chad Stahelski, höchstpersönlich dazu.
Und die Expertise des 87-Eleven-Teams ist „Birds Of Prey“ jederzeit anzusehen: Sowohl der Überfall auf die Polizeistation als auch der große Showdown in einem clownesken Vergnügungspark bieten zahlreiche großartige Momente, bei denen die akrobatischen Fähigkeiten der Anti-Heldinnen auch voll zum Tragen kommen, wenn Bösewichte auch schon mal mit Rad, Salto und Spagat ausgeknockt werden. Dabei schwankt der Tonfall munter zwischen total überzeichnet und knallhart realistisch - erst richtig brutal, dann plötzlich knallbunt. Das passt zur unzuverlässigen Erzählerin. Da kann dann der ein oder andere ruhig aufschreien: „Dass die schmächtige Harley einen 2-Meter-Hünen mit einem Tritt ausknockt, ist doch voll unrealistisch!“ Na und? Es sieht geil aus und Harley erzählt es uns halt so…
Die Actionszenen liefern auch deshalb immer wieder eindrucksvolle Bilder, weil die Kamera des zweifach oscarnominierten Matthew Libatique („Black Swan“, „A Star Is Born“) mehrfach in längeren Einstellungen zwischen einzelnen Scharmützeln hin und her wechselt. Hier gehen die herausragende Kameraarbeit und die exzellente Choreografie Hand in Hand. Zugleich werden einem so aber auch die Probleme von „Birds Of Prey“ noch einmal schlagkräftig bewusst: Denn es sind am Ende eben auch nur diese zwei Actionszenen, die einem neben dem Sprunghaften der Erzählung wirklich in Erinnerung bleiben.
Gerade in Sachen Humor ist „Birds Of Prey“ dagegen zum Vergessen. Weder mit Anlehnungen an „Deadpool“ noch mit sonstigen herausgestellt-coolen Sprüchen kann hier wirkungsvoll gepunktet werden. Kleinere Ideen wie Harleys Hyäne Bruce oder die ganz eigene Vorstellung all der Männer und Frauen, die aus unterschiedlichsten Gründen Harley Quinn hassen, sind vielleicht noch einen Moment lang lustig – werden dann jedoch entweder zu schnell überreizt oder zu sehr vernachlässigt. Dass „Birds Of Prey“ einfach nicht lustig ist, erweist sich dann auch noch mehr als der unnötig chaotische Erzählstil (der ja auch irgendwie zu Harley passt) als die größte Schwachstelle des Films.
Fazit: „Birds Of Prey“ hat einen starken Cast, zwei Mal großartige Action und tolle Bilder – macht dann aber viel, viel zu wenig daraus.
Wenn ihr noch eine Diskussion über „Birds Of Prey“ von Kritikenautor Björn Becher mit unserem DC-Experten Julius Vietzen sowie Comic-Fan Sebastian Gerdshikow sehen möchtet, um noch ein paar weitere, sehr unterschiedliche Meinungen zu hören, dann empfehlen wir euch das folgende Video: