Chris Rock sorgt für frischen Wind – aber nicht genug davon
Von Markus TruttVor einigen Jahren, als sich noch jedes Halloween verlässlich neue Opfer in den Folterfallen des Jigsaw-Killers wiederfanden, sollte die lange Zeit hochprofitable, einst von „Conjuring“-Mastermind James Wan entwickelte Horror-Reihe mindestens bis Teil 9 so weiterlaufen. Aber dann blieb „Saw 6“ klar hinter den Erwartungen zurück. Also wurde der Sequel-Plan (zunächst) wieder verworfen und „Saw 7: Vollendung“ kurzerhand zum großen (3D-)Abschluss der Reihe erklärt. Aber wie es sich für ein Kult-Killer-Franchise gehört – man kennt das von „Nightmare On Elm Street“ oder „Halloween“ – war der vermeintliche Abschluss auch in der „Saw“-Reihe nur von kurzer Dauer.
Der achte „Saw“-Film „Jigsaw“ entpuppte sich sieben Jahre später allerdings als ein arg lieb- und ideenloser Wiederbelebungsversuch. Trotzdem lockten die alten Erfolge noch zu sehr, als dass das Studio Lionsgate die lukrativen Folter-Sessions endgültig beerdigen könnte. Ausgerechnet der Comedy-Star Chris Rock („Lethal Weapon 4“) lieferte dann den Impuls für einen (weiteren) Neubeginn, sodass es die Reihe mit „Saw 9: Spiral“ nun über Umwege doch noch zu einem neunten Teil (und damit zu einem weltweiten Gesamteinspielergebnis von mehr als einer Milliarde Dollar) gebracht hat. Dabei machen Rock und der folterfallenerfahrene Regisseur Darren Lynn Bousman zumindest einiges besser als beim direkten Vorgänger. Aber so schwer war das ja auch nicht…
Chris Rock steht vor seinem schwersten Fall: Wie kann man dem "Saw"-Franchise noch mal frisches Blut einflößen?
Seit der Ermittler Zeke Banks (Chris Rock) vor Jahren einen korrupten Kollegen ans Messer geliefert hat, schlägt ihm auf der Wache von den anderen Cops nur noch unverhohlene Verachtung entgegen. Als Verräter gebrandmarkt, zieht er mit seinen unkonventionellen Methoden sein eigenes Ding durch – und ist folglich auch nicht gerade erfreut, als ihm mit Jungspund William Schenk (Max Minghella) ein neuer Partner an die Seite gestellt wird.
Dabei kann Zeke eigentlich jede Unterstützung gut gebrauchen, immerhin treibt gerade ein Killer in der Stadt sein Unwesen, dessen Vorgehen frappierend an die sadistischen Methoden des berüchtigten Jigsaw-Mörders erinnert – mit dem Unterschied, dass es der Trittbrettfahrer offenbar ausschließlich auf Polizist*innen abgesehen hat. Für Zeke beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit – zumal der frühere Polizeichef und Zekes Vater Marcus Banks (Samuel L. Jackson) plötzlich spurlos verschwindet…
Bei seinem ersten Auftritt erklärt der undercover ermittelnde Zeke einer Gruppe von Gangstern mit viel Leidenschaft, warum Forrest Gumps große Liebe Jenny in Wahrheit die eigentliche Antagonistin in dem Oscarabräumer mit Tom Hanks ist – ein nerdiger Popkultur-Dialog, der so auch aus einem Skript von Quentin Tarantino stammen könnte. Ja, Chris Rock bringt tatsächlich eine Prise Humor in die „Saw“-Reihe. Die trockenhumorigen Sprüche voller Popkultur-Referenzen, die Zeke vor allem in der ersten Filmhälfte zum Besten gibt, bringen uns den privat wie beruflich völlig verbitterten Zyniker zumindest ein Stück weit näher – was schon mehr ist, als man von (fast) allen anderen Figuren behaupten kann.
Dass sich Chris Rock dabei als bekennender Franchise-Fan schauspielerisch voll ins Zeug legt, was ja nun mal im neunten (!) Teil einer Folter-Horror-Serie sicherlich nicht oft der Fall ist, bringt seinem aufrechten Cop endgültig die nötigen Sympathiepunkte ein. Besonderes Highlight: Rocks Zusammenspiel mit Film-Papa Samuel L. Jackson, der mit seiner No-Nonsense-Attitüde und pausenlosem Gefluche lustvoll an einige seiner größten Rollen anknüpft. Schade, dass der „Pulp Fiction“-Star nur in einer Handvoll Szenen auftaucht, denn von dieser herrlichen Vater-Sohn-Kabbelei hätten wir uns auf jeden Fall noch mehr gewünscht.
