Partnertausch, partner swap, échangisme - allein die Tatsache, dass so gut wie alle Sprachen einen Ausdruck oder ein Wort für
jenes Phänomen, dass Frau A nun mit Mann B und Mann A mit Frau B verbändelt ist, zu besitzen scheinen, zeugt davon, dass jene tabubehaftete Verquickung wohl kaum die Ausnahme in unserer Gesellschaft darstellt.
Doch was macht das scheinbar Unwahrscheinliche so wahrscheinlich?
Dieser Frage wird in "In mood for love" nachgegangen. Die Antwort darauf offenbart sich in subtilen Zwischentönen, in latenter Spannung, in einem fulminanten Tabubruch in beruflich-häuslicher Umgebung. Der Film bezieht seine epische Tiefe aus dem Verborgenen: Das Ungezeigte, Ungesagte, Verdichtete und
Vermengte ist immer präsent. Das Kunststück, Unsichtbares und Ungezeigtes dauerhaft ins Bewusstsein zu rufen, wird durch einen simplen Trick bewerkstelligt:
Der Film ergeht sich in profanen Alltagszenen, schaut den Protagonisten bei der Arbeit zu, beim Essen, beim Spielen, beim Kochen. Diese Alltags-Gegenwelt wird kontrapunktiert durch leidenschaftliche, farblich akzentuierte Szenen, deren stetes immmer-gleiches Leitmotiv, die musikalische
Untermalung "Te Quiero Dijiste", genügen muss, um Gedanken, Gefühle, Zärtlichkeiten zum Ausdruck zu bringen. Explizite Gesten kommen nur in einem gelegentlichen
Überstreichen der Hände oder in einer zärtlichen Umarmung zum Ausdruck. Ob die beiden Betrogenen neben Schreiben, Essen und Träumen überdies noch
weitere Aktivitäten - insbesondere körperlicher Natur - gemeinsam verbringen - der Film verrät es nicht.
Einiges wird angedeutet, nichts wird vollendst preisgegeben. Nur die immergleiche Melodie lässt ein wenig von dem erahnen, was sich zwischen der zeitlichen Raffung abgespielt haben muss.
Die Musik ist überhaupt das Kapital, von dem der
Film zehrt: Gerade "Quizas, Quizas, Quizas" scheint so viele Nuancen in sich zu vereinen, ganz gleich ob Leidenschaft, Zweifel, Sehnsucht oder besinnungslose Hingabe,
dass diese Melodie jeder Szene kontextuell der fortschreitenden Entwicklung entsprechend einen anderen emotionalen Anstrich verpasst.
Der innere Zwiespalt der Protagonisten offenbart sich nicht nur in dem Kontrast dieser beiden Gegenwelten Alltagsroutine und entfachter, perzeptuell von Musik getragener Leidenschaft. Darüber hinaus exprimiert er sich auch in der unentwegten Suche nach Legitimation für das gesellschaftlich ungewollte Handeln der Betrogenen:
Was als mitunter glaubwürdiger Versuch, die Untreue der Ehepartner durch eine eigene Konfrontationstherapie zu bewältigen, begann, muss immer mehr als Ausrede herhalten für eine Annäherung, die nicht sein soll, aber sein will.
Allzu lange bilden sich die beiden ein, über den Dingen zu stehen, als sei man vor eigenen Gefühlsschwankungen und Sentimentalitäten gefeit. Immer das Feindbild des Eherbrechers vor Augen, genieren sich die Betrogenen wie an die Luft gesetzte Fische bei der Entdeckung, dass auch sie imstande sind, "verbotene" Gefühle zu entwickeln. Sie kultivieren dabei ein unentschlossenes Jein auf die Frage, ob sie ihre gesellschaftlichen Prägung missachten oder ihr Tun und Fühlen dem Joch der ehelichen Treuevorstellung unterordnen wollen.
Dies bringt einige Unzulänglichkeiten, Wenns und Abers mit sich, die sich in allerhand Allüren und umständlichen Kommunikationsformen
Bahn brechen. Nicht selten wird der Zuschauer bei diesem Versteckspiel an der Nase herumgeführt. Standpauken und Abschiede entpuppen sich plötzlich als fingierter Probelauf für das Unausweichliche. Ich werde Zeuge von echten Tränen zu falschen Abschieden und gerate über dieses Wirrwarr der Realitäten
in eine konfuse Verzückung. Die Betrogenen spielen alle Zukunftsoptionen nach und nach durch und die Frage schwebt im Raum, für welche Handlungskonfiguration sich die beiden letztendlich entscheiden werden.
Sollen sie den Ehebruch getrost ignorieren nach der Heimkehr der Untreuen und
damit ihre Ehe um jeden Preis retten? Sollen sie einen Neuanfang in neuen Verhältnissen wagen?
Egal, was die beiden auch in die Wagschale werfen,
es kommt stets Mischkost dabei heraus. Und so sind die Unentschlossenen schließlich in einem Punkt konsequent, nämlich darin, dass sie weiterhin so inkonsequent sind wie bisher.
Der Versuch, sich von der Geliebten zu lösen durch eine neue Arbeit in Singapur, vollzieht sich dementsprechend nur halbherzig und kommt nicht ohne
den Wink mit dem Zaunpfahl aus, ob "sie mitkommen würde, wenn er ein Ticket für sie nach Singapur hinterlegt hätte". Und so sind die Protagonisten wohl für immer dazu verdammt, auf Distanz zu gehen, um sich dann wieder anzunähern, wie zwei ungleichmäßig
rotierende Magneten, die sich mal mit gleichen, mal mit verschiedenen Polen gegenüberstehen. Ob Su Li-zhens Beichte zum Schluss des Films als Anzeichen zu werten ist, mit allem abgeschworen zu haben, ist vor diesem Hintergrund recht zweifelhaft. Schließlich vertraut er sein Geheimnis einem Gemäuer an,
dessen Grasnaben-Dichtung wohl mit dem nächsten Monsunregen weggeschwemmt werden wird.