Der Jigsaw-Killer ist zurück - aber wer steckt diesmal hinter der Schweinsmaske?
Wer übrigens befürchtet, dass die humorigen Elemente zu Lasten der gewohnten Härte gehen könnten, wird direkt in den Anfangsminuten eines Besseren belehrt: Gleich das erste Opfer wird in bester „Saw“-Manier zerfetzt – während nur noch seine herausgerissene Zunge traurig und einsam in einer der üblichen Jigsaw-Apparaturen stecken bleibt. Auch „Spiral“ ist wieder verdammt brutal und geht mit seinen FSK-18-Gewaltspitzen sogar noch etwas mehr an die Nieren als die unmittelbaren Vorgänger.
Das liegt zum einen am Look, der zwar mitunter etwas billig digital, aber insgesamt wieder ein ganzes Stück dreckiger als im auf Hochglanz polierten „Jigsaw“ anmutet. Zum anderen gibt es diesmal auch keinen völlig abstrusen und irgendwann nur noch ermüdenden Folter-Parkour, sondern wohldosiert eingesetzte Todesfallen, die dann in einigen Fällen (Stichwort: Leergut-Zweckentfremdung) auch wirklich schmerzhaften Impact entfalten. Nur bedauerlich, dass einem das Schicksal der Opfer erneut herzlich egal bleibt…
Reihen-Rückkehrer Darren Lynn Bousman, der auch schon die Teil 2 - 4 des Franchises inszeniert hat, versucht in „Saw: Spiral“ hier und da durchaus, neue Wege einzuschlagen. Am deutlichsten erkennt man das daran, dass er sich des zunehmend verschwurbelteren Jigsaw-Mythologie-Ballasts der vorherigen Teile weitestgehend entledigt und seinen geradlinig erzählten Thriller stattdessen komplett auf eigenen Beinen stehen lässt. Auch „Saw“-Neueinsteiger finden sich somit problemlos zurecht. Die sonstigen Bemühungen, die Reihe auch dank der Hilfe der hochkarätigen Neuzugänge wieder ein wenig frischer und relevanter wirken zu lassen, bleiben hingegen weitestgehend in Ansätzen stecken.
Der Fokus mag diesmal (wie im ersten „Saw“) wieder mehr bei der Polizei liegen, die eigentliche Ermittlerarbeit ist aber ganz reihentypisch kaum der Rede wert. Zeke und Co. schlittern eher passiv von einem Jigsaw-Nachahmer-Schabernack zum nächsten – und verhalten sich dabei immer wieder so dämlich, dass man sich fragt, wie sie sich eigentlich ihre Marken erschlichen haben. Dass der nur auf dem Papier spannende oder gar provokante Kommentar zu Polizeigewalt und Korruption ebenso wenig subtil und ungelenk daherkommt wie die pseudo-philosophischen Lektionen des originalen Jigsaw, war zwar zu erwarten, ist aber trotzdem schade.
Wer hätte vorab geglaubt, dass Samuel L. Jackson mal in einem "Saw"-Film mitspielt?
Am Ende fühlt sich auch „Spiral“ sehr nach „Saw“ an – von der holprigen Killerjagd über die raue Ästhetik (inklusive wild beschleunigtem Kamera-Gewackel bei der Inszenierung der Fallen) bis hin zum obligatorischen Twist im Finale. Und das ist selbst für Fans nicht unbedingt positiv. Nach acht Filmen bräuchte die Reihe schlichtweg mehr frische Impulse. Was hier abseits von Chris Rocks Beteiligung nun genau den Ausschlag gegeben hat, die Marke (erneut) wiederzubeleben, ist beim Endergebnis höchstens noch zu erahnen.
Fazit: Chris Rock bringt tatsächlich etwas frischen Wind in die eigentlich schon totgefolterte „Saw“-Reihe – aber längst nicht genug, um wirklich frisches Interesse an dem zwischenzeitig schon zwei Mal abgeschriebenen Horror-Langläufer-Franchise zu entfachen. Selbst die trockenen Sprüche und die angedeutete Gesellschaftskritik täuschen kaum darüber hinweg, dass auch „Spiral“ nur ein weiterer, dann doch ziemlich typischer Vertreter der Reihe ist – sicher besser als einige der bisherigen „Saw“-Sequels, aber dennoch meilenweit entfernt von James Wans bahnbrechendem Original.